Von Karl Johannes Rechsteiner — Sein Vater war ein Fan des so genannten «Wüstenfuchses» Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der für Hitlers Nazi-Deutschland in Nordafrika epische Panzerschlachten schlug. Deshalb gab Norman Roberts seinem Sohn den Vornamen Rommel – und das mitten in Afrika, in der südafrikanischen Stadt Mafeking. Diese liegt an der Grenze zu Botswana, für Vater Roberts hilfreich, denn in Südafrika durfte er nicht legal mit seiner als «farbig» eingestuften Frau zusammenleben. Er blieb lieber ennet der Grenze, im damaligen britischen Protektorat Botswana, wo es keine Rassentrennung gab und er sich mehr recht als schlecht durchschlagen konnte. So kam der Bub zu seinem martialischen Vornamen. Doch sein Leben entwickelte sich im völligen Kontrast zu seinem Namen: Rommel Roberts wurde ein Stratege für den Frieden und gegen die Apartheid in Südafrika. Mit riskanten und ideenreichen Aktionen setzte er sich für ein gerechtes Südafrika ein, stets ohne Gewalt. Während Nelson Mandela im Gefängnis sass und Desmond Tutu als Friedensnobelpreisträger weltweit gegen die Unterdrückung predigte, organisierte Rommel Roberts in der Kapregion den Widerstand an der Basis.
1989 lernte ich Rommel Roberts kennen. Er war eine wichtige Bezugsperson für Organisation und Kirchen in der Schweiz, die sich gegen das brutale weisse Regime in Südafrika engagierten. Ich führte eine Delegation von Schweizer Presseleuten, Juristen und Politikerinnen durch Südafrika. Täglich gab es politisch motivierte grausame Morde, Oppositionelle wurden verhaftet und die schwarze Bevölkerung zwangsvertrieben. Weltweite Boykotte setzten die Regierung unter Druck, während die Schweizer Grossbanken weiterhin die Apartheid unterstützten. Die öffentliche Debatte in der Schweiz kochte hoch. Die von kirchlichen Hilfswerken organisierte Delegation wollte aus erster Hand die Hintergründe der in Südafrika steigenden Gewalt kennenlernen.
Als wir Rommel trafen, trat er erst quasi als Chauffeur unseres Kleinbusses auf. Angesichts seiner stattlichen Erscheinung, den langen Haaren und seiner christlichen Überzeugung von Gewaltfreiheit nannte ich ihn schon mal scherzhaft «Junior Jesus» – denn er strahlte eine unglaubliche Energie und unermüdliche Kreativität aus. Täglich organisierte er für uns Begegnungen in Townships, mit politischen Promis oder ANC-Leuten im Untergrund. Es schien, als kenne er einfach alle wichtigen Mitspieler in diesem Südafrika, das damals in den letzten Zuckungen der Apartheid lag. Den grössten Teil seines Lebens hatte Rommel wie alle Schwarzen und Farbigen im eigenen Land kein Wahlrecht. Er musste illegal heiraten, weil er die Rassentrennung nicht respektierte. Und er landete immer wieder im Gefängnis, weil er die weisse Vorherrschaft in Frage stellte. Es gelang ihm immer wieder erfolgreich, mit Massenaktionen das System ins Wanken zu bringen.
Auf all seine Erfahrungen, Verbindungen und Vernetzungen hat Rommel Roberts nun zurückgeblickt. In Aufsätzen hat er die «kleinen Leute» porträtiert, die sich mutig dem südafrikanischen Polizeistaat entgegenstellten, ihr Leben riskierten und schliesslich das Regime zu Fall brachten. Er schreibt über seine Mutter, die als Krankenschwester allen half, unabhängig von der Hautfarbe. Er erzählt, wie er als Junge verprügelt wurde, nur weil er einen Platz betrat, der «Nur für Weisse» bestimmt war. Er schildert den manchmal auch humorvollen Widerstand und wie sich Weisse ebenfalls engagierten. Er teilt seine Verzweiflung über die Zeiten im Gefängnis. Und er berichtet über die Euphorie nach den erfolgreichen gewaltfreien Aktionen gegen die brutalen Passgesetze, einen Eckstein der Apartheid.
Als ich seine Texte nach ihrer Übersetzung zum vorliegenden Buch zusammenstellte, wurde ich immer wieder von Rommel Roberts überrascht. Obschon ich ihn seit 25 Jahren kenne offenbarte er mir hier neue Dimensionen und Geschichten. Viele davon hatte er mir nie zuvor erzählt, weil er immer schon die nächsten Projekte ausheckte und kraftvoll in die Zukunft schaut. Heute zum Beispiel, anfangs 2014, ist er wie einst während der Apartheid ständig als Mediator und Vermittler unterwegs in Kapstadt, denn dort droht das Südafrika von heute den Menschen um die Ohren zu fliegen. Nach ihrer Befreiung hofften sie auf Jobs, Wohnungen und neue Möglichkeiten. Doch alles geht langsam, viele Leute sind enttäuscht, sie kritisieren die Zustände immer lauter, gewalttätige Proteste drohen. Hier engagiert sich Rommel Roberts weiter für Frieden und Gerechtigkeit. Er trägt keinen berühmten Namen wie Mandela oder Tutu, für den er jahrelang gearbeitet hat. Er selber ist – wie die von ihm im Buch porträtierten Frauen und Männer — ein stiller Held, der uns auf berührende Art zeigt, dass jeder Mensch die Welt verändern kann.
Rommel Roberts
Wie wir für die Freiheit kämpften
Von stillen Heldinnen und Helden in Südafrika
Mit einem Geleitwort von Desmond Tutu
224 Seiten, Klappenbroschur,
ISBN 978–3‑906786–52‑0, Lokwort Verlag, Bern
Foto: zVg.
ensuite, März 2014