Von Sonja Wenger — Der britische Independent-Film «Broken» ist ein feingliedriges Kammerspiel, ein filmisches Kleinod voller Überraschungen und berührender Momente um das Erwachsenwerden der elfjährigen Skunk (Eloise Laurence). Das Mädchen leidet an Diabetes und lebt in einem Vorort von London, in einer Sackgasse mit drei Wohnhäusern und drei Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Seit ihre Mutter die Familie verlassen hat, kümmert sich neben ihrem Vater Archie (Tim Roth), einem Anwalt, das Au-Pair Mädchen Kasia (Zana Marjanovic) um die zurückhaltende, schwierig wirkende Skunk und ihren älteren Bruder.
Einer ihrer wenigen Freunde ist der scheue Nachbarssohn Rick (Robert Emms). Doch als dieser vom dritten Nachbarn Mr. Oswald (Rory Kinnear) krankenhausreif geschlagen wird, weil eine seiner drei missratenen Töchter Rick fälschlicherweise der Vergewaltigung beschuldigte, scheint auch in Skunks Leben plötzlich alles schief zu laufen. Kasia trennt sich von ihrem Freund Mike (Cillian Murphy), der gleichzeitig Skunks Lieblingslehrer ist; ihr erster Freund muss von London wegziehen; und ihr Vater scheint immer weniger Zeit für sie zu haben. Als Rick, der inzwischen in der Psychiatrie lebt, für ein Wochenende nach Hause kommt, und Skunk ihn heimlich besuchen will, eskaliert die Situation.
«Broken» ist erst der zweite Film des britischen Regisseurs Rufus Norris. Doch er hat das intelligente Drehbuch um eine ganze Reihe äusserst komplexer Charaktere mit einer verblüffenden Leichtigkeit umgesetzt. Mit enormer Einfühlsamkeit führt er die – teils sehr jungen – Schauspieler zu souveränen darstellerischen Leistungen, die ihresgleichen suchen. Sein präziser Blick schafft zudem eine grosse Nähe, die aber immer respektvoll bleibt und zeigt, wie Teenager ticken, wie sie mit äusseren Zwängen, inneren Konflikten und ihren Träumen umgehen.
Dabei gelingt es Norris stets, Klein und Gross, Schock und Erlösung, Verdorbenheit und Reinheit, Unschuld und Schuld in Balance zu halten, und dem Publikum keine leichten Lösungen oder Urteile zu präsentieren. Eine aussergewöhnliche Leistung bei einer Geschichte, in der auch der Tod eine wichtige Rolle spielt.
«Broken», Grossbritannien 2012. Regie: Rufus Norris. Länge: 90 Minuten.
ensuite, Januar 2013