Von Simone Weber — Wunderschön ist es, dieses winterliche Schneegestöber, aber bitterkalt! Da montiert man noch schnell die Wollkappe und die Fellhandschuhe, vielleicht noch die Pulswärmer vom Weihnachtsmarkt und einen warmen, kuscheligen Wintermantel, bevor man das warme Nest verlässt. Unter der Lieblingsjeans wärmen lange Unterhosen oder hübsche Damenstrümpfe die schnell auskühlenden Beine. Was aber steckt man sich an eisig kalten Schneetagen wie diesen an die Füsse? Es gäbe wunderschöne Winterstiefel mit zu hohen Absätzen und viel zu dünnen profillosenSohlen. Leider sind die aber mehr was fürs Auge, als für warme Füsse. Es gibt da schon was, das die Füsse warm hält, auch wenn die Temperaturen in den Minusbereich fallen und die Strassen unter einer eisig kalten Schneeschicht liegen. Die Kälte ist aber auch das einzige, was ihren Auftritt einigermassen rechtfertigen lässt. Die Rede ist von den fettesten Schuhen der Welt, den Moon Boots. Und mit Moon Boots sind nicht etwa einfach dicke warme Winterstiefel gemeint, sondern diese hässlichen Originaldinger der italienischen Firma Tecnica, deren Geburtsstunde in den 70er Jahren war, dem Original Moon Boot quasi. Diese Schuhe sind bestimmt wasserdicht und wunderschön warm, aber in ihrer elefantenbeinigen Erscheinung definitiv alles andere als schmeichelhaft.
Trotzdem haben sie es irgendwie geschafft, sich nach einigen erfolglosen Jahren wieder in der Modewelt zu profilieren und pedikürte Starfüsschen vor Frostbeulen zu schützen. Leider sehen sie auch mit Gucci oder Dior Logo nicht hübscher aus. Wer kam eigentlich auf die Idee, solche Tretmühlen zu erfinden. Eigentlich verrät der Name schon einiges über die Inspiration, die dem Schuh zugrunde liegt. Der Italiener Giancarlo Zanatta befand sich 1969 gerade in den USA, als man die Mondlandung der Apollo 11 mit Neil Armstrong an Bord feierte. Zanetta verspürte anscheinend eine grosse Faszination für die sonderbare Fussbekleidung der Astronauten, deren Erscheinung rein praktische Gründe und mit Sicherheit keine ästhetischen hatte. Darauf entwarf er den bis heute bekannten Moon Boot Stiefel, den die Firma Tecnica aus farbigem Nylon und Polyurethan Schaum herstellte. Dieses neuartige Material war zu jener Zeit ein absoluter Knaller und machte sicherlich einen grossen Teil der damaligen Moon Boots Begeisterung aus. Die Form der Boots aber war nicht weniger aus-sergewöhnlich als deren Material: Der Schuh hat vorne eine Schnürung, eine Fersenkappe und seine an die Astronautenschuhe angelehnte, unverkennbare runde Form, die dazu führt, dass es keinen linken oder rechten Schuh gibt. Kinderfreundlich, könnte man das auch nennen. Ganz typisch für den Schuh ist zudem die Aufschrift «Moon Boot», die in breiten Buchstaben auf dem Schaft steht. Dank den vorgenannten Materialien ist er für seine Grösse und Fülle erstaunlich leicht.
Damals war der Stiefel eigentlich für die Piste gedacht und nicht als Flaniermeilentreter. Weil er sich in den 70ern aber so gut als Statement für eine progressive, gegen-den-Strom-Lebenseinstellung eignete, schaffte er es ohne weiteres in die Welt der Alltagsbekleidung. Frauen, die für ultraprogressiv gehalten werden wollten, trugen den Mondschuh sogar zum Minirock.
Heute gibt es die Moon Boots in über hundert leicht abweichenden Formen, in zig Farben und Designs. Aus Nylon oder Leder, uni oder gemustert, hoch und weniger hoch. Je nach Marke ist die Kopie einiges teurer als das Originalmodell von Tecnica, das bereits für um die hundert Franken erhältlich ist. Über die Schönheit der Moon Boots lässt sich aber gestern wie heute wie morgen diskutieren. Bequem sind sie bestimmt, keine Frage, aber irgendwo gibt’s doch eine Grenze, oder wollen wir künftig bei eisigen Temperaturen in unsern Schlafsäcken zur Arbeit gehen, weil es so schön warm und gemütlich ist? Aber trotz ihrer fragwürdigen Optik sind Moon Boots nicht zum Relikt der Vergangenheit geworden, sondern nach wie vor, oder wieder, Kult. Heute aber stehen sie nicht mehr für ein Querulantendasein, sondern für den Jetset-Barbiepuppenlifestyle à la Paris Hilton und Eskorte. Damit sind sie zu kleinen, teuren Designobjekten geworden, die zu Promiskiorten wie Aspen oder St. Moritz gehören wie politisch unkorrekte Pelzmäntel und die ganze dekadente Opulenz. Wahrscheinlich ist es genau das, was die Prominenz so liebt an diesen Schuhen, sie sind grösser als alle andern, dicker, runder, auffälliger. Und mit dem entsprechenden Markensymbol auch ganz schön wichtig und teuer. Bestimmt gibt es sie auch goldfarben, mit Pelz oder Swarovyks-Kristallen.
Eine Ausnahme gibt es aber, die die Existenz der Elefantenschuhe berechtigt. Auf der Piste ist das Zeug wohl ziemlich praktisch. Zum Schlittenfahren oder durch den meterhohen Schnee stapfen beispielsweise. Aber damit hat sichs. Oder wie fändet ihrs, wenn der Chef morgen mit Skischuhen zur Arbeit käme?
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2011