Von Flavia Barth — Ein Gespräch mit Jasmin Frei: Die Suche nach Designerinnen für «Haute Coulture» begann im letzten Sommer mit folgendem kleinem Inserat: «Variaton Projekt-orchester sucht ModedesignerInnen für unkonventionelle Modeschau!»
«Ich bin sehr interessiert daran, bei einer unkonventionellen Modeschau mitzumachen. Denn ich mache auch unkonventionelle Mode, die keinem Trend folgt. Das ganze Modebusiness geht mir immer wieder auf die Nerven.…»
So die Antwort von Jasmin Frei, einer jungen Designerin, die in London Modedesign studierte, nach Zürich zurückkehrte, um hier einen Preis an der diesjährigen «Blickfang» mit ihrem Label jasfree zu gewinnen, und nun eine Kollektion für unser Projekt entwirft. Ich traf sie für ein kurzes Gespräch.
Jasmin, zu Beginn eine konventionelle Frage: Was würdest du nie anziehen?
Unbequeme Kleider. Selbstsicherheit ist für mich beim Tragen von Kleidern am wichtigsten. Denn wenn eine Frau in unbequemen High-Heels herumläuft und sich dabei nicht sicher fühlt, dann merkt man das! Für mich gibt es fast keine Regeln – einfach bequem muss es sein.
Hat dich Mode schon immer interessiert?
Ich würde nicht von Mode sprechen! Es sind die Kleider, die mich interessieren. Mode ist immer ein Trend – und Trends interessieren mich nicht. Modeströmungen haben eine unangenehme Wirkung auf die Menschen: Sie werden zu «Mode-Tussis» und verlieren das Denken, entwickeln keinen eigenen Stil, weil der Trend ihnen vorgibt, was sie anziehen sollen. Es interessiert mich aber natürlich sehr, wie es zu solchen Modeströmungen kommt. Darum finde ich Modegeschichte, auch in Bezug zu aktuellen politischen Geschehnissen, sehr spannend.
Für wen entwirfst du Kleider?
Für Menschen, die sich wagen, speziell zu sein und sich nicht scheuen, aufzufallen. Für Menschen, die ein Auge für Kleider haben und nicht blind der Masse folgen. Kurz: für alle, die Mut zum Individualismus haben und eine eigene Meinung zu Kleidern. Genau das ist auch das Thema meiner Kollektion für «Haute Coulture»: Meine Kleider zur Stadt New York befassen sich mit dem Individualismus in der Masse – mit Menschen, die aus der Masse ausbrechen möchten, um aufzufallen.
Was war deine Motivation, bei «Haute Coulture» mitzuwirken?
Dieses Projekt ist etwas ganz anderes, Unkonventionelles. Mode ist vielfach nur Show und es geht vor allem darum, die Kollektionen zu verkaufen. Gewöhnliche Modeschauen finde ich unnatürlich, denn so wie auf dem Laufsteg bewegt sich wirklich niemand auf der Strasse. Das Leben ist nun mal kein Laufsteg. In diesem Projekt hingegen machen wir eine Performance mit einer starken Message dahinter.
Was ist der Reiz, seine Kollektionen von Tänzer und Tänzerinnen und nicht von Models präsentieren zu lassen?
Menschen sind sehr verschieden – nicht aber Models. Sie sind alle gleich gross und gleich dünn. Unsere Tänzerinnen hingegen sind alle ein wenig anders. Ich entwerfe nicht nur Kleider für schlanke Frauen, sondern solche, die jede und jeder tragen kann – egal ob klein, gross, dick oder dünn.
Um wieder zur konventionellen Modewelt zurückzukehren: Es gibt doch einige Konventionen und unausgesprochene Regeln in der Modewelt. Wie gehst du damit um und was ist deine Meinung dazu?
Viele Designerinnen und Designer passen sich zu stark an und sind daher nicht mehr kreativ. Trends können die eigene Kreativität massiv einschränken. Sowieso zählt vielfach nur noch der Name und nicht mehr die Qualität. Man verliert das eigene Denken und kauft nur noch Kleider von bestimmten Labels, egal wie viel man dafür bezahlen muss. Es ist schade, dass das Geld in der Modewelt so dominiert.
Du wusstest von Anfang an, dass du eine Kollektion zu New York entwerfen möchtest. Warum?
New York ist eine urbane, moderne Stadt. Das passt zu meinen Kleidern. An New York fasziniert mich vor allem die Architektur. Zum Beispiel der Industriebau aus Stahl und Beton ist sehr beeindruckend und spannend. Materialien wie Stein und Holz inspirieren mich ebenfalls. Man könnte sagen, dass die Architektur eine meiner grössten Inspirationsquellen ist. Wenn das mit der Mode nicht geklappt hätte, wäre ich wahrscheinlich Architektin geworden.
Du entwirfst die Kollektion für New York; Christian Fey komponiert das dazugehörige Intermezzo – was können wir erwarten?
Das grosse Thema für mich ist die Transformation und der Ausbruch, der zu dieser Umwandlung führt. Viele Menschen gehen in der Masse unter – sie sind schwarz angezogen und versuchen, möglichst nicht aufzufallen. In meiner Kollektion für «Haute Coulture» spiele ich mit Streifen. Die Streifen, aber auch verschiedene Accessoires sollen symbolisch für mehr Auffälligkeit stehen. Die Kleider haben dabei vielfach eine einfarbige Aus- senseite und eine gestreifte, auffälligere Innenseite, die man aber nach aussen drehen kann. Die Musik, die Christian Fey komponiert hat, ist zu Beginn sehr monoton – sozusagen einfarbig – und wird dann aber immer vielschichtiger; sie drängt sich zuweilen sogar ein wenig auf. Das Ganze bekommt immer mehr Charakter und Stil und gelangt so zum Ausbruch. Die gestreiften Innenseiten werden nach aussen gekehrt, überraschende Accessoires tauchen auf – und das Spiel beginnt…
Foto: Ryan Jerome
ensuite, April 2010