Von Simone Weber — Ist die untrübbare menschliche Begeisterung für Lederjacken eine genetische Gegebenheit? Ein Relikt aus Zeiten, in denen zum Schutz vor Kälte und Nässe nur abgezogene Tierhäute und ‑Felle dienen konnten? Bis in die Steinzeit lässt sich die Evolution der Lederjacke leider nicht zurückverfolgen. Dank der Familie Feuerstein wissen wir aber, dass sich in modischer Hinsicht seit dazumal so einiges getan hat.
In nördlichen Gefilden waren dicke Lederjacken mit pelzigem Innenfutter die beste Möglichkeit, sich gegen arktische Temperaturen zu schützen. Heute hat die Lederjacke besseres zu tun. Um sich vor eisiger Kälte zu schützen, gibt es längst taugliche Alternativen. Die Lederjacke, wie wir sie heute lieben, hat eine bedeutend kürzere Geschichte. Sie wurde nicht etwa an der Route 66 erfunden, sondern stammt aus der frühen Luftfahrt. Da es in den offenen Doppeldeckern bisweilen nicht zum Aushalten kalt wurde, benötigten die Piloten einen guten Schutz gegen Wind und Kälte. Die dafür angefertigten ledernen Fliegerjacken der Air Force aus den 1920er Jahren, mit ihrem breiten Strickbund, den aufgesetzten Taschen und der weiten Blousonform, sind bis heute unsterblich, und erlebten schon so manches Revival in der Modeszene. Nicht minder populär ist die legendäre Biker-Jacke. Ein «Must-Have» für jeden Rocker, Harley-Fan und Töfflibueb. Ihr festes, strapazierfähiges Leder ist der Gegenpol zum eleganten Lederjacket aus feinem Nappa oder Veloursleder, und bietet einen optimalen Schutz.
Bereits in den 1950er Jahren war die Lederjacke in unterschiedlichen Varianten total angesagt. Berühmtheiten wie James Dean trugen wesentlich zur Verbreitung ihrer Popularität bei. Dean trug die Jacke meist schlicht mit Jeans und weissem Shirt, und sah damit unglaublich cool und sexy aus. Damals schon war die Lederjacke mehr als nur ein Kleidungstück, nämlich, wie so mancher Modeklassiker, Ausdruck der politischen oder gesellschaftlichen Einstellung. Sie war Teil einer Jugendkultur, die sich klar von der Erwachsenenwelt abgrenzen wollte, und wurde so zum Sinnbild für Freiheit, Individualität und Rebellion.
Die Form der Jacke änderte sich mit dem Wandel des männlichen Selbstbilds in den 60er Jahren. Galten Typen wie Dean noch als wild, hart und männlich, brachte das kommende Jahrzehnt mit seiner «Love and Peace»-Einstellung ein äusserlich feminines Männerbild hervor. Typisch für die Männer der 60er Jahre waren demnach die wilden langen Haare. Der Bikerjacke mit ihrer robusten, harten Oberfläche entsprachen nun empfindliche, feine Jacken aus Wildleder, die sorgsam und gut gepflegt werden mussten. Etwas später dann, als Punks durch die Strassen zogen, geschah ähnliches mit dem jugendlichen Frauenbild, in die entgegengesetzte Richtung. Die Frauen wurden härter, und vor allem auf der Musikbühne trugen sie nun vermehrt Lederjacken – schwarze, natürlich. Ein Trend, der sich rasch ausbreitete, und eine richtige Lederjackenwelle in der jungen Frauenwelt auslöste. In den 80ern, als erstmals wieder die 50er «in» waren, blieb die Lederjacke natürlich ein beliebtes Accessoire. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Lederjacke ist einer der grössten Klassiker der Modewelt, und steht in erster Linie für sich selbst.
Diese Jacke, vor allem auch ihrer robusten, widerstandsfähigen Art wegen beliebt, sieht alt und abgetragen genau so gut aus wie neu, und ist ein ganzes Leben lang haltbar. Zudem lässt sie sich dank unterschiedlichem Schnitt, Farbe und Lederart zu fast allem wunderbar kombinieren. So vielseitig einsetzbar ist kaum eine andere Jacke. Trotz ihrer Vielfältigkeit lässt sie den Träger immer authentisch wirken.
Sie unterstreicht Eleganz ebenso wie Lässigkeit. Die Präsenz des 50er-Stars ist so dominant, dass sie kaum weitere Accessoires zulässt, geschweige denn mit irgendwelchen Nieten oder gar Fransen verziert werden möchte. Auch die Art und Qualität des Leders ist nicht unwichtig, und sollte auf die restliche Kleidung gut abgestimmt sein: derb und dick für die Arbeit, fein und schlicht für den Ausgang. Getragen werden muss sie aber immer klassisch rebellisch, keinesfalls brav.
Einziger Nachteil dieses fabelhaften Kleidungsstücks ist sein Preis. Ein paar Blaue muss man dafür schon auf den Tisch legen. Aber wer einmal in eine Lederjacke investiert hat, hat einen Begleiter fürs Leben, der jeden Trend überlebt, und für jeden Spass zu haben ist. Voraussetzung sind das richtige Modell – sei es Blazer, Biker- oder Fliegerjacke – und die klassischen Farben schwarz und braun. Kurz: Wer auf lange Sicht etwas von seiner Investition haben möchte, sollte möglichst auf klassische Formen und Farben setzen. Dann ist die Lederjacke eine Freundin fürs Leben
Foto: zVg.
ensuite, März 2011