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Die Solitäre

Von Ruth Kofmel — Ganz ehrlich, bis anhin fand ich Big Zis frech und pro­vokant, mutig, geil, ver­dreht. Jet­zt aber finde ich sie gut — so richtig. Sie und natür­lich das, was sie an Wort­spiel­ereien pro­duziert. Für meinere­ins bietet Big Zis mit ihrem neuen Album «UND JETZ… was hät das mit mir z tue?» viel mehr Pro­jek­tions­fläche als zuvor. Fläche, die ich gerne mit Inter­pre­ta­tio­nen und Deu­tun­gen belade, mich darin suh­le und «rum­nusche», nach ver­steck­ten Perlen suche und ganz und gar das Gefühl habe, diese Musik sei mein Ding. Und Musik soll genau das tun für uns. Sie soll unsere Dis­tanz durch­brechen, die wir mit Schlag­worten wie amüsant, unter­halt­sam, eigen­ständig aufrechter­hal­ten und uns zu der Aus­sage zwin­gen: Das ist gut! Ruhig ver­dammt gut, richtig gut, unglaublich gut.

Es ist ja heute bei städtis­chen Kul­turkon­sumenten zwis­chen zwanzig und fün­fzig ger­adezu ver­pönt, eupho­risch ob ein­er Pro­duk­tion zu wer­den. Oder bess­er: Es gibt einen dif­fizilen Kodex wie, wo, wann und in welchem Aus­mass man eupho­risch wer­den darf und soll. Meis­tens aber ist cool bess­er und vor allem sich­er. Ist dann etwas als feiern­swert sta­tu­iert, ist Euphorie zwar gewün­scht, aber bitte immer im Kollek­tiv. Natür­lich ist die Lobeshymne auf Big Zis längst vom Kollek­tiv beglaubigt und ich kann mich hier ohne Fed­ern zu lassen get­rost anschliessen. Ihre Raps sind ein Ohren­schmaus. Da ist ein ganz eigen­ständi­ger Flow ent­standen, der sich die Worte ein­ver­leibt und sie zu einem organ­is­chen Gewächs wer­den lässt. Da sind so sim­ple Rhymes aufge­führt, dass es einem inner­lich kich­ern macht — nun, das ist wirk­lich und wahrhaftig frech!

So wie Big Zis beschrieben und besprochen wird, entste­ht leicht der Ein­druck, hier sei eine Frau, die ein­fach das tut, worauf sie Lust hat. Und das stimmt vorder­hand auch, sagt sie doch zum Beispiel, dass sie nach dem let­zten Album «Big Zis dörf alles» über­haupt nicht sich­er war, ob sie noch ein­mal den ganzen Zirkus auf sich nehmen würde. Nach der dama­li­gen Tour hat­te sie die Nase voll. Genug davon, ständig im Ram­p­en­licht zu ste­hen, ständig ihre Per­son zu präsen­tieren. Darum lässt sie vier Jahre ver­stre­ichen, in denen sie ab und zu auf kleineren Büh­nen ste­ht und wartet auf die Inspi­ra­tion für ein neues Album. Also ja, sie tut das, worauf sie Lust hat, lässt sich von äusseren Erwartun­gen wenig bee­in­flussen, erhält sich ihre Unab­hängigkeit und macht ihr Ding. Aber ein­fach scheint das dann doch nicht zu sein. Zu kri­tisch ist sie mit sich selb­st, auch nach einem so hoch gelobten Album wie diesem find­et sie: «Ich glaube, ich bin auf dem Weg dahin, wo ich sagen kann: Ja, das ist gut.» Vor jedem Auftritt durch­läuft sie dieselbe kleine Tor­tur und wird für eine Stunde krank, bis sie dann auf der Bühne ste­ht, und da geht es ihr gut. Die Bühne mag sie, das Gefühl zu unter­hal­ten, die Men­schen in ihren Bann zu schla­gen, sie machte das schon als Kind gerne. Freimütig gibt sie zu, dass sie dahin­ter einen grossen Gel­tungszwang ver­mutet, beschreibt sich als exhi­bi­tion­is­tisch, nur dass das, wenn man genauer hin­schaut und ‑hört, über­haupt nicht stimmt. Vielmehr bleibt nach dem Inter­view die Über­legung zurück, dass eine Unter­hal­terin, die sich darauf spezial­isiert, eine Show zu liefern und sich instink­tiv weigert, ihre Arbeit mit den zwei typ­isch weib­lichen Attribut­en für Büh­nenkün­st­lerin­nen, roman­tisch und/oder sexy, zu unter­legen, in ein anderes Schubläd­chen gepackt wer­den muss; und das wäre dann das mit dem Gel­tungszwang. Eine Frau, die das tut, was Big Zis tut, ist zwar geil, aber eben auch eine etwas selt­same Frau — das Wort fem­i­nin ist im Zusam­men­hang mit ihr wohl noch nie gefall­en. Und obwohl viele toll find­en, was sie macht, und merken, dass hier eine Sex und Roman­tik in Selb­st­de­f­i­n­i­tion abhan­delt, sind solche Kün­st­lerin­nen noch immer nicht zur Selb­stver­ständlichkeit gewor­den.

Am lieb­sten möchte Big Zis sich sowieso all diesen Attribut­en entziehen und eben ein­fach das machen, worauf sie Lust hat — nur dass dieses Entziehen nie voll­ständig gelin­gen kann; und über diesen dauern­den Zwies­palt erzählt sie in ihren Tex­ten. Sie gibt nur wenig von sich preis, ver­steckt viel mehr als dass sie zeigt, schreibt Geschicht­en auf, die vorder­gründig etwas erzählen und das immer auch gle­ich mit hin­ter­fra­gen. Ein­er­seits lieben wir es zu tanzen, auszuge­hen, das scharfe Klei­d­chen anzuziehen, gle­ichzeit­ig find­en wir das dann auch alles wieder doof und über­flüs­sig, lächer­lich irgend­wie.

Big Zis schreibt aus dem Bauch her­aus und sie hat einen gescheit­en Bauch. Sie sagt: «Schlussendlich kenne ich mich selb­st nicht so gut» und genau diese Unbeküm­mertheit schützt sie auch davor, zu kom­pliziert zu wer­den, direkt zu bleiben und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie mag manch­mal daran zweifeln, ob sie weit­er­hin Lust hat, uns ein klein wenig von sich zu zeigen, uns an ihren Grü­beleien teil­haben zu lassen, die sie mit wun­der­bar beleben­der Leichtigkeit zu Kun­st arrang­iert; uns bleibt nichts anderes übrig, als darauf zu beste­hen — es gibt son­st keine wie sie.

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2009

Artikel online veröffentlicht: 21. August 2018