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Bunraku

Von Mor­gane A. Ghi­lar­di — Ein Spek­takel gen­reüber­greifend­er Action und Komik: Gen­res, Far­ben, Stilmit­tel – dies ist ein Film, der sich aller Reg­is­ter bedi­ent. Als klas­sis­che Rachegeschichte im Action­for­mat konzip­iert, ist mit «Bun­raku» (2010) ein wun­der­bar kurios­es Werk ent­standen, welch­es sich über alle Gen­re­gren­zen hin­wegset­zt und der Fan­tasie freien Lauf lässt.

Ein Name aus dem japanis­chen Pup­penthe­ater, beze­ich­nete «Bun­raku» ursprünglich ein spez­i­fis­ches The­ater in Osa­ka im neun­zehn­ten Jahrhun­dert. Die geschnitzten Pup­pen des Bun­raku sind sehr detail­liert gestal­tet und kön­nen dank kom­plex­en Mech­a­nis­men und begabten Pup­pen­meis­tern, die in schwarzen Ganzkör­per­anzü­gen aus dem Schat­ten her­aus agieren, viele sub­tile Bewe­gun­gen aus­führen. Inspiri­ert von dieser noch beste­hen­den Tra­di­tion, hat Guy Moshe eine Geschichte geschrieben und ver­filmt, welche sich mit dem Geschicht­en­erzählen sel­ber und mit der Iko­nen­haftigkeit gewiss­er Fig­uren der Pop­ulärkul­tur auseinan­der­set­zt. Dabei wird mit ele­gan­ten und ener­getis­chen Chore­o­gra­phien eine gute Action­sto­ry insze­niert.

Die Erzählstimme erk­lärt, während eine Mon­tage mit Papier­pup­pen ver­bildlicht: Men­schen sind unglaublich kreativ wenn es um Gewalt und ums Töten geht. Darum ist es auch kein Wun­der, dass nach einem let­zten grossen Krieg endlich vie­len ein Licht aufge­gan­gen ist, und Feuer­waf­fen in der übrigge­bliebe­nen Welt ver­boten wor­den sind. Nun herrscht aber kein Frieden, son­dern die Macht des Schw­ertes und der Faust. Wer die Kampfkün­ste beherrscht, beherrscht auch die Städte. So kommt es, dass der unbe­sieg­bare Nico­la (Ron Perl­man) zum mächtig­sten Mann östlich des Atlantiks gewor­den ist und mit sein­er Armee von Schw­ertkämpfern die Massen in Schach hält und unter­drückt. Doch solche Zustände lock­en Kämpfer für Frei­heit, Gerechtigkeit und Ehre an, so wie den jun­gen Frem­den (Josh Hart­nett) und den stois­chen Yoshi (japanis­ch­er Super­star Gackt Camui) – der eine ein waf­fen­los­er Cow­boy, der andere ein ide­al­is­tis­ch­er Samu­rai – die bei­de geheimnisvolle Motive haben, um Nico­la aufzus­püren. Auf indi­vidu­ellen Fährten kreuzen sich ihre Wege dank einem Bar­tender (Woody Har­rel­son) in Lit­tle West­world, der das Bedürf­nis nach Rache ken­nt, aber auch den richti­gen Weg zum Erfolg ihres Unternehmens. Mit viel Hero­ik und stil­voll wer­fen sich die bei­den Pro­tag­o­nis­ten also ins Getüm­mel, und kom­men ihrem Ziel langsam näher.

Jede Szene hat man in irgen­dein­er Form schon ein­mal gese­hen, wenn auch nicht ganz in diesem Licht. Denn der Clou von «Bun­raku» ist die Ver­ar­beitung von Stereo­typen, Iko­nen und Gen­rekon­ven­tio­nen. Anders als beispiel­sweise bei Taran­ti­nos Anstren­gun­gen wird mit den Ver­frem­dungsef­fek­ten des The­aters gear­beit­et. Der Film erscheint wie auf ein­er gigan­tis­chen Pop-Up-Bühne insze­niert, die mit starken Kan­ten, grellen Far­ben und wenig CGI z.B. an «Das Cab­i­net des Dr. Cali­gari», (1920), «Mir­ror­mask» (2005) oder «Scott Pil­grim vs. the World» (2010) erin­nert, minus das Bizarre. Die Fig­uren und die Dialoge sind Col­la­gen aus klas­sis­chen Motiv­en von West­ern und East­ern Fil­men, nehmen sich auch sel­ber gerne aufs Korn, ohne lächer­lich zu wirken. Speziell beein­druck­end sind die von Musi­cals inspiri­erten Kampf­chore­o­gra­phien, die z.B. «Rome»-Star Kevin McK­idd als impo­ten­ten Killer bril­lieren lassen.

Das Konzept dieser Col­lage von Gen­res und Stilen wirkt beson­ders Inter­es­sant im Kon­text der The­matik. Wieso diese Fasz­i­na­tion mit Gewalt? Wieso diese Ver­ar­beitung von Fan­tasien, die sich ums Kämpfen und Töten drehen? Wie der Erzäh­ler sagt, der Men­sch kann es ein­fach nicht lassen, also braucht es auch in seinen Geschicht­en Platz. Darum sind die Helden dieser Geschicht­en aber unge­wollte Helden, Ret­ter aus der Fremde, Krieger aus Wohlwollen und Mitleid. Und nichts­destotrotz ein­fach coole Typen.

Liebes­beziehun­gen nehmen in dieser Geschichte zum Glück nicht viel bis gar keinen Platz ein. Demi Moore darf als wütende Kur­tisane Alexan­dra erstrahlen, doch ihre Rolle ist mar­gin­al, was in sich schon von Bedeu­tung ist, da laut dem Bar­tender in dieser gewalt­täti­gen Welt die Liebe zwar nicht über­lebt, aber dafür die Hoff­nung immer­während ist. In der Tra­di­tion Leones ist dies hier eine Män­nergeschichte, die sich ein jed­er Action‑, Western‑, Musi­cal- oder East­ern-Fan reinziehen – im voll­sten Sinne des Wortes – sollte.
«Bun­raku». USA 2010. Regie: Guy Moshe. Dauer: 188 Min. Erscheint am 13. Okto­ber auf DVD und Blu-Ray.

Foto: zVg.
ensuite, Okto­ber 2011

Artikel online veröffentlicht: 25. Februar 2019