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Django Unchained

Von Andreas Meier — Djan­go (Jamie Foxx) und einige weit­ere Sklaven wer­den zu ihrem neuen Besitzer getrieben. Auf ihrem Weg tre­f­fen sie den Deutschen Doc King Schulz (Christoph Waltz), einen Kopfgeld­jäger und ehe­ma­li­gen Zah­narzt auf der Suche nach Djan­go, da dieser ihn zu den (natür­lich «dead or alive») gesucht­en Brit­tle Broth­ers führen und sie iden­ti­fizieren kann. Schulz befre­it die Sklaven und schliesst ein Abkom­men mit Djan­go: Er soll einen Anteil am Kopfgeld erhal­ten, wenn er Schulz auf sein­er Suche nach den Brit­tle Broth­ers hil­ft. Djan­go nimmt sofort an; nicht zulet­zt, weil die Brit­tle Broth­ers ihn und seine Frau Brun­hilde (Ker­ry Wash­ing­ton) auf der Flucht vor ihrem ehe­ma­li­gen Besitzer gefan­gen, gefoltert und getren­nt erneut in die Sklaverei verkauft haben. So wird Djan­go Schulzes Lehrling. Doch Djan­go hat nur ein Ziel: Brun­hilde aus der Sklaverei zu befreien. Schliesslich spüren sie sie auf der Plan­tage des bru­tal­en Calvin Can­die (Leonar­do DiCaprio) auf und begin­nen, Pläne für ihre Ret­tung zu schmieden.

Soweit klingt der Plot von Taran­ti­nos neuem Film «Djan­go Unchained» nicht son­der­lich orig­inell, und das ist er auch nicht. Doch das muss – beziehungsweise soll – er auch nicht sein. Es ist im Grunde eine typ­is­che Rache-/Liebesgeschichte: Die Schurken tren­nen zwei Lieb­haber, der Räch­er ver­nichtet seine Peiniger und sucht seine ver­lorene Liebe. Dass dieses Muster dur­chaus effek­tiv sein kann zeigen dessen zahllosen Iter­a­tio­nen und Vari­a­tio­nen. Doch «Djan­go Unchained» ist nicht nur effek­tiv; trotz der typ­is­chen Struk­tur und den vie­len Hom­ma­gen an alt­bekan­nte Filmk­las­sik­er und Italow­est­ern­klas­sik­er bleibt der Film über­raschend unvorherse­hbar. Das liegt nicht zulet­zt an der typ­is­chen Episo­den­haftigkeit von Taran­ti­nos Fil­men: Viele Szenen kön­nten fast für sich allein ste­hen und schaf­fen ein­prägsame, teils komis­che, teils schock­ierende Sit­u­a­tio­nen. Doch auch im grösseren Kon­text funk­tion­ieren sie gut und lenken nicht vom Film als Ganzes ab.

Die schaus­pielerischen Leis­tun­gen dür­fen nicht uner­wäh­nt bleiben: In Kom­bi­na­tion mit den beein­druck­end geschriebe­nen Charak­teren machen sie einen grossen Teil vom rauem Charme des Films aus. Beson­ders her­vorzuheben sind Christo­pher Waltz als höflich­er und gebilde­ter Kopfgeld­jäger mit (bisweilen) starken ethis­chen Überzeu­gun­gen, DiCaprio als grausamer Plan­ta­genbe­sitzer mit guten Manieren, und Samuel L. Jack­son als dessen untertäniger Haussklave, der nicht min­der grausam ist als sein Herr.

Wie bere­its ersichtlich ist, dreht sich «Djan­go Unchained» vor allem um Sklaverei. Es wur­den Stim­men laut, die Taran­ti­nos Umgang mit dieser kri­tisierten, respek­tive deren The­ma­tisierung in einem West­ern generell ablehnen; promi­nen­testes Beispiel ist der Regis­seur Spike Lee, der, wohlge­merkt, den Film gar nicht erst zu sehen brauchte, um ihn zu verurteilen. Davon abge­se­hen, ob eine kat­e­gorische Ablehnung bes­timmter The­matiken in bes­timmten Gen­res sin­nvoll ist: Wie passen die The­men von Sklaverei und Ras­sis­mus in diesen Neo-Spaghet­ti­west­ern? Man kann schlecht von Ver­harm­lo­sung sprechen. Die Tragik und der Schreck­en der Sklaverei wer­den detail­liert dargestellt, sei es durch Pathos oder durch physis­che Grausamkeit, und wer­den durch die typ­is­chen Italow­est­ern-Kennze­ichen nicht geschmälert. Tat­säch­lich ist der Sadis­mus gegen Sklaven eine Haup­tquelle der für den Italow­est­ern so typ­is­chen Gewalt­darstel­lun­gen. Eine zweite Quelle ist Djan­gos Gegenge­walt gegen die Sklaven­hal­ter.

Natür­lich ist «Djan­go Unchained» als Italow­est­ern und Taran­ti­nofilm eben­so häu­fig augen­zwinkernd und schwarzhu­morig wie er bru­tal ist, was wohl der Haupt­grund für die Kri­tik an ihm sein mag. Doch Filme sind keine sim­plen Rechen­spielchen; Gegen­sätze lassen sich nicht durch Addi­tion oder Sub­trak­tion vere­inen. Sie heben sich nicht gegen­seit­ig auf oder ver­min­dern sich, son­dern beste­hen nebeneinan­der. Die Komik in «Djan­go Unchained» zieht nichts ab von der Ern­sthaftigkeit, mit der er Sklaverei behan­delt, und umgekehrt schmälert diese Ern­sthaftigkeit nicht den Humor des Films.

Vielle­icht hil­ft es in dieser Hin­sicht, dass «Djan­go Unchained» die Amoral­ität viel­er Italow­est­ern nicht gän­zlich übern­immt. Iro­nis­cher­weise sind es hier zwar am Ende die «Good Guys», die ein Blut­bad son­der­gle­ichen provozieren, und damit die Aus­sicht auf ein baldiges und ver­hält­nis­mäs­sig glück­lich­es Ende ver­spie­len. Doch ist diese Gewalt in erster Lin­ie ein Resul­tat von äusser­ster ethis­ch­er Empörung, und nicht von selb­st­süchtiger Rach­sucht. Djan­go selb­st scheint zwar im Ver­lauf des Films zu ver­ro­hen, doch diese Ver­ro­hung ist zum Teil gespielt, und zum Teil Resul­tat der Grausamkeit der Sklaven­hal­ter. Durch dieses Spiel von Täter und Opfer kann die Rachegeschichte nicht ein­fach so hin­genom­men wer­den und ermutigt den Zuschauer, über die ethis­chen Imp­lika­tio­nen nachzu­denken, die trotz der ein­deuti­gen Boshaftigkeit von Djan­gos unzäh­li­gen Opfern nicht ganz sim­pel sind.

«Djan­go Unchained» ist trotz sein­er 165 Minuten Länge ein äusserst kurzweiliger West­ern der aus­geze­ich­net unter­hält, und dessen ern­ste The­matik nie aufge­set­zt oder respek­t­los erscheint. Und selb­st wenn man sich wed­er für Taran­ti­no noch für West­ern inter­essiert, sollte man ihn nur schon wegen den bril­lanten schaus­pielerischen Leis­tun­gen sehen, solange man liter­weise spritzen­des Blut erträgt.

«Djan­go Unchained». Regie und Drehbuch: Quentin Taran­ti­no. Darsteller: Jamie Fox, Christoph Waltz, Leonar­do DiCaprio, Samuel L. Jack­son, Ker­ry Wash­ing­ton u.a. USA 2012.

Foto: zVg.
ensuite, Feb­ru­ar 2013

Artikel online veröffentlicht: 16. Juli 2019