Von Lukas Vogelsang - Eigenartiger Film. Juliette Binoche erhielt für den Film «Copie Conforme» vom Regisseur Abbas Kiarostami in Cannes den Preis der besten Schauspielerin. Das irritiert, denn der Film stellt die ZuschauerInnen vor ein Rätsel, und irgendwie nervt die hysterische Rolle von Binoche. Auch die Kritikerstimmen sind fast kontrovers zu dem, was man zu sehen kriegt.
Alles dreht sich um eine Frau, die in Italien, in der Toskana, als Galeristin mit ihrem Sohn lebt, allem Anschein nach als alleinerziehende Mutter. Eines Tages besucht ein englischer Schriftsteller (William Shimell) das Dorf und stellt sein neustes Buch vor. Eine Abhandlung über die Originalität von Fälschungen. Binoche lädt Shimell wenig später auf ein Treffen ein, und eine kleine zwischenmenschliche Odyssee beginnt.
Im Film dominieren intellektuelle Dialoge, hauptsächlich aneinander vorbei. Binoche unterliegt fortwährend ihren emotionalen Wallungen – warum auch immer – und Shimell überzeugt im Klischieren männlicher Hormone. Er ist stur, verantwortungslos, freiheitsliebend, will nur Spass im Leben und ist überzeugt, dass seine Meinung die einzig richtige ist. Sie ist fürsorglich, aber als Mutter überfordert, möchte Zärtlichkeit, ist romantisch, interessiert sich für Kunst, ist weich, wechselt alle 3 Sekunden Thema und Realität und spielt irgendwie Naiv. Mit solchen Klischees ist der Film in den ersten zehn Minuten entlarvt – vor allem wird das Bild, welches der Iraner Abbas Kiarostami vom Menschen vermittelt, fragwürdig – trotz dem Umstand, dass er als einer der bedeutendsten und bekanntesten iranischen Filmemacher gilt. Sein Werk ist in der Tat beachtlich – aber bei diesem Film lief etwas aus dem Ruder.
Das kann daran liegen, dass die Erwartungen an den Film an eine Geschichte geknüpft werden, die als solche nicht wirklich im Zentrum steht. Die Geschichte übrigens wäre gut, und gibt sehr viel spannendes Material her, animiert zum Denken und hat ihren eigenen Reitz. Abbas Kiarostami hat sich aber mehr auf die einzelnen emotionalen Sequenzen konzentriert, versucht, die SchauspielerInnen in eine Natürlichkeit zu bringen, die wir sonst nicht sehen. Und das gelingt ihm teilweise auch sehr gut – wenn auch auf Kosten des gesamten Films. Es gibt Momente, wo Juliette Binoche nicht mehr schauspielert – oder wir zumindest das Gefühl haben, es sei so. Die einzelnen Szenen, so betrachtet, wirken dann wie Theaterszenen – oftmals emotional überdreht, aber mit witzigen Wendungen. Im Film bricht dies aber den Fluss, wirkt konstruiert, und zerfällt am Schluss zum Nichts. Ein Film, der als Filmstudie durchaus Berechtigung hat, und auch in weiten Teilen gute Ideen und Gedanken mitgibt. Aber nach dem Film bleibt wenig von den guten Erlebnissen hängen, ausser die Frage nach der Originalität von Fälschungen – vor allem in Bezug auf die Figuren. Und das ist ja, was der Film will.
Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2010