Von Christoph Simon — Wenn regsame Katholiken die päpstliche Enzyklika zur Vorbereitung auf Weihnachten gelesen haben, um «die Schönheit und Tiefe der christlichen Hoffnung wiederzuentdecken» (Josef Ratzinger), dann wollen wir – regsame Kulturinteressierte – uns im neuen Jahr mit all den anderen bedeutungsvollen Büchern auf all die anderen bedeutungsvollen Termine vorbereiten, die uns Einblick in Vielfalt und Tiefe des abendländischen Lebens verheissen.
Unser erster Termin: Im Januar, an der Uni Freiburg. Nicht nur potentielle Scheininvalide, Abzocker, pädophile Lehrer und Mittelstandseltern, die subventionierte Krippenplätze in Anspruch nehmen, mögen sich für die Veranstaltung der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie zum Thema «Missbrauch in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft» erwärmen. Zur Einstimmung sei empfohlen: «Das Handbuch der Steuerhinterziehung» von Franz Konz.
Zu Suppe und Generalversammlung trifft sich im Februar der Metzgerei-Personalverband, Sektion Schaffhausen. Gäste, die «Der Metzger muss nachsitzen» von Thomas Raab oder «Hausschlachten» von Bernhard Gahm gelesen haben, dürften in Schaffhausen besonders herzlich willkommen sein.
Am zweiten März-Wochenende in Chur lernt die Wirbelsäulentherapie nach Dorn und Breuss umso besser, wer die «Biomechanik der Wirbelsäule» von Paul Klein und Peter Sommerfeld gemarkert hat und beim abendlichen Besser-Kennenlernen Omas Hausrezepte aus Angela von Büdingens «Natürliche Hilfe für den Rücken» zur Diskussion stellen kann.
«Die Natur spricht zu uns, indem sie schweigt.» Bevor man sich über Pfingsten in der Villa Unspunnen in Wilderswil versammelt, um der «grossen, lebendigen Symphonie» der Natur ein Resonanzkörper zu werden, lesen wir «Gefangen in der Schweigepflicht» von Gerhard Paersch.
Der Gartenrotschwanz ist der «Vogel des Jahres 2009» des Vogelschutzverbandes des Kantons Solothurn. Was liegt näher, als sich zur kantonalen Exkursion in Mümliswil-Ramiswil am 17. Mai mit Heinz Menzels «Der Gartenrotschwanz» in Brutpflege, Nahrungserwerb und Zugverhalten des Jahresvogels einzulesen?
Zur Europäischen Gehörlosen-Schachklubmeisterschaft im Juni in Hamburg bereiten sich «Höris-taner» vor mit dem Reiseführer «Durchs wilde Gehörlosistan» von Inge Blatter-Meiboom.
Im Juni und Juli gibt es in Trubschachen im Hotel Bahnhof leider keine Konzerte des Ländlerfründe-Vereins. Die Sommerpause nutzen Freunde der Heimatmusik mit den Schriften «Punk Rocker sind auch nur Väter» von Jim Lindberg und «Ich war nicht immer Alphornbläser» von Lorenz Schwarz.
Im Oktober, immer Dienstag um halbacht, trainiert die Feuerwehr Baar ihre Grossfahrzeuge. Wer als Laie einem professionellen Brandbekämpfer den Schlauch entreisst, die Drehleiter erklettert und nicht nur in die richtige Richtung wässert, sondern auch aus Ralf Butschkows «Ich hab einen Freund, der ist Feuerwehrmann» lautstark zu zitieren weiss, fährt als Held mit in die Wache zurück, vorgemerkt für den Notfall.
Mag James Bond auch ein alter Hut sein, gilt es doch, im November die Konzerte des «Chor im Breitsch» in Bern nicht zu verpassen. Das Triumvirat Hügli-Vatter-Hügli dirigiert den vielstimmigen Chor durch die zeitlosen Bond-Titelsongs von Shirley Bassey bis Harket-Waaktaar-Furuholmen. Zu lesen ist vorgängig «Mr. Kiss Kiss Bang Bang: Die Geschichte der James-Bond-Filmmusiken» von Siegfried Tesche.
Dies nur eine kleine Auswahl der unzähligen Anlässe zur Schärfung des Geistes, zur Stärkung der Sinne, zur Weitung der Seele, die dem Kultur-interessierten 2009 offenstehen. Von Baar bis Wilderswil erreicht uns der Ruf: «Willkommen, regsamer Kulturinteressierter, trete ein!». Bereiten wir uns vor und folgen wir den Einladungen, bevor wir uns von Neuem zum schönen und tiefen Weihnachtsfonduechinoise niederlassen.
ensuite, Januar 2009