Von Lukas Vogelsang - Am 6. Oktober 2004 ist Yogi Bhajan in Espanola, New Mexiko, im Alter von 75 Jahren gestorben. Nur wenigen LeserInnen wird dieser Name ein Begriff sein — einfacher ist es, wenn wir den hier bekannten Yogi Tea nennen. Golden Temple Products haben sich in der Schweiz schon seit Jahren in den Regalen von Bioläden und Reformhäusern niedergelassen. Atem-Tee, Männer-Tee, Frauen-Tee,… sind uns zuweilen schon einen Begriff. Und auf diesen Verpackungen hat es immer einen Spruch oder Gesundheitshinweis — von Yogi Bhajan.
Er war der Lehrer, welcher Kundalini Yoga im Westen bekannt gemacht hat. Obwohl jetzt schon unterschieden werden muss, dass das „Kundalini Yoga nach Yogi Bhajan“ gemeint ist — fast ein Pleonasmus aber es gibt verschiedene „Kundalini Yogas“ (und grundsätzlich ca. 60 verschiedene Yogaformen).
Yogi Bhajan wurde am 26. August 1929 in Kot Harkan, damals noch Indien und heute Pakistan, als Sohn eines Arztes geboren. Die Eltern lebten in der Tradition der Sikhs, einer rund 500 jährigen Lebensgemeinschaft. Sein Interesse an natürlichen Heilwesen und medizinischen Fragen wurden ihm fast in die Wiege gelegt. Bereits mit 16 Jahren wurde er von Sant Hazara Singh, seinem Yoga Lehrer, zum Meister des Kundalini Yoga ernannt. Danach folgten Studienjahre in Ashrams in Indien und Himalaya, aber auch ein Wirtschaftsstudium an der Universität des Panjab. Er wurde Zöllner und konnte so seine Familie bis 1968 ernähren. Ich vermute, dass die politischen und auch ziemlich gewalttätigen Ausschreitungen zwischen den Sikhs und den Hindus 1968, welche viele Sikhs zur Flucht bewegten, auch ein Grund sind, dass er nach Kanada auswanderte. Eigentlich wurde er von einem Universitätsprofessor eingeladen, doch der war, als er in Toronto eintraf, nicht mehr an der Uni und niemand wollte etwas wissen. So auf jeden Fall die Erzählung.
Ein zweiter Lebensabschnitt. Er begann Yoga zu unterrichten und hatte schnell die 68‘er Hippiebewegung für sich gewonnen. Seine Reise führte bald nach Amerika und in Los Angeles wurde 1969 auf seine Initiative die 3HO (Healthy, Happy, Holy Organisation) gegründet. Unterdessen sind weltweit Organisationen und über 100‘000 Menschen involviert. Viele Firmen wurden gegründet, die Yoga-spezifische Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Doch damit werden die Geschichten um ihn sehr mystisch und nicht mehr so detailliert wiedergegeben. Vieles widerspricht sich und es ist unklar, was er wirklich, wo gemacht hat. Er habe in Drogenentzugstationen Yoga unterrichtet, solche gar aufgebaut und er habe dies und das. Vieles davon mag stimmen. Vieles davon wird stimmen, doch in der amerikanischen Überbewertung und Vergötterung zu einem mystischen Monster emporgehoben. Spannend auch zu beobachten, dass er selten direkte gesundheitliche Anweisungen in Büchern wiedergibt, ich vermute auch hier die amerikanische Schadensjustiz. Eine Millionenklage braucht eine solche Institution nicht. Aber es stimmt, dass er der oberste Sikh in der westlichen Hemisphäre war, die Organisation einen Sitz in der UNO hat, und dass sein Name durch all die Auszeichnungen zu Siri Singh Sahib Bhai Sahib Harbhajan Singh Khalsa Yogiji mutierte.
Mir gefiel der Zöllner besser. Als ewiger Zweifler und europäischer Denker habe ich mir gar seine Doktorarbeit (Amerika) zukommen lassen. Mein Verdacht bestätigte sich: Mit einer solchen Arbeit könnte man hier in der Schweiz nie den Doktor in Kommunikation erhalten. Aber warum schreibe ich das? Unterdessen als Sekretär der 3HO Schweiz, die Trägerorganisation, die als Verein für die YogalehrerInnen funktioniert, und selber als Yogalehrer seit 7 Jahren tätig, stelle ich mir kritische Fragen. Gelesen habe ich viel von ihm, verstanden sicher nur Bruchteile. Gesehen haben wir uns einmal in Frankreich. Das war vor 4 Jahren auf einer seiner letzten Reisen nach Europa. Meine kritische Haltung hat aber ausgelöst, dass ich mich mit seinen Worten auseinandersetze und damit auch mit ihm als Person.
Sein Tod kam irgendwie überraschend. Man wusste zwar, dass er gesundheitlich Probleme hatte. Die Meldungen gingen monatlich durch das Internet. Aber so rasch? Und da waren noch so viele Fragen… Die bleiben jetzt.
„Glaubt nicht einfach, was ich sage, sondern prüft es!“
Und was noch? Sicherlich sein Humor. Schon nur die Idee, eine Healthy Happy Holy Organisation aufzubauen, zeugt von einem gesunden Lächeln. Ob das, was über ihn erzählt wird, nun stimmt oder nicht: Tatsache, dass er eine Technik praktizierte und vielen Menschen Hoffnung und Glauben, aber auch Wissen und Kraft ermöglichte, ist ein Erbe, das nicht nach Wahrheit fragt. In sich selber stimmt der Erfolg. Und einer seiner Leitsätze war immer: „Glaubt nicht einfach, was ich sage, sondern prüft es!“ Wer sich in der Vergötterung aufgibt, verliert sich im Idealismus und in der Illusion. Kundalini Yoga nach Yogi Bhajan ist ein Weg, oder eine Technik, zu lernen, dass wir nicht menschliche Wesen sind, die geistige Erfüllung zu suchen haben, sondern geistige Wesen, die Menschen werden sollen. Hier im Jetzt, nicht sonst wo. Dieser Satz ist zu einer Grundregel geworden und hat bei mir so vieles beeinflusst.
Yogi Bhajan hatte als Lehrer eine fürchterliche Art zu provozieren. Bei unserer Begegnung, wie auch beim Lesen der Bücher, kam ich oft an Grenzen. Doch das Entgegnen hat immer eine Entwicklung vorausgesetzt das war seine sehr effiziente Art, zu kommunizieren. Auch das hat Spuren hinterlassen und viele Menschen zum Suchen veranlasst.
Gestorben ist er zu einem Zeitpunkt, in dem fast alle politischen, geistigen und religiösen Führer und Denker abhanden kommen oder zerstritten sind. Der mentale Halt in unserer materialistischen Welt ist chaotisch. Von den Kirchen bis zu den Manager von Grosskonzernen ist wenig geistige Sicherheit zu erwarten von Politikern erwarten wir sie schon gar nicht mehr. Ideale, Wertvorstellungen und unsere „heile“ Welt verändern sich. Wo sind sie hin, die alten MystikerInnen und Weisen, Hexen und Zauberer? Wo sind die PhilosophInnen, die uns seit jeher Stoff für unsere Existenz gaben? Wo sind ihre Nachkommen? Wer beantwortet unseren suchenden Kindern ihre Fragen? Ich werde weiter suchen.
Bild: zVg.
ensuite, November 2004