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Der widerspenstige Liedernarr

Von Benedikt Sar­to­rius - Seine Alben, ver­grif­f­ene und ver­schrobene Max­is und Kas­settchen, nen­nen sich “Liäb”, “Schön”, “Fiin”, “Weich”, “Härzig”, “Süess”, neuerd­ings nun “Brav” (Sound­Ser­vice). Dazu zieren Qui­etschentchen, Hünd­chen und Giraf­fen die von Eddie Feld­mann geze­ich­neten Cov­ers. Was also erwartet die Hör­er in Sar­bachs Welt? Weit­eren “side­fi­ine”, kon­servieren­den Mundartrock? “Uh, das schmöckt nach Kitsch?” Nur lustige Clowne­r­ien? Non­sens?

Nein. Peter Sar­bach, der selb­ster­nan­nte Liedernarr, Wuschelkopf, Extrem­sportler und Buchau­tor aus Oberdiess­bach, führt sein Pub­likum mit den naiv­en Titeln in die Irre und betont das Zwei­deutige, die Abgründe und Fein­heit­en des “Weichen” und “Härzi­gen”. Die milden Adjek­tive dienen als Tar­nung, als Ver­pack­ung für sein sub­ver­sives Liedgut, das die Einen zum Wahnsinn treibt. Andere wiederum schliessen es umso inniger in ihre Herzen, was selb­stre­dend für den Mann mit dem bre­it­en Emmen­taler Akzent spricht.

Alles nahm 1988 seinen Anfang: Vier­spurg­erät, Schrum­men, Hard­core, Met­al, Trash, Wer­wol­fat­tack­en, Ter­ror, Umweltkatas­tro­phen, Lärm. Dann tritt das kur­zlebige Trio Humanopathix mit ähn­lichem Pro­gramm an. Das Mok­ka in Sar­bachs Wohn­sitz Thun beehrten sie mit ihrem einzi­gen Auftritt, den MC Anlik­er laut Leg­ende zu den Worten hin­riss, er sei froh, dass das Konz­ert endlich zu Ende sei. Einen Humanopathix Nach­hall find­et sich auf Sar­bachs bish­er herb­stem erhältlichen Stück Musik (“Weich”, 1998). Nach der Auflö­sung fol­gte 1992 die Abkehr: “Nur auf Missstände aufmerk­sam machen, kann es auch nicht sein. Da geht man ja kaputt”. Im Hard­core kämen Worte laut Sar­bach nicht richtig zur Gel­tung. “Man kann nicht schräge Wort­spiel­ereien machen. So begann ich, leise Stücke mit akustis­ch­er Gitarre zu spie­len. Am Anfang war es mir sel­ber pein­lich. Das brätschet ja gar nicht, ist nicht hart und wild. Ich habe mich trotz­dem getraut und mit­tler­weile bin ich recht zufrieden.”

Inzwis­chen zählt das när­rische Song­book des wider­spen­sti­gen Sar­bach über hun­dert, nie gestelzte Titel. Ein Ende ist nicht abzuse­hen, auch wenn er “ä richtigä Soft­ie” gewor­den sei. “Meine Stärke ist es, dass ich Ideen habe. Oder bess­er: Dass ich mich getraue, meine Ideen zu ver­wirk­lichen”. Zwanzig neue Ideen schafften es nun auf den sech­sten reg­ulären, bis­lang ern­stesten Sar­bach Ton­träger “Brav”. Da find­et sich etwa das expliz­it glob­al­isierungskri­tis­che “Globaal”: Die Glob­al­isierung erscheint in Form des Aals als Geschenk. Als Geschenk, das “kolos­saal” frisst und ver­nichtet, ohne “moraal” unkon­trol­liert wächst und immer neue Forderun­gen stellt. Oder die fatale Liebesgeschichte mit “Elsi”: Hin­ter den Schiessstän­den und Hor­nusser­hüt­ten schätzälä und ärfälä sie. Man kann es erah­nen: Elsi geht ins Frauen­mil­itär, der Barde klagt, die Beziehung ist zu Ende. Schliesslich “Ärn­scht”: Das Lied basiert auf ein­er Episode, die Sar­bach in Ecuador miter­lebte. Die Lehrerin des Dor­fes streikt, die Schule bleibt geschlossen, die Regierung untern­immt nichts. Die Män­ner debat­tieren, Mei­n­un­gen gehen hin und her und übertö­nen die schep­pernde Musik ab Plat­te. “Öppis mües sech ändärä, no diä Nacht”, sagen sie. Nichts ändert sich und als “dr Morgä aatop­plät het, isch inä nüüt angers blibä aus das Liäd”. Trau­rig sei’s gewe­sen, so Sar­bach. Weit­er gibt’s die elegis­chen, wun­der­baren “Insel” und “Kitsch”, Lek­tio­nen in liedernär­rischen Skizzierun­gen (“Luxus”, “Schüüch”), wo feine Ironie immer wieder die Rolle des Liedernar­ren Sar­bachs bricht. Feine musikalis­che Details (Glock­en­spiel, Bouzou­ki, Klar­inette…) vere­deln “Brav”, das mit dem Rauss­chmeiss­er “Wott” endet. Nein, er habe keine Zeit, mit Wine­tou zu gril­lieren, keine Zeit für Francine Jor­di, die ihm ihre Woh­nung zeigen will, keine Zeit für Brit­ney Spears, weil: “D‘Mieti louft”. Ja, er sei es zu einem Teil sel­ber, das sei ja das ver­rück­te, so Sar­bach zur oft gestell­ten Frage, ob er denn wirk­lich so sei. Will heis­sen: Skur­ril, kauzig, melan­cholisch und sehr liebenswürdig. Die Zuschrift “Liedernarr” wurde nötig, weil sich Sar­bach nicht als Lie­der­ma­ch­er sieht. Ver­söh­nend aus­ge­drückt sei der Liedernarr eine Sparte des Über­be­griffs Lie­der­ma­ch­ers. Eine klare Def­i­n­i­tion fehlt ihm allerd­ings noch. So bleibt Sar­bach unver­gle­ich­bar und passt in keine gängige Schublade.

Im April schnallt Peter Sar­bach seinen pyra­mi­denar­ti­gen Gitar­renko­rb auf den Rück­en und beg­ibt sich auf eine weit­ere, etap­pen­weise “nicht sehr homöopathis­che” Dreigang-Velo­tour, ein let­ztes Aben­teuer sozusagen. Vielle­icht, wer weiss das schon, bege­ht er die näch­ste Tour zu Pferde, zu Wass­er oder zu Fuss. Weit­er hegt Sar­bach Ideen für seinen zweit­en Roman, dem Nach­fol­ger des sur­realen Heima­tro­mans “Albin”, der laut Quelle eine Mis­chung aus “Ueli der Knecht” und “Herr der Ringe” sei. Wenn er dann mal alt sei, möchte er eine Tan­gokapelle mit “autä Päp­ple” grün­den, die die Alter­sheime bespie­len soll. “Warum?”, möchte man fra­gen, doch schon antwortet die schlaue Cou­sine des dum­men Frage­wortes: “Darum!”

Infos und Auftritte: www.gottehildi.ch

Bild: zVg.
ensuite, April 2005

Artikel online veröffentlicht: 26. Juli 2017