Von Lukas Vogelsang — Die Welt der Technik verändert unaufhaltsam unseren Alltag. Autos, Waschmaschinen, Zahnbürsten, Wecker, Eierkocher – Alltagsgegenstände sind digital geworden. Dies hat weitwirkende kulturelle Konsequenzen und schliesst auch ganz viele Menschen aus. Digital ist nicht besser, sondern anders. Und diese Unterschiede müssen gelernt werden. ensuite versucht neue Technik zu erklären – aber auch Sinn und Zweck zu hinterfragen.
Ich benutze unterdessen mein Mobile wesentlich mehr für allgemeine digitale Kommunikation, als für Telefongespräche. Es ist komisch, doch eine normale Telefonverbindung scheint mir unterdessen unnatürlicher zu sein, als eine e‑mail zu schreiben. Das mag damit zu tun haben, dass ich bei der e‑mail den Menschen ganz offensichtlich nicht höre oder sehe und die Kommunikation auf diese Art stressfreier ist, als wenn ich am anderen Ende eine Stimme vernehme. Soweit sind wir schon. Doch verstehe ich die «Generation Digital», die jede Sekunde an ihren Geräten herumspielt. Ich finde es nicht gut – und es gibt noch weitere Gefahren.
Beim Herumstöbern in den «Apps» für mein Telefon bin ich auf ein gaunerisches Angebot gestossen: «Euro-Noten». Im Begleittext steht: «Jetzt, wo Sie denken, Sie sind so reich, können Sie, was Sie wollen, können Sie auch eigene besitzen virtuelles Geld? Zeigen Sie, wie reich Sie sind, indem man sich einige echte virtuelle Geld, das Sie sich leisten können. Sammeln Sie alle Banknoten und Anzeige stolz Ihr hart verdientes Greenbacks.» (Das steht genau so geschrieben!) Diese «Apps» sind nur Bilder von Banknoten und kosten soviel, wie auf den Noten angezeigt wird. Das ist frech.
Auch Schweizer-Firmen mischen in diesem Gauner-Markt tüchtig mit. So erhielt ich im Januar ein SMS von «Unbekannt» mit dem Text: «Dein Logo http://www.logoroulette.com/wap/index/nrid/39132/chk/MDA0M…». Mehr stand da nicht. Ich bin über die Webseite www.logoroulette.com auf die Vascom Schweiz AG gestossen. Diese bietet SMS-Massendienste an. Die Firma ist legal registriert, sucht aber jede erdenkliche Möglichkeit, den gesetzlichen Rahmen so gut wie möglich auszunutzen. Das geht so: Man versendet SMS an Telefonnummern, die man über irgendwelche «Zufälle» herausgefunden hat, mit diesem Logo-Dienst. Wer diesem Link folgt, aktiviert seine Telefonnummer und bestätigt sie als potentiellen Kunden – zudem abonnieren sie eine überteuerte Dienstleistung. Ihre Telefonnummer kann jetzt weiter bearbeitet werden oder aber, man kann ihre Nummer auch verkaufen. Beides ist ein lukratives Geschäft. Vordergründig wird ihnen ein «Produkt» angeboten, in meinem Fall hätte ich – sofern ich auf der Webseite auch noch meine Bestätigung gegeben hätte – für ca. 15 Franken ein Monatsabonnement für animierte gif-Logos und Bildchen erhalten. Das ist Wucher – vor allem weil die Qualität unter jedem Niveau ist. Entsprechend sind auch die Bedingungen: «Die Kündigung eines Abos zum Ende des Abo-Zeitraumes ist jederzeit möglich, ohne dass hierfür eine Kündigungsfrist zu beachten ist. Im Rahmen der Bestellung des Abos wird dem Kunden das Keyword mitgeteilt, mit dem die Kündigung des Abos erfolgen kann. Die Kündigung erfolgt durch Übersendung dieses Keywords per SMS an die hierzu ebenfalls mitgeteilte Kurzwahl-Nummer. Eine Anleitung zur Abo-Kündigung sowie die hierfür erforderlichen Keywords können jederzeit auch unter den unter 3 Absatz 5 angegebenen Internetseiten abgerufen werden oder durch Kontaktieren unseres Kundendienstes. Eine Übertragung des nicht beanspruchten Abo-Guthabens auf den nächsten Abo-Zeitraum oder eine Erstattung des Restbetrages oder des Abo-Entgeltes im Falle einer Kündigung ist leider nicht möglich». (…aus den Nutzungsbedingungen von www.logoroulette.com). Nur versierte AnwenderInnen werden sich aus dieser Schlaufe herausoperieren können.
Die Vascom Schweiz AG ist eine Zürcher Firma. Cengiz Peker, der CEO, hat mich persönlich aus seinen Thailand-Ferien angerufen, nachdem ich mich bereits mit dem BAKOM (die sind als Bundesamt zuständig für Telefonie und Daten), mit Sunrise (meinem Mobile-Anbieter) und dem Support von Vascom herumgeschlagen hatte. Peker war unheimlich zuvorkommend und wusste über jede Gesetzeslücke genau Bescheid. Er ist schon lange im Geschäft und arbeitet seit Jahren mit virtuellen Diensten. Ich vermute, das meiste davon findet in einem grauen Bereich statt: Die Vascom macht ihr SMS-Hauptgeschäft mit Erotikangeboten: Bildli und Filmli zu Wucherpreisen. Wer etwas recherchiert, findet denn auch interessante Verbindungen (Wapme Systems AG, Deutschland) zum Züri-Erotikguru Bruno Stettler, der die «Black Rain Group Foundation» (ein Sozialwerk für Haiti) gegründet hat und ebenfalls SMS-Dienste anbietet (www.smilesmedia.ch). Die Firmen-Netzwerke der involvierten Namen sind beachtlich.
Wichtig: Wenn sie jemals eine solche SMS oder einen SPAM-Link erhalten, dürfen sie diesen NIE aktivieren. Löschen ist gut, aber damit ist das Problem nicht behoben. Besser ist, wenn sie umgehend mit ihrem Mobile-Dienstanbieter Kontakt aufnehmen. Ein SMS-Massenversender ist immer registriert. Sie können diese Codes für ihr Konto sperren lassen, das ist gratis. Der Telekommunikations-Anbieter schreibt dem Sender auch, dass ihre Nummer aus jeder Dienstleistung gelöscht werden muss. Auch gut, wenn sie die Firma direkt anrufen – bis zur Verzweiflung. Ein Anbieter hat mir sogar mal 10 Franken in bar gesendet für die Umtriebe. Ein billiges Handgeld um eine Anzeige abzuwenden.
Foto: zVg.
ensuite, Februar 2011