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Chamäleon auf Safari

Von San­dro Wied­mer — Dass er ohne sein Instru­ment nicht existieren kön­nte, nimmt dem Sax­o­phon­is­ten Kazu­to­ki Umezu umge­hend ab, wer ihn ein­mal spie­len gehört oder gese­hen hat: Sein Anker sei es, sagt der Wel­tenbumm­ler, der nicht nur in über 32 Län­dern Konz­erte gegeben hat, auch musikalisch poly­glott erweist sich, was er aus seinem Instru­ment her­ausholt. Das mag damit zusam­men­hän­gen, dass er, wo immer er auch hinkommt, sich auf die örtlichen Tra­di­tio­nen ein­lässt, den Aus­tausch mit der lokalen Kul­tur sucht. Mit der Klar­inette aufgewach­sen im Nachkriegs-Japan, das sich ert­mals gegenüber der west­lichen Kul­tur geöffnet hat­te, galt seine Liebe früh dem Jazz, aber auch Rock­musik und Sound­tracks, zum Beispiel von Nino Rota oder Toru Takemit­su gehörten zu seinen Vor­lieben. Da er mit der Klar­inette keine Jobs in den Jazz-Clubs sein­er Heimat gefun­den hätte, begann er bald auch Sax­ophon zu spie­len. Die musikalis­che Frei­heit suchend, die er in der Szene sein­er Heimat nicht ausleben kon­nte, zog es ihn 1974 auf den Spuren sein­er Idole wie John Coltrane, Ornette Cole­man, Albet Ayler oder Rah­saan Roland Kirk zum ersten Mal nach New York, wo er in Zukun­ft immer mal wieder seinen Anker auswer­fen sollte, so auch während der 80er und 90er Jahre, als die dor­tige Down­town-Szene erstark­te, in deren Mitte er seine Kreativ­ität vorzüglich ein­brin­gen kon­nte. Neben unzäh­li­gen Kol­lab­o­ra­tio­nen und eige­nen Pro­jek­ten grün­dete er da unter anderem auch eine 18-köp­fige Klezmer­band, mit welch­er er seine Heimat Japan betourte. Die Liste sein­er Kol­lab­o­ra­tio­nen ist lang und ein­drück­lich, und belegt seine Viel­seit­igkeit: Neben vie­len Jazz-Musik­ern und Down­town-Artis­ten gehören dazu auch Leute wie B.B. King, Ian Dury, der ihn 1998 für eine Tour mit den Block­heads verpflichtete, RK2, Fan­fare Cio­car­lia, das tra­di­tion­sre­iche Perkus­sions-Orch­ester Ondekoza – um nur einige zu nen­nen.

Die KiKi Band grün­dete er 1999 für eine Tour durch Afri­ka. Auf die Bitte, ihm einen Namen für das Pro­jekt vorzuschla­gen, erhielt er den Vorschlag, Kipara, Swahili für Glatzkopf (seit einiger Zeit trägt Umezu das Haupthaar rasiert), und Kiny­on­ga, den Aus­druck für Chamäleon zusam­men­zuziehen: Immer, wenn er nach Afri­ka komme, trage er eine andere Farbe, mal Blue, mal Enka, mal Rock, mal Jazz … Es erübrigt sich zu sagen, dass die KiKi Band sämtliche Far­ben annehmen kann, ohne dabei die Gestalt zu wech­seln.

Im Ver­bund mit dem Gitar­ris­ten Nat­su­ki Kido, sein­er­seits Kopf seines eige­nen Pro­jek­ts Bondage Fruit, welch­es pro­gres­siv­en Rock, Jazz und fer­nöstliche Tra­di­tion verbindet, Bassis­ten Take­haru Hayakawa, der nicht nur im Zusam­men­spiel mit der Gitarre bril­liert, son­dern neben einem soli­den Fun­da­ment auch ein dezi­diertes Funk-Ele­ment in die Mélange ein­bringt, und, seit 2005, mit Joseph Trump am Schlagzeug, dessen hoch-ener­getis­ches Spiel schon For­ma­tio­nen von Elliott Sharp (Car­bon) oder Car­los Alo­mar, und das Trio GAWK befeuerte.

Dass sich hier vier hochkarätige Solis­ten zusam­menge­tan haben, eine sehr kom­pak­te Musik zu schaf­fen, welche Trump nicht ganz ernst als «Heavy Met­al Bebop» oder «eklek­tis­chen Rock im Jazz-Gewand» beze­ich­net, äussert sich in der Leichtigkeit, mit welch­er hier Stile und Tem­pi durcheinan­dergewirbelt wer­den, ohne dass da je der Fluss ver­loren gin­ge, da genü­gen auch kurze Augenkon­tak­te, dass jed­er der vier seinen Raum bekommt, seine Bril­lanz in gele­gentlichen Soli auszuleben, mit Impro­vi­sa­tio­nen den viel Raum lassenden Kom­po­si­tio­nen eine neue Fär­bung zu geben. Dabei wird stets mit äusser­ster Präzi­sion agiert, mit spür­bar­er Spiel­freude, wobei immer auch der Humor, der den Pro­jek­ten Umezus stets eigen ist, nicht zu kurz kommt. Das 7. Album «A Chrysalis’ Dream» zu taufen sind sie nun auf Tour, und machen auch im Dach­stock halt.

Foto: zVg.
ensuite, Sep­tem­ber 2011

Artikel online veröffentlicht: 17. Februar 2019