Von Barbara Neugel — 150 Jahre besondere Pflanzen: Wohl jedes Kind kommt mit seinen Eltern oder Grosseltern irgendwann in den Botanischen Garten. Manche kommen immer wieder, manche vielleicht nie mehr. Und dann gibt’s noch die Menschen, auf die der Botanische Garten mit all seinen exotischen Gewächsen und auch einfachen Alpen- oder Heilpflanzen eine grosse Anziehungskraft ausübt. Sie studieren später vielleicht Botanik und wählen den Botanischen Garten als Forschungs- oder Arbeitsplatz.
Doch wie hat das alles eigentlich angefangen mit dem Botanischen Garten? In Bern existierten im 18./19. Jahrhundert an verschiedenen Standorten fünf Botanische Gärten. Sie alle wurden aufgegeben, nachdem 1859 der Regierungsrat des Kantons Bern die Gründung eines neuen Botanischen Gartens beschlossen hatte. Im Rabbental wurde ein Terrain von 6.25 Jucharten Grösse, mit Brunnquelle, für 25 000 Schweizer Franken erworben; dazu kamen noch weitere 1.5 Jucharten Hanglage. Auf diesem Gelände nun wurde der Botanische Garten im englischen Stil, der bis heute teilweise prägend ist, angelegt. Der Eingangsbereich konnte später beim Bau der Lorrainebrücke in wenig geänderter Form beibehalten werden.
Die Basis ist noch heute – da hat sich gegenüber der Gründerzeit nichts geändert – die direkte Begegnung von Natur und Studierenden. Und diese so verstandene direkte Begegnung lässt sich nur in der freien Natur realisieren, und sie setzt die Liebe zur Natur und die Leidenschaft für die Natur voraus.
1862 war der erste Bau des Botanischen Gartens – ein spätklassizistisches Projekt des Architekturbüros Dähler & Schultz – bezugsbereit. Es ist ein schlichtes Gebäude mit Auditorium, Bibliothek und Herbarraum, zukunftsgerichtet gedacht und geplant, wie sich später zeigen sollte.
In einen Botanischen Garten gehört eine Orangerie, zumindest im etwas rauen Klima von Bern. Es entstanden im Lauf der Zeit vier Schauhäuser, die unter Denkmalschutz stehen, und 1905 ein Palmenhaus im viktorianischen Stil. In den 1970er-Jahren entstanden neue Schauhäuser: ein Palmenhaus, ein Farnhaus und ein Sukkulentenhaus. 1977 wurde das nicht denkmalgeschützte Palmenhaus abgebrochen. Ursprünglich unmittelbar mit der Universität Bern verbunden, wurde während der Direktionszeit von Dr. Otto Hegg in den Jahren 1990 bis 1996 der Botanische Garten vermehrt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, es wurde eine Brücke geschlagen zwischen Universität und Öffentlichkeit. Diese Aufgabe wurde ernst genommen, und bis heute bestehen Angebote für die Öffentlichkeit wie Führungen, Kurse, Ausstellungen verschiedener Art, kulturelle Veranstaltungen und der «Zaubergarten», ein Freizeitangebot für Kinder.
In jüngster Zeit haben Liberalisierungs- und Privatisierungsabsichten zu schwer nachvollziehbaren Entscheiden geführt. 1999 hat die Regierung des Kantons Bern beschlossen, den öffentlichen Teil des Botanischen Gartens zu schliessen und die drei grossen Schauhäuser anders zu nutzen oder abzubrechen. Zwar ist wohl klar geworden inzwischen, dass sich die öffentliche Hand ihrer Verantwortung nicht durch Privatisierung entziehen kann. Trotzdem hat 2002 die Industriellenfamilie Styner mit einer grossen Spende den Botanischen Garten ein erstes Mal vor dem Aus bewahrt. Dies führte zur Gründung einer Stiftung, die zusammen mit der Universität Bern für die Finanzierung des Botanischen Gartens zuständig war. 2006 wiederholte sich die Geschichte. Mit einer zweiten Spende der Familie Styner und durch die Mitfinanzierung der Universität wurde das Schlimmste verhindert. Das dritte Aus folgte Mitte 2008. Dies rief die Politiker auf den Plan. Der Grosse Rat und das Stadtparlament konnten den Botanischen Garten ein weiteres Mal retten. Die Universität wird den Betrieb weiterführen, die Frage ist nur, wie lange.
Trotz allen Höhen und Tiefen feiert der Botanische Garten 2009 sein 150-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass haben der freie Publizist und langjährige Kulturredaktor des «Bund», Fred Zaugg, und der professionelle Fotograf und seit 2002 Cheffotograf des «Bund», Adrian Moser, gemeinsam eine Festschrift gestaltet. Entstanden ist ein schönes und reich bebildertes Werk, ein «Kaleidoskop aus Bildern und Begegnungen», wie Zaugg in der Einleitung schreibt. Zu finden sind neben einem geschichtlichen Teil mit Hintergrund und Entstehung auch «Die Menschen und ihr Garten» – Menschen, die ihre Lieblingspflanzen im Botanischen Garten vorstellen, mit jeweiligen Farbaufnahmen dazu – und «Geschichten», quasi als Zwischenakte, mit Titeln wie «Die Zapfenziehergazelle», «Ein Schuss auf der Bank», «Museumsnacht», «Auf Hexenbesen reiten» oder «Mutters Blaue Blume». Das Vorwort hat Regierungsrat Dr. Bernhard Pulver, Erziehungsdirektor des Kantons Bern, verfasst. Diese Festschrift ist ein Must für alle, die den Botanischen Garten lieben, und für alle, die ihn gerne kennen und lieben lernen möchten.
Info: www.boga.unibe.ch
Botanischer Garten Bern
Fred Zaugg, Adrian Moser
Haupt Verlag Bern/Stuttgart/Wien, 2009
Foto: Adrian Moser
ensuite, Oktober 2009