Von Guy Huracek — Der neue Fantasy Film von Terry Gilliam ist der letzte Film mit Heath Ledger, der während der Dreharbeiten verstarb. Die Story ist überladen, die dubiose Figur von Ledger hat Tiefe wie eine Kloschüssel, und letztlich ist die zwar fantasievoll geschmückte Fantasiewelt von Gilliam ein klappriger Schauwagen.
Apropos klappriger Schauwagen, das Kabinett des Dr. Parnassus ist ein Schauwagen mit einer ebenso klapprigen Bühne, auf der ein Spiegel steht. Wer durch diesen hindurch schreitet, landet in einer Welt, die seinem eigenen Unterbewusstsein entspricht. Faszinierende, farbenfrohe und einfallsreiche Wesen lauern hinter dem Spiegel – wie eine Kinderzeichnung im Vergleich zum Fantasy Film Avatar. Dr. Parnassus (Christopher Plummer) ist der Besitzer dieses Wandertheaters und verbirgt ein dunkles Geheimnis. Vor vielen Jahren schloss der unermüdliche Spieler einen Pakt mit dem Teufel, in Gestalt von Mr. Nick (Tom Waits). Seine Unsterblichkeit und die ewige Jugend bezahlte er mit der Seele seines Kindes. Sobald Parnassus Tochter Valentina (Lily Cole) das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, tanzt sie mit dem Teufel. Nun, da dieser Tag näher rückt und Valentina sich in den charmanten Aussenseiter Tony (Heath Ledger) verliebt hat, versucht Parnassus verzweifelt, seine Tochter vor dem Höllenfeuer zu bewahren. Die Theatertruppe um Dr. Parnassus macht sich deshalb zu einer aufregenden Reise gegen die Zeit auf – in eine surreale Welt voller Wunder.
Der Film Dr. Parnassus ist gespickt mit dem schrägen und englischen Humor von Terry Gilliam. Der Kultregisseur («Fear and Loathing in Las Vegas», «Brothers Grimm») gründete die Gruppe Monty Python mit. Er war unter anderem der Schaffer der skurrilen Trickfilme in der Python-Serie und in den Filmen «Die Ritter der Kokosnuss» und der «Sinn des Lebens». Daher ist er für mich die einzig wahre Liebe – umso schmerzhafter ist daher sein Fremdgehen im neuen Film, der ohne seinen würzig bissigen Humor auskommen muss. Im Übrigen hatte Gilliam bis 2006 die amerikanische und auch die britische Staatsbürgerschaft. Seinen US-Pass gab er jedoch als Protest gegen die Politik des damaligen Präsidenten, George W. Bush, ab. Genau diese kämpferische Haltung vermisse ich in letzter Zeit an Gilliam. In Dr. Parnassus steht die Unterhaltung im Vordergrund, eine Kritik an der Gesellschaft klebt höchstens irgendwo hinter der Leinwand. Sein neuer Film ist jedoch weniger ein Desaster wie «Brothers Grimm» (2005); den er nur drehte, damit der genügend Geld verdient, um dem Film «Tideland» (2005) zu produzieren.
Da Heath Ledger während der Dreharbeiten starb, musste Gilliam das ganze Drehbuch umschreiben. Im Dezember 2007 fanden die ersten Aufnahmen in London, unter anderem an der Tower Bridge, statt. Weitere Teile des Filmes wurden in Vancouver gedreht. Während der Übersiedlung des Teams von London nach Vancouver starb der Hauptdarsteller im Januar 2008 bei einem Zwischenaufenthalt in New York. Jonny Depp, Colin Farrell und Jude Law sprangen ein, um die Filmlücken zu stopfen. Vermutlich erscheint daher der rote Faden des Films wie ein Wollknäuel. Das monatlich erscheinende Filmmagazin Empire (UK) schrieb, dass die schauspielerische Leistung von Ledger weniger aussergewöhnlich sei als die in «The Dark Knight». Das Magazin führte dies auf die wenig aussergewöhnliche Rolle von Ledger als Tony zurück. Die deutsche Kinozeitschrift «Cinema» betrachtete den Tod von Ledger zynischerweise als Glück für den Film. Die Besetzung der Tony-Rolle durch verschiedene Charaktere würde die etwas flache Story des Films aufpeppen.
Die Weltpremiere fand am 22. Mai 2009 auf dem Cannes Film-Festival in Frankreich statt. In der Schweiz wird das Kabinett des Dr. Parnassus am 7. Januar 2010 ins Kino kommen. Wer auf Fantasy und skurrilen Humor steht, sollte den Film nicht verpassen, darf jedoch nicht zu viel erwarten. Wer den Film Avatar gesehen hat, wird von der Machart der Fantasiewelt von Dr. Parnasuss enttäuscht sein. Meiner Meinung nach retten Heath Ledger und Jonny Depp den Film und verleihen dem spröden Geschehen ein wenig Schliff.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2010