Von Hannes Liechti — In der Serie «Musik für …» wird jeweils eine Persönlichkeit aus dem Berner Kulturleben mit einer ausgewählten Playlist konfrontiert. Diesen Monat trifft es Cheyenne Mackay Loosli, RaBe-Moderatorin, Kulturschaffende und Sängerin von Copy & Paste.
«Switzerland, zero points»: «Das können wir auch», haben sich Cheyenne und Mischu Loosli gedacht, und mit ihrem Projekt Copy & Paste kurzerhand einen neuen Song für den Eurovision Song Contest (ESC) geschrieben. In der Vorabstimmung zur Entscheidungs-Show von SF DRS hat es für die nötigen Top Sieben aber nicht gereicht. Düsseldorf muss jetzt leider ohne Electro-Pop-Trash aus Bern auskommen.
Kraftwerk – «Autobahn» ab dem Album «Autobahn» (Philips, 1974)
Meine Mutter hat mich vor bald sechs Jahren ans Kraftwerk-Konzert in der Reithalle mitgenommen, weil sie fand, dass ich diesen wichtigen Act der Musikgeschichte unbedingt einmal gesehen haben muss. Und es war grossartig. Fantastische Show und der Sound gefällt mir sowieso. Darüber hinaus hat Kraftwerk natürlich Pionierarbeit auf dem Gebiet der elektronischen Musik geleistet. Ich bin allerdings ein wenig zu jung; 1974 war ich noch nicht auf der Welt.
Depeche Mode – «People Are People» ab dem Album «Some Great Reward» (Mute Records, 1984)
Zu Depeche Mode habe ich überhaupt keine Beziehung. Ich habe mich nie wirklich dafür interessiert. Wahrscheinlich war ich auch für Depeche Mode noch zu jung.
Die BZ hat den Stil von Copy & Paste als «Retro Post-80ies Poptrash Future Sound» umschrieben. Die 80er also als klare Referenz. Wenn Depeche Mode kein Bezugspunkt für Dich ist, was dann?
Alles, was furchtbar kitschig ist. Madonna zum Beispiel! Ich war ja damals ein Kind, und dieser ganze Hitparaden-Kitsch hat mich definitiv beeinflusst. Heute organisieren wir regelmäs-sig Bad-Taste-Partys, wo alles möglichst kitschig und trashig sein muss. Es ist aber grundsätzlich schwierig, was unseren Sound betrifft, sich auf bewusste Einflüsse festzulegen. Bei uns ist alles relativ spontan und intuitiv.
«People Are People» ist der erste Song von Depeche Mode, für welchen Teile der Musik vorprogrammiert wurden. Sind Eure Beats selber gemacht, oder ist alles Copy & Paste?
Das ist die häufigste Frage, die uns nach Konzerten gestellt wird. Wir benutzen nur eigenes Material und keine Samples aus fremden Quellen. Der Name Copy & Paste ist im Bezug auf unsere Kompositionsweise am Computer zu verstehen, wo die Songs Stück für Stück zusammengesetzt werden.
Daft Punk – «Around the World» ab dem Album «Homework» (Virgin, 1997)
«Around the World» von Daft Punk! Die haben mir unter anderen die Türe zur elektronischen Musik geöffnet. Ich habe mich da sehr lange dagegen gesträubt – ich kam aus der Punk-Ecke.
Daft Punk gefällt mir deswegen so gut, weil sie genug poppig sind, und dennoch Stil haben. Wobei es von Daft Punk sicherlich wertvollere Stücke gibt. Trotzdem: Durch solche Hits fand ich den Zugang zu Anderem, was ich bis dahin nicht wahrgenommen hatte.
Immer wenn es um Copy & Paste geht, schlüpfst Du jeweils in eine Art Alter Ego und zeigst dich nur mit Sonnenbrille und sprichst mit einem französischen Hochdeutsch-Akzent. Auch Daft Punk treten nur mit Maske auf.
Das wurde uns erst später bewusst, dass wir hier eine Art «Tradition» innerhalb der Electro-Szene aufgegriffen haben. Bei uns ist das aus einem Spass an einer von diesen Bad-Taste-Partys entsprungen.
Peaches – «Talk to Me» ab dem Album «I Feel Cream» (XL Records, 2009)
Gossip.
Nein, Peaches.
Oh, wie peinlich! Peaches habe ich schon zwei Mal live gesehen und das war einfach nur genial. Sie verkörpert für mich die perfekte Mischung aus Popmusik und rebellischer Punk-Attitüde. Kurz, Peaches ist etwas vom Besten, was die aktuelle Musik zu bieten hat.
Lena – «Satellite» ab dem Album «My Cassette Player» (Universal Music Germany, 2010)
Eurovision Song Contest und ein grossartiger Popsong! Eingängiger Refrain, grooviger Riddim. Hitparaden-tauglich und Lolita-Image. Super! Du siehst, ich habe immer noch einen Hang zu all diesen Kitsch-Songs.
Ist der ESC heute überhaupt noch zeitgemäss? Ist er nicht längst zum Politikum verkommen?
Alle kommen immer mit diesem Politikum. Natürlich spielen Länderallianzen eine Rolle. Es hat wahrscheinlich auch mit Menschenströmen innerhalb Europas zu tun. So stimmen die Leute für ihr Heimatland ab, und SchweizerInnen gibt es nun mal nicht allzu viele. Ich bin aber überzeugt, dass wirklich gute Songs auch Punkte kriegen. Das hat uns «Satellite» gezeigt. Der Song hat aus den verschiedensten Ländern Stimmen erhalten. Und dann braucht es zu einem guten Song ein gutes Marketing, das ist klar.
Copy & Paste – «Unique» online veröffentlicht (2010)
Mit «Unique» haben wir uns, leider vergeblich, um die Teilnahme am nächsten ESC beworben. Der Song durfte nicht vor dem 1. September 2010 veröffentlicht worden sein, so die Vorgabe. Wir haben «Unique» also neu komponiert. Das Stück bot uns die Möglichkeit, einmal an die Grenze des Kitschigen zu gehen, ohne uns dabei aber komplett zu verleugnen.
Schon wieder Kitsch.
Ja, ESC geht nicht ohne Kitsch! Vielleicht konnte ich mich bei diesem Experiment einmal richtig austoben, und wir können auf unserem nächsten Album dann wieder darauf verzichten…
Zurück zum ESC: Mischu und ich mochten Eurovision schon immer. Nach der letztjährigen Schlappe haben wir uns gedacht, so gut sind wir auch. Später haben wir gesehen, dass man tatsächlich Videos einsenden kann, und die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Angefangen hat aber wieder einmal alles mit einem Scherz.
In eurem Song «Copy & Paste» singst du «we don’t wanna be in the industry». Passt das alles zusammen?
Ja, durchaus. Wir machen alles selber und haben nichts mit der Industrie zu tun. Das hätte sich bei einem Weiterkommen auch nicht geändert. Uns geht es primär um den Spass.
Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2010