Von Lukas Vogelsang — Die mobile Welt in Ehren, doch nehmen Preiskampf und die Ideen der Dienstleistungen zuweilen perverse Charaktere an. Der Wandel der Zeit – früher noch in mindestens 100-Jahr-Schritten – ist auf ein paar lumpige Jahre reduziert worden und ist weder erlebbar, noch fassbar. Was vor knapp fünf Jahren als vorbildlich galt und vor gesundem Selbstbewusstsein strotzte, ist zum Hanswurst verkümmert und leer. Diese Erkenntnis stellt sich ein, wenn man versucht, seinen Mobiltelefonvertrag zu verlängern.
Aufgeschreckt wurde ich, als Anfang Januar von Comparis, einem Internet-Vergleichsdienst, propagiert wurde, dass über 54 Prozent der Handy-Kunden ihrem Mobilfunk-Anbieter treu bleiben und dadurch in der Schweiz über 2 Milliarden Franken pro Jahr verloren gehen. Meine erste Reaktion war allerdings, dass ich diese Treue als positive, loyale und gesunde Einstellung der Konsumenten goutierte. Ich fand den Gedanken, Loyalität gegen Sparmöglichkeit auszutauschen, schrecklich. Doch das war eben Anfang Januar.
In der Zwischenzeit neigte sich mein Mobilvertrag dem Ende entgegen und es stellte sich die Frage nach der Erneuerung – mit dem Hintergedanken, auch gleich das halb defekte Telefon wechseln zu können. Ein neuer Vertag hat diese positive Eigenschaft, dass man sich auch vom alten Knochen trennen kann, um wieder frisch mobil in die weite Welt rauszutelefonieren. Meinem Partner «Orange» bin ich seit neun Jahren treu und stolz, dass wir eine so wundervoll problemlose Partnerschaft pflegen. Ich musste allerdings feststellen, dass diese Partnerschaft nur einseitig freudig war: Das Objekt der Begierde von einem Mobiltelefon kann Orange mir weder direkt liefern, noch zu einem Preis anbieten, der irgendwie mit der Realität zu verbinden wäre. Bei einem Kauf in einem Mobilzone-Laden wäre es allerdings möglich, ein Orange-Abo mit dem neuen Gerät weiter zu ziehen. Doch dies wäre ganze 410 Franken teurer als ein adäquater Neuvertrag bei der Konkurrenz Sunrise. Das wirft Fragen auf.
Es wurde noch schlimmer: Gleich zwei TelefonverkäuferInnen vom orangen «Customer Service» und ein Verkäufer in einem Orange-Shop haben mich ausdrücklich zur Konkurrenz Sunrise gewiesen. Einer meinte noch, dass Orange den Markt völlig verfehle und die neuen AkademikerInnen in den Chefetagen einfach keine Praxiserfahrung und Kenntnisse vom Markt hätten. Was ist mit dieser Firma geschehen! Vor Jahren druckten sie die schönsten Stellenbewerbungsinserate und viele versuchten, dieses Orange-Image in die eigene Firmenpolitik zu integrieren. Orange hatte Stil, wirkte cool und seriös zugleich. Irgendwie war ich stolz auf die Ausstrahlung dieser Firma und darauf, selber an einem kleinen Zipfel ein Teil davon zu sein; schmerzlich für mich die Erfahrung und Aussagen dieser MitarbeiterInnen.
Der Irrwitz an der Sache ist, dass ich als Kunde nur am Umsatz gemessen werde. Vor einigen Jahren war mein Telefonverhalten noch interessant und für mich teuer. Ein Mitarbeiter von Orange bot mir deswegen einen besseren und wesentlich günstigeren Abovertrag an. Seither spare ich viel Geld, Orange macht wenig Umsatz mit mir – aber ich war ein sehr zufriedener Kunde, denn das Verhältnis der Kosten war für mich in Ordnung. Jetzt, bei der Vertragserneuerung, wird mir diese Umsatzeinbusse aber zum Vorwurf gemacht und ich muss bezahlen. Das ist frech und heimtückisch.
Mit dem Frustwechsel zu Sunrise spare ich nicht nur beim Neukauf eines Telefons, sogar meine monatlichen Gebühren werden normalisiert und im Schnitt wesentlich billiger. Ich spare also doppelt – das stimmt glücklich. Dazu kommt, dass die MitarbeiterInnen von Sunrise sich flexibel zeigten — und es kam niemandem in den Sinn, über das Management zu stöhnen. Obwohl bei dieser Firma mit den Schlagzeilen aus dem letzten Jahr sicherlich Grund da wäre. Aber es stellen sich auch Fragen. Eine kleine Recherche ergab dann, dass Sunrise mit einem Verkauf seiner selbst spielt. Und um der Sache noch den Hammer zu geben: Orange ist mit der Deutschen Telekom in Konkurrenz, Sunrise aufzukaufen! Irgendwie fühle ich mich saublöd in diesem Spiel.
Fazit: Vergessen Sie als Kunde Loyalität, Moral und Gewissen — die «Leader» der Wirtschaft und der Politik haben kein Interesse an einer gesunden Welt — und sie werden es auch in Zukunft nicht haben. Verlorene Liebesmüh.
Info: www.comparis.ch
Foto: Lukas Vogelsang
ensuite, Februar 2009