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Die Sensation

Von Lukas Vogel­sang - Am Swiss Media Forum in Luzern wurde am 27. und am 28. Sep­tem­ber über das Medi­en­jahr 2018 gesprochen. Am zweit­en Tag disku­tierten die ganz Grossen, Felix Graf, CEO NZZ-Medi­en­gruppe, Gilles Marc­hand, Gen­eraldirek­tor SRG, Pietro Supino, Ver­leger Tame­dia, und Marc Walder, CEO Ringi­er, über ihre Sit­u­a­tio­nen und ihre Erfahrun­gen. Das war das Medi­en­high­light dieses Jahres – erstaunlich, dass kaum was nach draus-sen gedrun­gen ist. Diese Diskus­sion wur­den aufgeze­ich­net und kön­nen im Inter­net noch immer mitver­fol­gt wer­den.

Nun, eigentlich wurde ja nichts Neues gesagt. Doch Marc Walder zum Beispiel erk­lärte mit ein­er beängsti­gen­den Abgek­lärtheit, aber sehr glaub­haft, was in der Medi­en­branche läuft: In zwei Jahrzehn­ten haben die Medi­en ein Vier­tel der Aufla­gen ver­loren, ein Drit­tel der Pub­lika­tio­nen sind ver­schwun­den, der mal 1,3 Mil­liar­den Franken schwere Werbe­markt ver­lor in dieser Zeit 700 Mil­lio­nen – also mehr als die Hälfte – und mit dig­i­tal­en Plat­tfor­men kon­nten nur rund 50 Mil­lio­nen zurück­ge­won­nen wer­den. Dieser Trend werde so weit­erge­hen, so Walder, keine Besserung in Sicht.

Noch präzis­er allerd­ings sind seine Aus­sagen bezüglich der Kosten für Medi­en: So habe es sich gezeigt, dass die Her­stel­lung dig­i­taler Medi­en mehr koste als Print­me­di­en. Walder führt aus, dass man bei Ringi­er eine Analyse gemacht und fest­gestellt habe, dass mehr Geld für dig­i­tale Medi­en­pro­duk­te aus­gegeben wor­den sei als bei klas­sis­chen Print­erzeug­nis­sen für Druck und Ver­trieb. Diese Infor­ma­tion über­rascht. Let­ztes Jahr erk­lärte das Branchen­magazin «Wer­be­woche», dass sich der Gesamtver­trieb von Medi­en auf das Ver­hält­nis zwei Drit­tel gedruck­te Aus­gaben zu einem Drit­tel Inter­net verteile.

Das heisst, dass dieses eine Drit­tel dig­i­tale Medi­en weniger Men­schen erre­icht, aber mehr kostet als die zwei Drit­tel der klas­sis­chen Print­pro­duk­tion. Und insofern über­rascht die Nachricht: Dig­i­tale Plat­tfor­men ret­ten die Medi­en nicht. Im Gegen­teil.

Was also ist das Prob­lem? Ich ver­mute mal, dass die meis­ten Print­me­di­en sich selb­st durch ihr eigenes dig­i­tales Pen­dant konkur­ri­eren, und zusät­zlich sind weit­ere Medi­en­be­triebe, zum Beispiel Wat­son oder die Repub­lik und unzäh­lige inter­na­tionale Web­sites, hinzugekom­men. Der Medi­en­markt für die LeserIn­nen ist sehr rasch in die Bre­ite gewach­sen – nicht in die Tiefe. Und mit dieser Verziehung ver­ab­schiedet sich der Werbe­markt. Die Leser­pro­file der einzel­nen Medi­en sind schwammig oder unklar gewor­den. Die Medi­en­be­triebe haben sich viel zu sehr auf ihre eige­nen Lei­den und Spar­mass­nah­men konzen­tri­ert statt auf ihre LeserIn­nen.

Das ist – so offiziell und öffentlich klargestellt – eine Sen­sa­tion für jene als alt­back­ene Tra­di­tion­al­istIn­nen ver­schrienen Print-«HeftlimacherInnen» und ‑Zeitungs­druck­erIn­nen. Ich gebe es gerne zu: Mir tut diese Mit­teilung gut und mit mir wer­den auch viele Men­schen aus der Druck­branche Hoff­nung schöpfen. Mir zeigt es, wie der eingeschla­gene Kurs unser­er Zeitschrift alles andere als vergeudete Zeit ist. Das sage ich ja schon länger und sehe es an unseren Zahlen. Doch glauben wollte mir das nie­mand.

Das dig­i­tale Medi­enun­ternehmen Repub­lik hat mit seinem ersten Geschäfts­bericht schon einiges bestätigt, was ich zuvor ver­mutet hat­te. Wer immer noch glaubt, dass ich eifer­süchtig bin auf dieses Unternehmen, hat nicht ver­standen, dass es mir vielmehr um die Entwick­lung der Medi­en­welt geht als um Neid. Wat­son und die Repub­lik sind in der Schweiz die bei­den dig­i­tal­en Vorzeigeme­di­en­be­triebe, die beweisen wollen und sollen, dass sie das Rezept für den dig­i­tal­en Wan­del gefun­den haben. Wat­son hat nach Deutsch­land expandiert und so neues Investi­tion­s­geld gefun­den – die Repub­lik hat im ersten Jahr ein Defiz­it aus­gewiesen, das gle­ich hoch ist wie alle Lohn­zahlun­gen des eige­nen Unternehmens. Das ist in bei­den Fällen nicht wirk­lich ver­trauens­bildend: Bei­de Unternehmen müssen sich schon oder immer noch durch Investi­tio­nen pushen. Von ein­er Entspan­nung oder Lösung ist da keine Rede, und diese Konzepte lösen das eigentliche Prob­lem nicht: Men­schen und Medi­en.

Die Medi­en­branche muss also Wege find­en, wieder die LeserIn­nen ins Zen­trum des Medi­en­pro­duk­tion­sall­t­ags zu brin­gen, ohne sich von ihnen inhaltlich bee­in­flussen zu lassen. Das klingt ein wenig nach dem Zen-Rät­sel: «Wie klingt das Klatschen von ein­er Hand?» Es ist lös­bar, ganz unspek­takulär und jede/jeder wird es für sich wis­sen, wenn es so weit ist.

Tagung: www.swissmediaforum.ch/videos/2018/