Von Thomas Kohler - Message tippen. @-Adresse eingeben. Enter drücken – und ab die Post. So flink geht das mit schriftlichen Mitteilungen in der virtuellen Welt. Aber Stil hat es nicht. Wer persönlichere Botschaften versenden will, sollte zur Feder greifen – und auf elegante Verschönerung des Briefes Wert legen.
Wer Festtagsgrüsse und Neujahrswünsche per E‑Mail verschickt, kann sich mit Kosten- und Zeitersparnis gerade noch so heraus reden. Aber Schreibtischtäter, die Liebesbriefe elektronisch in den Orbit schicken, haben keinerlei Schliff. Diesen Mangel sollten die Angeschriebenen niemals mit einer Antwort auf solch schnöde Botschaften adeln.
Schande auch über alle, die einer Freundin oder einem Freund per SMS zur bestandenen Prüfung gratulieren. Nieder mit den Schreib-Plebejern, die statt Bleistift, Füllfeder oder Kugelschreiber nur die Tastatur als tauglich erachten, um ihre Gedanken zu formulieren. Den Briefträger mit Briefen in gleich dreifach versiegelten Kuverts zu verblüffen, mag übertrieben sein. Aber eine persönliche Note sollten die Verfasserin oder der Verfasser wichtigen Briefen schon mit auf den Weg geben. Diese Note ist weitaus einfacher zu bewerkstelligen, als unbedarfte SMSlerinnen und E‑Mail-Katapultierer ahnen mögen.
Früher, als Briefpapier noch vorzugsweise von Hand geschöpft zu sein hatte, legten Menschen mit Stil Wert auf eingegossene Wasserzeichen. Solche Papiere gibt es auch heute noch zu kaufen. Aber zunehmend versiegen die entsprechenden Quellen. Eine Adresse für die seltene Ware ist das Papiermuseum in Basel. Das Museum, in dem Papier nicht ausgestellt, sondern unter kundiger Anleitung von Fachleuten von Besuchergruppen selbst hergestellt wird, verkauft in seinem Shop eine grosse Auswahl an Papieren, die mit diversen Wasserzeichen geschmückt sind.
Aber es geht noch einfacher. Wer seine Briefe mit einem unverkennbaren Zeichen versehen möchte, wird im Geschäft der Firma Schlüssel Bern in der Neuengasse 5 fündig. Das Geschäft ist eine der in der Schweiz sehr raren Anlaufstellen für Prägestempel, auch Prägezangen genannt. Es handelt sich dabei um ein nachgerade geniales Gerät. Prägestempel unterscheiden sich zwar je nach Ausführung technisch ein wenig von einander. Aber das Prinzip ist allen gemein: In zwei runde Metallplatten werden die Initialen der Kundin oder des Kunden eingearbeitet. Zwischen diese Platten lassen sich Papiere aller Art einfügen. Wenn der Stempel niedergedrückt wird, entsteht ein ins Papier geprägtes Monogramm, das unauffällig genug ist, um elegant zu sein, das aber dennoch für das Auge der Empfängerin oder des Empfängers des Schreibens unübersehbar bleibt.
Dass die Firma in der Neuengasse die Prägestempel noch immer anbietet mag erstaunen. Ahmet Mersin, Inhaber des Unternehmens, bestätigt denn auch: «Geld verdienen kann man damit nicht.» Mersin, ursprünglich gelernter Buchdrucker und Kunstdrucker, stellte früher Stahlstichdrucke her. Deshalb hängt er an den alten Stempeln. Er ist nicht der Einzige: «Es gibt immer noch Leute, die diese Geräte schätzen.»
Abwegig ist das nicht. Mit einem Prägestempel lassen sich Briefe auf sehr edle Weise verschönern. Er taugt aber auch, um dünnere Kartons zu bearbeiten. So lassen sich damit etwa Visitenkarten sehr eindrücklich verzieren. Auf der ersten Seite eines Buches weisen die eingeprägten Initialen ebenso imposant auf die Besitzerin oder den Besitzer hin. Hinzu kommt, dass die Prägestempel nicht nur von hohem Nutzwert sind. Sie sind auch beeindruckend schöne Werkzeuge. Es gibt sie in Handversionen, die einer Zange ähneln, oder als Tischvarianten, die entfernt an das Mobiliar eines Kontors aus dem 18. Jahrhundert erinnern. Die Prägestempel in Tischausführung verstärken diesen Eindruck noch, wenn sie in Goldlackierung und mit glänzendem Holzknauf geordert werden. Zu bedienen sind die Tischgeräte ähnlich wie ein Bostitch.
Grosse Mengen der Stempel setzt Ahmet Mersin freilich nicht ab. «Pro Monat verkaufen wir eines, höchstens zwei solche Geräte», sagt er. Preislich liegen die Prägestempel zwischen 100 bis 200 Franken.
Prägestempel sind auch in der modernen Zeit nicht wirklich neu. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bot der Fotopapier-Hersteller Ilford solche Geräte an. Auf deren Platten standen zwar keine Initialen. Dafür konnten die Kundinnen und Kunden Ihre Namen und das Wort «copyright» einarbeiten lassen. Wer seine Fotos beim Vergrössern mit einem breiten, unbelichteten Rand versah, konnte darauf mit dem Stempel seine Rechte am Bild unmissverständlich als Prägung anbringen. Das Foto an sich blieb unversehrt, der Hinweis dezent. Aber Leute wie Bildredaktoren oder Werber wussten ohne zeitraubende Nachforschungen stets, an wen die entsprechenden Bildhonorare zu entrichten waren. Zu Beginn der 80er Jahre verschwanden die Prägestempel aber leider wieder aus dem Angebot des Filmherstellers.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2013