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Die italienische note im Jazz

Von Luca D’A­lessan­dro - Der Musik­er und DJ Ger­ar­do Frisi­na gehört zu den Schlüs­selfig­uren des unab­hängi­gen Mailän­der Jaz­zla­bels Schema Records. Mit seinen Pro­duk­tio­nen hat er den ital­ienis­chen Jazz mass­ge­blich mit­geprägt. Seine Alben sind flüs­sig, sinnlich und mediter­ran-melodisch. So auch das aktuelle Werk «Join The Dance».

Ger­ar­do Frisi­na, dein Jazz hat eine typ­isch ital­ienis­che Note: Er entspricht dem Genre von Nico­la Con­te und Mario Bion­di.

Der Ver­gle­ich trifft zum Teil zu, schon nur deshalb, weil wir drei zu Schema Records eine enge Bindung haben. Oder zumin­d­est hat­ten wir eine: Mario Bion­di hat 2009 das Label gewech­selt. Wie dem auch sei: Dass es zwis­chen uns einen Zusam­men­hang gibt, ver­wun­dert nicht. Trotz­dem glaube ich, dass mein Genre im Ver­gle­ich zu jen­em mein­er Kol­le­gen grundle­gende Unter­schiede aufweist.

Die wären?

Ich arbeite mit unter­schiedlichen Musik­ern zusam­men, die mehrheitlich aus dem Latin-Bere­ich kom­men. Durch sie erfährt mein Jazz einen afrokuban­is­chen Touch.

Bossa Nova spielt da aber auch eine Rolle.

Fast alle Musik­er von Schema Records lassen sich vom Bossa inspiri­eren.

Wieso das?

Weil er allen gefällt. Er bere­it­et Freude und ver­mit­telt den Leuten ein Gefühl von Leichtigkeit. Wenn du den Bossa Nova hörst, legst du die Hek­tik des All­t­ags automa­tisch ab.

Demzu­folge musst du ein äusserst ruhiger Men­sch sein.

Ja, die Musik hil­ft mir. Ich bin sehr sen­si­bel. Vielle­icht hat das damit zu tun, dass ich in ein­er Gross­fam­i­lie aufgewach­sen bin. Wir waren neun Geschwis­ter. Meine Eltern sind inzwis­chen ver­stor­ben – meine Mut­ter kür­zlich. Ihr habe ich das neue Album gewid­met. Das let­zte Stück auf der CD trägt den Titel «For My Moth­er». Ich denke, man hört daraus die Melan­cholie, die ich gegen­wär­tig in mir spüre. Auch andere Stücke tra­gen das Motiv der Trauer in sich.

Trotz­dem schaffst du es, diese Trauer mit Momenten der Hoff­nung zu verbinden.

Das stimmt. Einzelne Stücke sind mit meinen bish­eri­gen Arbeit­en ver­gle­ich­bar. «Titoro» zum Beispiel ist ein Cov­er­stück mit Latin-Flair – ein char­mantes Lied.

Auch der Titel «Join The Dance» sug­geriert etwas Pos­i­tives.

Viele Leute glauben, «Join The Dance» sei ein Dance­floor-Album. Das stimmt so nicht. Der Titel soll vielmehr dazu auf­fordern, die Musik in Gemein­samkeit zu erleben. Dazu kommt, dass die Pas­sage «Join The Dance» im Lied «Will You Walk A Lit­tle Faster?» vorkommt, das ich mit der Jaz­zsän­gerin Nor­ma Win­stone einge­spielt habe.

Apro­pos Nor­ma Win­stone: Wie hast du es geschafft, sie für diese Pro­duk­tion aufzu­bi­eten?

Seit jeher bin ich von den gesan­glichen Qual­itäten Nor­mas fasziniert. Ich träumte immer wieder davon, ihre Stimme auf ein­er mein­er CDs zu haben. Ohne mir eine Chance auszu­malen, schrieb ich ihr eine E‑Mail, und – ich kon­nte es kaum glauben – sie war tat­säch­lich ein­ver­standen, für die Auf­nahme eines Stücks nach Mai­land zu kom­men.

Da hast du einen glück­lichen Fang gemacht.

Sie ist ein Profi, das merkt man. Die Auf­nah­men gin­gen ruck­zuck…

…inwiefern?

Ihr Flugzeug lan­dete in Mai­land am Abend um halb sechs, zwei Stun­den später hat­ten wir die Stu­dioauf­nahme im Kas­ten.

Worauf ihr euch einem aus­giebi­gen Aben­dessen zuwen­den kon­ntet.

Ja, es war sehr schön. Nor­ma fragte mich beim Essen: «Ger­ar­do, ist es richtig, dass du nur eine einzige Auf­nahme mit mir machen willst?» Ich war ab dieser Frage über­rascht.

Wieso?

Schliesslich hat­te ich sie nur für die Auf­nahme eines Stücks aufge­boten. Ich wollte sie nicht mit weit­eren Wün­schen belästi­gen.

In diesem Fall aber war sie es, die dich um weit­ere Auf­nah­men gefragt hat. Ich ver­mute, ihr seid daraufhin sofort ins Stu­dio zurück­ge­gan­gen.

Nein, das war lei­der nicht mehr möglich. Zu dem Zeit­punkt hat­te das Stu­dio bere­its geschlossen. Und für den Mor­gen des näch­sten Tages hat­te Nor­ma den Rück­flug gebucht.

Hätte das Auf­nahmes­tu­dio offen gehabt, wären heute ver­mut­lich mehrere Fea­tur­ings mit ihr auf dein­er CD.

Natür­lich! Im Lied «Mille E Una Notte» hätte ich ihre Stimme gerne gehört. Schade…

«Join The Dance» ist im Unter­schied zu deinen Vorgänger­al­ben kom­plett akustisch.

Ja, das habe ich bewusst so gewählt.

Du hast also eine Band zusam­mengestellt und dich mit ihr für die Ein­spielun­gen im Stu­dio eingeschlossen.

Das stimmt. Ich sel­ber ver­füge über keine eigene Band. Ich bin Einzel­pro­duzent, der nach Bedarf seine Musik­er für Stu­dio­pro­duk­tio­nen auf­bi­etet. Die Arrange­ments mache ich.

Die Stücke auf der CD sind aber nicht alle von dir.

Ein paar habe ich sel­ber kom­poniert, andere stam­men von Gian­ni Lo Gre­co, einem her­vor­ra­gen­den Kom­pos­i­teur und Musik­er, andere wiederum sind Cov­erver­sio­nen.

Deine Brötchen ver­di­enst du jedoch haupt­säch­lich als DJ.

Mein Spezial­ge­bi­et sind Dance­floor-Jazz, Latin und elek­tro­n­is­che Musik. Ich durfte bere­its an ver­schiede­nen Orten weltweit auftreten, so zum Beispiel in den Vere­inigten Staat­en, Spanien, Deutsch­land…

…und der Schweiz?

Lediglich in Lugano.

Bist du bis heute noch nie in die Deutschschweiz vorge­drun­gen?

Lei­der wurde ich nie ein­ge­laden. Ver­mut­lich bin ich da noch nicht so bekan­nt, wie ander­swo in Europa. Abgeneigt bin ich keineswegs, gerne würde ich meine Latin-Kicks einem Deutschschweiz­er Pub­likum unter­bre­it­en. Wer weiss, vielle­icht ergibt es sich in näch­ster Zukun­ft.

Ger­ar­do Frisi­na – Disko­grafie (Auswahl)
2010: Join The Dance (Schema Records)
2007: Hi Note (Schema Records)
2006: The Latin Kick (Schema Records)

Info: www.ishtar.it

Foto: zVg.
ensuite, Sep­tem­ber 2010

Artikel online veröffentlicht: 18. November 2018