Von Gabriela Wild - Was wir heute veranstalten, verändert das Morgen. Das diesjährige Festival der Künste Belluard Bollwerk International hatte mit dem Wettbewerbsgewinner «Kitchain» einen Hit gelandet, der die nächsten Festivaljahre prägen wird. Ein himmelblauer Fluss ergoss sich aus dem Arsenal, schlängelte quer über die Strasse und schloss sich mit seinem Anfang zusammen. Es waren die zusammengesetzten Tischelemente aus dem Küchensystem von António Louro & Benedetta Maxia. Mit ihrem Küchenprojekt griffen die beiden Künstler in die Seele des Festivals, das vor allem auch ein Treffpunkt ist, ein Ort, wo Künstler auf Besucher treffen, wo Austausch zwischen Anwohnern, Passanten und Kunst-Liebhabern stattfindet. Im diesjährigen Modell «all-in-on» gab es verschiedene Optionen. Im Teil «ready-made» konnte man zu kostendeckenden Preisen zubereitete Menus beziehen und den Köchen der Auberge aux 4 Vents bei ihrem Handwerk zusehen. Im Teil «do-it-yourself» bestand die Möglichkeit, selber zu kochen. Beide Angebote wurden rege benutzt. Die Einnahmen der Festivalküche haben sich im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt. Ein Festival, das die Krise noch nicht zu spüren bekam, könnte man meinen. Auch insgesamt konnte ein Besucheranstieg verbucht werden. Auf das Erfolgsrezept der Festivaldirektorin Sally De Kunst angesprochen, meint Tonia Rihs, Mitglied des Vorstandes: «Die Hemmschwelle, ans Belluard zu gehen, ist kleiner geworden. Sally legt grossen Wert auf Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Die Veranstaltungen sind publikumsnah.» Sie möchte ein breites Publikum ansprechen, sagt Sally, ohne Kompromisse einzugehen. Die Produktionen seien nicht weniger pointiert als früher, dafür zugänglicher, weil sie vermehrt im öffentlichen Raum stattfänden und dem Zuschauer die Möglichkeit zur Partizipation böten. Als roter Faden zog sich die Thematik um ökonomische Transaktionen, Konsum und wirtschaftliche Situationen von Künstlern durch das Programm. In Freiburgs Innenstadt wurden fünf Künstlergeschäfte eröffnet, in denen der alltägliche Prozess des Kaufens und Verkaufens gänzlich auf den Kopf gestellt wurde. Das Künstlerduo aus Österreich, Matsune & Subal, boten den Kunden Performances zum Kauf an. In den Genuss einer poetischen Miniaktion kam eine junge Braut, die mit ihren Polterabend-Genossinnen durch die Strassen zog. Matsune & Subal liessen die Frauen durch einen bunten Haargummi-Regen spazieren. Vetterli & Walker verkauften Eisobjekte, wobei der Käufer den Preis selber bestimmte. Das eingenommene Geld wurde an der Belluard-Abendkasse eingesetzt und ermöglichte demjenigen, der ein schlagkräftiges Argument äusserte, warum man das Belluard-Festival nicht verpassen sollte, einen verbilligten Eintritt. «Wie verkauft sich Kunst», diese Frage beschäftigte San Keller. In seinem Geschäft konnte man Verkaufsargumente von einflussreichen Galeristen kaufen, wobei sich dem Kunden gleich die nächste Frage stellte: «Was macht den Wert von Kunst aus?» Die Bekanntheit des Künstlers, der Kontext, in dem das Werk steht, die ausserordentliche Idee, das Einsetzen von Material und Können? Die Finnin Johanna Lecklin offerierte den Kunden in ihrem Story Café einen Kaffee, wenn sie eine Geschichte von sich preisgaben, und Anna Faroqhi hatte jedes Produkt ihres Tante Emma Ladens als Aquarell im Laden aufgestellt. Belluard 09 reagierte mit seinem Leitmotiv unter anderem auf das Phänomen, dass die Schweiz europaweit die höchste Verkaufsfläche pro Einwohner aufweist (NZZ, 5.10.08). Gleichzeitig schiessen leere Ladenflächen wie Pilze aus dem Boden, wie man in Freiburg sehr gut beobachten kann. «Ist die Schweiz eine Firma oder ein Staat?», darüber debattierten Lukas Bärfuss und Jérôme Richer mit dem Professor für Zeitgeschichte, Damir Skenderovic. Der Berliner Choreograf Jochen Roller thematisierte in seiner witzigen Aufführung das Los des Künstlers, der die unmöglichsten Jobs annehmen muss, um seine Kunst finanzieren zu können. Natürlich gab es auch Produktionen, die wenig mit dem Leitmotiv zu tun hatten, denn wichtiger als das thematische Korsett ist Sally De Kunst und ihrem Team eine organische und intuitive Programmation. Noch musste das Belluard kein Defizit verbuchen. Aber ob die Sponsoren, welche angesichts der Wirtschaftslage Budgetkürzungen anmeldeten, für nächstes Jahr wieder gewonnen werden können, ist noch unklar. Drücken wir dem kleinen, feinen Festival der Künste die Daumen. Es ist aus der Schweizer Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken.
Infos zum Wettbewerb 2010
unter www.belluard.ch
ensuite, August 2009