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Cartoons der Antike

Von Lukas Stuc­ki — An der Muse­um­snacht 2011 präsen­tiert die Antiken­samm­lung Bern eine Ausstel­lung über die bildliche Darstel­lung von Humor in der Antike, wo man unter anderem erfährt, dass Lachen auch eine rel­a­tiv kom­plizierte Angele­gen­heit sein kann.

Dass die alten Römer nicht ger­ade zim­per­lich waren, was den Umgang mit unter­wor­fe­nen Völk­ern betraf, wis­sen wir spätestens seit Aster­ix. Dass aber auch ihr Humor so etwas wie «polit­i­cal cor­rect­ness» zuweilen ver­mis­sen liess, erk­lärt uns die Archäolo­gin Simone Voeg­tle: «In der Antike lachte man vor allem über Dinge, die ausser­halb der Norm lagen. Das kon­nte ein­er­seits ein Ver­hal­ten sein, das nicht kon­form war, oder, auf der visuellen Ebene, ein Kör­p­er, der nicht den ästhetis­chen Anforderun­gen der Gesellschaft genügte», denn, wie Aris­tote­les in sein­er Poet­ik schrieb: «Das Lächer­liche ist näm­lich ein mit Hässlichkeit ver­bun­den­er Fehler». Worüber heute nicht ein­mal hin­ter vorge­hal­tener Hand gekichert wer­den darf, lachte man in der Antike also lau­thals her­aus: unat­trak­tive und kör­per­lich behin­derte Men­schen, Rand­ständi­ge und Freaks. Dementsprechend fall­en auch die meis­ten humor­vollen bildlichen Darstel­lun­gen aus, die aus dieser Zeit erhal­ten sind. Tanzende Krüp­pel, über­grosse Penisse, dion­y­sis­che Orgien, Men­schen mit Buck­el oder Klumpfüssen, ähn­lich­es mehr wurde auf Gefässe gemalt, an Wände gekritzelt, oder in Form von Klein­plas­tiken wie etwa Ton­figürchen dargestellt. Darüber freuten sich allerd­ings nicht alle im sel­ben Masse: «Die Aus­gren­zung, die durch das Aus­lachen dro­hte, war gefürchtet», sagt Voeg­tle, denn «das Lachen enthielt eine starke spöt­tis­che Kom­po­nente und eine mehr oder weniger offene Aggres­sion». Wer also auf diese Weise auf die Schippe genom­men wurde, musste um seinen gesellschaftlichen Sta­tus ban­gen, und so erstaunt es nicht, dass der Humor in der Öffentlichkeit dur­chaus auch gewis­sen Spiel­regeln unter­wor­fen war. Der His­torik­er Fritz Graf schreibt dazu in einem Auf­satz über den römis­chen Humor, der Witz «müsse sich inner­halb vorgegeben­er Gren­zen der Ehrbarkeit bewe­gen, um gesellschafts­fähig zu sein». Man kon­nte also nicht nur ins gesellschaftliche Abseits manövri­ert wer­den, indem man zur Zielscheibe solchen Spotts wurde, son­dern auch, indem man selb­st in der Öffentlichkeit unpassende Witze erzählte, was den Gedanken nahe legt, dass es sich beim antiken Humor nicht zulet­zt um ein fein aus­tari­ertes Sys­tem gesellschaftlich­er Kon­trolle han­delte. Auf der einen Seite «wird durch das Lächer­liche der Darstel­lung ein komis­ch­er Effekt erzielt, der den Men­schen zum Lachen bringt und ihm gle­ichzeit­ig ein Über­legen­heits­ge­fühl gegenüber der abge­bilde­ten Fig­ur ver­schafft», so Voeg­tle, auf der anderen Seite «kon­nte gemein­sames Lachen, zum Beispiel über etwas Fremdes, Unge­wohntes, auch das Gemein­schafts­ge­fühl stärken und dazu führen, dass man sich sich­er fühlte». Um dieses frag­ile Gle­ichgewicht sorgte sich neb­st den per­sön­lich Betrof­fe­nen auch eine erstaunlich grosse Anzahl von Philosophen und Rhetorik­ern «von Pythago­ras bis Seneca». «Dies hat vor allem mit der bere­its erwäh­n­ten aggres­siv­en Seite des Lachens zu tun; die Philosophen fürchteten und kri­tisierten die Gefahr, die davon aus­ging», sagt Voeg­tle, und dies kon­nte dann ab und an auch zu Aufrufen wie der fol­gen­den sokratis­chen Ermah­nung führen: «Man sollte Lachen so ver­wen­den, wie man Salz benutzt: sparsam.» Andere ver­trat­en eine noch viel radikalere Posi­tion gegenüber dem Lachen, wie etwa Pla­ton, der es in sein­er Akademie gle­ich ganz ver­bot, dafür aber in der athenis­chen Komödie zum Aus­gle­ich als Miesepeter dargestellt wurde. So ganz und gar wollte man sich den Humor dann doch nicht nehmen lassen, und «Aris­tote­les sagt denn auch klar, dass Unter­hal­tung, Spiel und Entspan­nung wichtig sind für den Men­schen, und zum Leben gehören», und Simone Voeg­tle hält fest: «Lachen war und ist Dis­tanz­nahme. Es diente in der Antike und auch heute noch dazu, sich abzu­gren­zen von Din­gen, die man nicht ken­nt oder die einem unan­genehm sind. Im besseren Fall ermöglicht diese Dis­tanz eine Reflex­ion, im weniger guten bleibt es bei der Abwehr. Allerd­ings sind wir heute im Ver­gle­ich zur Antike weniger erbar­mungs­los, son­dern ver­suchen in der Regel als Gemein­schaft, eine allzu offene Aus­gren­zung durch das Lachen zu ver­mei­den – ganz so, wie es sich schon die antiken Philosophen gewün­scht haben.»

Und wer sich wün­scht, sich diese The­matik ein­mal konkret vor Augen zu führen, sollte sich die Ausstel­lung über die bildliche Darstel­lung von Humor in der Antike nicht ent­ge­hen lassen – auch wenn man wahrschein­lich eher nach­den­klich als erheit­ert heimkehren wird.

Foto: zVg.
ensuite, März 2011