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Dalíah

Von Hannes Liechti — In der Serie «Musik für …» wer­den jew­eils Per­sön­lichkeit­en aus dem Bern­er Kul­turleben mit ein­er aus­gewählten Playlist kon­fron­tiert. Diesen Monat trifft es Tobias Bowald und Renée Lean­za von der Bern­er Band Dalíah.

Dalíah ist die ver­mut­lich kreativste Band Berns. Um ihr Debü­tal­bum zu bewer­ben, ver­schön­erten sie die Stadt mit far­big gesprayten Fahrrädern, und für das eben veröf­fentlichte «Dalíah» wur­den Schacht­deck­el in Schallplat­ten­grosse CDs ver­wan­delt: Gueril­la-Mar­ket­ing und Stree­tart zugle­ich. Wir begleit­en Sän­gerin Renée und Bassist Tobias auf ein­er mehrsprachi­gen musikalis­chen Reise.

Joe Dassin
«Les Champs-Elysées»
ab dem Album «Les Champs-Élysées» (Colum­bia, 1969)

Renée: Eines mein­er Lieblingslieder! Ich singe es sich­er ein­mal pro Tag. Aber diese Ver­sion kenne ich nicht: Ein süss­es und feines Arrange­ment und eine sehr präsente Stimme…

Tobias: Defin­i­tiv ein geil­er Schlager. Und ja, du hast recht, die Auf­nahme ist wirk­lich toll: Auch die Back­ingvo­cals sind süss!

R: Ich singe viele franzö­sis­che Volk­slieder rauf und runter. Und bei Dalíah singe ich ja über­haupt vieles auf Franzö­sisch. Ich mag den Klang der Sprache.

T: Wir haben in Frankre­ich sog­ar richtige Hard­core-Fans! Der Eine plant seine Ferien nach unserem Tour­plan.

R: Wie «Champs-Élysées» für mich, ist für ihn unser «Lev­ant» ein Lied, das er sich immer anhört: Wenn er trau­rig sei, gehe es ihm danach wieder bess­er. Das ist natür­lich sehr schön, solche Fans zu haben.

João Gilber­to, Astrud Gilber­to & Stan Getz
«The Girl From Ipane­ma»
ab der LP «Getz/Gilberto» (Verve, 1963)

T: Hier liegt bei mir genau die Gren­ze. Ein biss­chen mehr Kitsch und ich kön­nte es nicht mehr ertra­gen!

R: Ich finde Bossa wun­der­schön. Aber es ist so leicht, so unbeschw­ert… fast ein biss­chen Lift­musik. Doch auch das hat seine Qual­ität!

T: Es ist eine sehr leicht­füs­sige Musik und Kom­pon­is­ten wie João Bosco oder Antônio Car­los Jobim, der auch dieses Stück kom­ponierte, schrieben geniale Songs.

R: «Girl From Ipane­ma» muss an der Jaz­zschule jed­er ein­mal gespielt haben. Da hat man irgend­wann mal eine Über­do­sis davon.

T: Wahrschein­lich muss man den sog­ar schon vorher auswendig kön­nen! (lacht) In unseren Anfän­gen hat­ten wir übri­gens viele Bossa-Stücke. Auf der let­zten CD waren aber nur noch zwei dabei. Für uns «Bossa-Touris­ten» wird der Rhyth­mus mit der Zeit doch etwas zu starr und ver­lei­det einem.

R: Bossa muss aus Überzeu­gung gelebt wer­den. Und das sollte man auch auf Por­tugiesisch bzw. Brasil­ian­isch tun.

Stiller Has
«Aare»
ab dem Album «Mou­di» (Sound Ser­vice, 1996)

T: Heute musste ich schon den ganzen Tag an dieses Lied denken, weil ich unbe­d­ingt an die Aare wollte. (lacht) Toller Song, genialer Typ. Seine Texte sind sowieso grossar­tig: Er ist min­destens eben­so Lyrik­er wie Musik­er.

R: Ein Urgestein. Dieses «Fadenger­ade» fasziniert mich. Ihm ist alles ziem­lich egal; Er sagt, was er will. Und wer das nicht haben mag, der soll nicht hin­hören. Das macht ihn sym­pa­thisch.

T: Obwohl man ihn ja immer wieder auf dem let­zten Zahn antrifft, z.B. im Dead-End. (lacht)

Was bedeutet euch die Aare, und wie seid ihr am lieb­sten unter­wegs? Schwim­mend, Joggend, zu Fuss, mit Hund, Velo oder Wellen­brett?

R: Zu Fuss, mit den Hun­den und schwim­mend!

T: Unser Pro­belokal ist ja direkt am Aareufer: Wir sind mit der Aare gross gewor­den. Ich bin sog­ar schon in die Band­probe geschwom­men! Schön­er kann ich’s mir eigentlich kaum vorstellen. Und vom Hochwass­er blieben wir bish­er auch ver­schont…

Warum habt ihr euch entschlossen, auf dem neuen Album auf Schweiz­erdeutsch zu sin­gen?

R: Unsere Musik ist ehrlich, unser Auftreten ist ehrlich. Wir wollen uns auf keinen Fall ver­stellen. Irgend­wann habe ich mir gedacht: Ich ver­suche mich in allen Sprachen, die ich irgend­wie beherrsche. Nur die Mundart blieb bis­lang aussen vor! Das kann ja nicht wirk­lich stim­men. Als Mut­ter­sprache ist Schweiz­erdeutsch viel ehrlich­er. Man kann sich vor nichts mehr ver­steck­en, es sind ganz klare Aus­sagen gefragt. In ein­er Fremd­sprache kann man diese noch mit Bilder­sprache ver­schleiern. Ausser­dem habe ich viel Mani Mat­ter gehört und gesun­gen, als mein Sohn zur Welt gekom­men ist. Vielle­icht ist die Inspi­ra­tion zur Mundart auch daher gekom­men.

Wir sind Helden
«Gekom­men um zu bleiben»
ab dem Album «Von hier an blind» (EMI Music, 2005)

T: Eine der besten deutschen Pop-Bands der let­zten Jahre. Sie sind wie wir direkt und ehrlich, und ver­suchen sich nicht in irgen­dein Schema zu zwän­gen. Obwohl Judith Holofernes eigentlich gar nicht so gut sin­gen kann, klingt es super. Das Tex­ten scheint sich für sie nicht neben­bei abzus­pie­len, son­dern ein fes­ter Bestandteil der Musik zu sein. Die Texte haben Witz, Tief­gang und Ironie. Die Band ist auch von ihrem Werde­gang her ähn­lich wie Dalíah: Sie haben immer alles selb­st gemacht und sind nicht durch ein Label gross gewor­den. Für die erste Tournee haben sie noch die Plakate sel­ber gedruckt und das Debü­tal­bum haben sie in Eigen­regie her­aus­gegeben.

R: »Wir sind Helden« sind aus sich sel­ber gewach­sen. Das finde ich sehr sym­pa­thisch.

Renée, du singst auf Franzö­sisch, Spanisch, Englisch und Schweiz­erdeutsch. Warum hast du es noch nie auf Hochdeutsch ver­sucht?

R: Die Idee der ver­schiede­nen Sprachen ist es, mit den unter­schiedlichen Klang­bildern zu arbeit­en. Und dafür ist mir Hochdeutsch ein­fach zu nahe an der Mundart. Das sollen doch die Deutschen machen, die kön­nen das viel bess­er als wir. (lacht)

Dalíah
«Dalíah»
ab dem Album «Dalíah» (ä Schritt vorus Pro­duk­tion, 2011)

In diesem auto­bi­ographis­chen Song von eurem neuen Album, das ihr am diesjähri­gen Gurten­fes­ti­val getauft habt, rappst du den Satz «Mir si itz da, drum blib oder ga, mir lö üs hie nid la ver­tribe». Das Holofern­sche Mot­to «Gekom­men um zu bleiben» gilt also auch für euch?

R: Ich würde es weniger «rap­pen» nen­nen, es ist viel mehr ein erzählen. Als ich das Lied fer­tig geschrieben habe, ist mir dann auch plöt­zlich «Gekom­men um zu bleiben» in den Sinn gekom­men. Aber das wurde mir erst bewusst, als «Dalíah» bere­its fer­tig war.

T: In der Tat ein schönes Mot­to! Zuerst hat­te ich das Gefühl, dass dieses Lied nicht allzu gut wird.

R: Weil das Lied keinen Refrain hat, dacht­en wir vielle­icht, dass es nie richtig zu einem Song wer­den könne.

T: Schliesslich war ich vom Endresul­tat total über­rascht. Von den schnelleren Songs des neuen Albums ist das mit­tler­weile mein lieb­ster.

«Dalíah» ist bei Chop Records, Exlib­ris
oder City­disc erhältlich.

Foto: zVg.
ensuite, August 2011

 

Artikel online veröffentlicht: 12. Februar 2019