Von Luca D‘Alessandro — Mit dem künstlerischen Erbe des eigenen Vaters umzugehen ist nicht leicht. Insbesondere dann nicht, wenn der Vater zu Lebzeiten das Ansehen eines Salsa-Pioniers genoss. Das scheint auch Elito Revé zu wissen, der mit seiner Bigband Charangón die Arbeit von Elio Revé Senior in Ehren halten muss. Gelingt ihm das? ensuite-kulturmagazin wollte es wissen und besuchte am 6. Juli Elitos Konzert in Bern-Bümpliz.
Der Salsasänger Rubén Blades sagte kürzlich in einem Interview: «Es gibt Epochen, die musikalisch einzigartig waren und unwiederholbare Merkmale hervorbrachten. Doch deswegen sollten wir alle nachfolgenden Generationen nicht zur Geisel machen und sie dazu verdammen, dasselbe zu wiederholen, nur weil es damals funktionierte. Ich glaube, dass alles seine Zeit hat und vielleicht seine Popularität. Doch nichts – oder nur sehr wenig – bleibt für immer.»
Diese Aussage scheint sich am Beispiel des kubanischen Bandleaders und Salsasängers Elito Revé zu bestätigen. Elitos Vater Elio galt zu Lebzeiten als Botschafter des Changüi, eines Vorläufers des Son. Mit seiner Bigband erlangte er ab Mitte der 1950er Jahre grosse Bekanntheit, und konnte in den Sechzigern und Siebzigern sein Renommee im Jazz behaupten. Er gehörte einer Generation an, die mit der Salsa-Industrie unserer Tage nicht viel zu tun hat. Seine Arbeit war handgemacht, auf Tradition ausgerichtet und entsprechend authentisch.
Elito gehört indes einer jungen Generation an, die sich genötigt sieht, das eigene Schaffen auf die Befriedigung eines tanzbegeisterten Publikums auszurichten. Letzteres sieht im Salsa die Ungezwungenheit, sich zu treffen um zu tanzen, und Figuren aus den Tanzkursen zu üben. Rhythmisch weder anspruchsvoll noch kompliziert, macht Elitos Charangón zweckmässige Salsamusik, die diesem Bedürfnis Rechnung trägt. Es ist dies Musik von guter Qualität, klar; doch von der ursprünglichen, traditionellen Orientierung des Gründers hat sie sich entfernt. Zumindest hat sich dieser Eindruck am Konzert vom vergangenen 6. Juli in Bern-Bümpliz erhärtet.
Will sich der Bandleader mit seiner Rolle irgendwo zwischen Altlast und modernem Publikumsbedürfnis abfinden? Wer Elito schon einmal live erlebt hat, wird diese Frage vermutlich mit Zurückhaltung bejahen. An seinem Konzert in Bern wirkte er auf der Bühne passiv, abgekämpft und müde. Er überliess das Frontfeld seinen Sängern, ging gelegentlich nach hinten an eines der beiden e‑Pianos, wo er – kaum vernehmbar – etwas klimperte. Es schien wie der Versuch, sich selbst ins Spiel zu bringen, doch die Szene wurde von den jungen Sängern beherrscht. Der Frontman war zum Sideman zurückgestuft – zum Namensgeber der Band.
Elito Revés Konzert war musikalisch professionell. Der Spassfaktor war gross. Für den Zweck der Veranstaltung, nämlich die Leute in Stimmung zu versetzen und sie zum Tanzen zu bewegen, hielt der Auftritt, was er versprach. Elitos Erfahrung in den Arrangements kam hier deutlich zur Geltung. Doch wer wie im Fall von Elito mit dem Namen, oder besser gesagt mit der Marke eines ehemaligen Grossmeisters unterwegs ist, sieht sich automatisch sehr hohen Erwartungen ausgesetzt, die schwer zu erfüllen sind.
Vielleicht täte Elito Revé gut daran, sein Bigband-Konzept zu überdenken und mit schlanker Formation auf Tournee zu gehen. Genauso wie es von Rubén Blades postuliert wird, nämlich nicht jene Dinge wiederholen zu wollen, welche von den Vorgängern vorgegeben wurden, sondern neue Konzepte zu entwickeln, die dann aber auch wirklich neu daher kommen müssten. Ganz im Stil von: Elio Revé und seine Bigband waren einmal, heute spielt Elito – ein zeitgenössischer Salsero mit schlankem Ensemble, eigenen Ideen, eigener Ausrichtung, eigenem Charme, eigener Identität. Und dann noch eine Prise Motivation dazu, und das Ensemble kann wieder so punkten, wie es ihm zustehen würde. Es bleibt zu hoffen, Elito findet den Rank.
Foto: L. D‘Allessandro
ensuite, August 2012