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Der Bluesman im Latin Fieber

Inter­view von Sal­va­tore Pin­to mit Zuc­chero Sug­ar Froana­cia­ris — Zuc­chero Sug­ar For­na­cia­ris Musik ist von Gospel, Blues und Rock­musik inspiri­ert. Umso mehr erstaunt es, dass der 57-jährige nun eine Plat­te im Afro Latin Charak­ter her­aus­gibt. Im Mai kommt er nach Zürich und Genf, wo er «La Sesión Cubana» ein­er bre­it­en Masse vorstellt. ensuite-kul­tur­magazin hat ihn Mitte Feb­ru­ar in Zürich aufge­spürt und ein wenig Smalltalk betrieben.

Zuc­chero, kür­zlich ist «La Sesión Cubana» erschienen, eine Plat­te im Afro Latin Stil. Wieso das?

Vor etwa 22 Jahren gab ich im Kreml ein Konz­ert. Damals fegte ein Wind der Verän­derung durch Europa, und ich war der erste, der an diesem Ort Musik machte. Zuvor hat­te es da lediglich poli­tis­che Ver­anstal­tun­gen gegeben. Nach diesem Konz­ert schwor ich mir: «Das näch­ste Konz­ert machst du in Kuba.» Lei­der wollte es nicht dazu kom­men, weil ich mich dauernd auf Tour befinde. Trotz­dem nahm ich mir gele­gentlich Zeit, die Insel zu besuchen. Ich lernte viele Leute und vor allem Musik­er ken­nen, wobei mein Konz­er­twun­sch stets stärk­er wurde. Let­ztes Jahr nahm ich mich endlich am Riemen und machte Nägel mit Köpfen. «Jet­zt oder nie!» sagte ich zu mir, «wer weiss schon, wie sich Kuba nach Fidel Cas­tro verän­dern wird.»

Nach welchen Kri­te­rien hast du die Musik­er aus­gewählt? Ich denke da an Pucho Lopez am Klavier oder Michael Fer­nan­dez am Bass …

Ich durfte sie bei­de anlässlich mein­er Kubareisen ken­nen­ler­nen. In ihrer Heimat sind sie leg­endär, hier in Europa hinge­gen nur weni­gen Leuten bekan­nt. Wir haben ganze sechs Monate gebraucht, das Konz­ert auf Kuba vorzu­bere­it­en. Zehn Mate­ri­al­con­tain­er haben wir dahin ver­frachtet.

Wozu denn?

In Kuba gibt es das meiste Mate­r­i­al gar nicht, das es für gross­di­men­sion­ierte Konz­erte braucht. Wir spiel­ten vor siebzig­tausend Zuschauern, eine gewaltige Zahl für das Land. Übri­gens: Das Konz­ert haben wir filmisch fest­ge­hal­ten. Die DVD zum Konz­ert erscheint dem­nächst.

Wie war es für dich als Europäer, mit Kubanern die Bühne zu teilen? Und das erst noch in Kuba?

Es war eine grossar­tige Erfahrung. Sie haben ein bemerkenswertes Musikver­ständ­nis und ein glühen­des Gefühl für Rhyth­mik. Ich schlug ihnen mehrere Lieder vor und fragte, wie sie diese inter­pretieren wür­den. Danach jammten wir, übten die Stücke so oft, bis wir sie verin­ner­licht hat­ten. Das Vorge­hen ähnelte den Plat­te­nauf­nah­men von früher, als man zusam­menkam und so lange übte, bis am Schluss der Sound auf­nah­me­bere­it war. Im Unter­schied zu früher berück­sichtigt die Sesión Cubana auch mod­erne Ein­flüsse.

Guan­tanam­era ist mit drauf. Ein Klas­sik­er …

Das Lied Guan­tanam­era, welch­es ganz am Anfang ste­ht, hätte eigentlich nicht auf die Plat­te kom­men sollen. Es war ein Arbeit­slied für uns, das heisst: Als ich nach Kuba kam, übten wir zuallererst mit einem Lied, das alle ken­nen – um uns gegen­seit­ig ken­nen zu ler­nen. Als ich es dann für mich auf Ital­ienisch über­set­zte, stellte ich aber fest, wie tief­gründig dieses Lied ist, keineswegs banal. Es spricht von Fre­und­schaft, Werten und Ide­alen. Das Lied wurde durch das wieder­holte Spie­len immer frisch­er, so sehr, dass ich es am Ende ein­fach ins Album aufnehmen musste.

Das Lied ist das absolute Gegen­teil zum Blues, den du verkör­perst.

Ich war zwölf, als mich das Blues­fieber erfasste. Ich war begeis­tert von den grossen Vertretern des Gen­res: Mar­vin Gaye, Otis Red­ding und Ray Charles. Ich ver­liebte mich, ich weiss auch nicht warum. Vielle­icht, weil es so anders ist als all das, was ich von mein­er ital­ienis­chen Tra­di­tion her son­st gewohnt war. Ver­mut­lich hat mich die Natur in der Rolle als Blueser vorge­se­hen. Mit den Jahren entwick­elte ich eine Mis­chung aus Grooves aus der Sparte Blues und Tex­ten aus ital­ienis­ch­er und mediter­ran­er Musik­tra­di­tion. Das war das Genre, welch­es ich pfle­gen wollte. Wenn du mir heute sagst, ich sei ein Blues­man, erachte ich das als gross­es Kom­pli­ment. Vie­len Dank! Das Bluesin­stru­ment musst du in dir tra­gen.

Wie haben die Plat­ten­bosse auf deine Musik­vari­ante reagiert?

Sie prophezeit­en unisono, dass dieses Genre in Ital­ien keinen Zus­pruch find­en würde. Deshalb trat ich am Musik­fes­ti­val in San­re­mo zunächst – und das sog­ar zweimal – mit Liedern auf, die nicht von mir stammten. Ich war wed­er Fisch noch Vogel. Die Labels ver­langten von mir, dass ich mich pop-mäs­siger klei­den sollte. Aber meine Stimme ist blue­sig, das lässt sich nun mal nicht wegschminken. Es war denn auch bald klar, dass meine dama­lige Musik – die ja nicht meine war – keinen Absatz find­en würde. Ich musste mein Schick­sal in die eige­nen Hände nehmen und das tun, worin ich stark bin.

Deine Beziehung zum Göt­tlichen oder zum Spir­ituellen im All­ge­meinen ist aus deinen Tex­ten immer wieder deut­lich her­auszuhören.

Obwohl ich ein Athe­ist bin wäre ich über­glück­lich, wenn ich plöt­zlich das Geschenk des Glaubens emp­fan­gen würde und ich mich an etwas hal­ten kön­nte – ver­mut­lich wäre ich nicht mehr so nach­den­klich.

Wie wirst du bei uns in der Schweiz emp­fan­gen?

In Ital­ien ist es ein­fach, dem Pub­likum zu erk­lären, wer man ist und was die Lied­texte besagen. Wenn ich in ein fremdes Land gehe, müsste ich wegen der Sprach­bar­ri­eren auf entsprechende Schwierigkeit­en stossen. Weit gefehlt: Ich werde im Aus­land vom Pub­likum mit viel Liebe und Respekt emp­fan­gen. Die Men­schen im Aus­land und ins­beson­dere in der Schweiz ver­ste­hen meine Botschaften und meine Musik genau­so gut, wie die Leute in mein­er Heimat. Seit dreis­sig Jahren komme ich regelmäs­sig in die Schweiz.

In Ital­ien ste­hen erneut Wahlen bevor. Was hältst du davon?

Es ist ein Chaos. Mit Blick auf meine aktuelle Pro­duk­tion «La Sesión Cubana» würde ich instink­tiv vorschla­gen, in Ital­ien eine Rev­o­lu­tion anzuzetteln. Natür­lich ohne Waf­fen.

Zuc­chero, ich danke dir für dieses angenehme Gespräch.

Ich habe zu danken. Es hat mir Spass gemacht und lasse die Leserin­nen und Leser von ensuite-kul­tur­magazin her­zlich grüssen.

Foto: zVg.
ensuite, März 2013

Artikel online veröffentlicht: 22. Juli 2019