Von Lukas Vogelsang – In Bern haben wir eine Veranstalter-Organisation mit dem Namen BeKult. Auf deren Webseite steht: «Der Verein versteht sich als kulturpolitische Lobbyorganisation.» Das ist im Grunde eine Supersache. In Biel gibt es eine solche Organisation (AAOC) schon lange. Nur Zürich hinkt da etwas hintendrein mit der Demokratie.
BeKult hat aber Probleme. Das Verständnis einer Lobbyorganisation, einer «Stimme für die VeranstalterInnen» ist schlicht nicht vorhanden. Auch fehlt es an einer Agenda, an einem Programm, dem Ziel wohin der Verein steuert. So brüstet sich der Präsident des Vereins bei jedem kulturpolitischen Thema in den Medien – zu 90% allerdings nur mit der Aussage, dass die Mehrheit der BeKult-Mitglieder das Problem nicht als solches sähen. Nun, Umfragen im Verein finden nicht statt – insofern kann der Präsident nicht für die Mitglieder sprechen. Diesen Umstand hat er allerdings selber nicht erkannt. Schmerzlich musste BeKult in diesem Frühling hinnehmen, dass die wichtigsten Clubs von Bern sich lautstark vom Verein trennten. Zu Recht, denn Bekult sah bis Januar 2012 in Bezug auf die «Nachtleben-Kultur» keinen Handlungsbedarf und entzog sich der Thematik. Als die Clubs selber aktiv wurden, sah der Präsident die mediale Repräsentationsmöglichkeit und setzte sich in die Medien, und damit auch in die Nesseln: Es ist unschön, wenn man einen solchen Gesinnungswandel auf Kosten anderer macht.
Als eine Höchstleistung der Vereinsaktivität von BeKult darf der in diesem Jahr zum zweiten Mal durchgeführte «Gurtengipfel» genannt werden. Dabei treffen sich knapp 100 Mitglieder auf dem Gurten zu einem rund zweieinhalb-stündigen (inkl. Apéro!) Gedankenaustausch. Was als Idee gut klingt, und von den Sponsoren und Partnerorganisatoren gut organisiert wird (gastronomischer Service, die Räumlichkeiten und die gesponserten Festivalpässe für das gleichzeitig stattfindende Gurtenfestival sind toll!), scheiterte zum zweiten Mal an vielen Konzeptfehlern. Zum Einen ist da der Umstand, dass der Event nicht BeKult-intern stattfindet und die Gegenseite, also die öffentliche Hand und PolitikerInnen, gegen die man sich ja lobbymässig formiert, im Publikum sitzt, und zum Zweiten, dass die öffentliche Hand (namentlich der Kanton Bern) diesen Anlass sogar mitfinanziert, was der Vereinspräsident in der Ansprache gross verdankte. Damit ist die Lobbyarbeit dahin, und wir sind ungefähr auf dem Niveau der Diskussion um die Holcim Ausstellung im Berner Kunstmuseum angelangt.
Viel schlimmer allerdings war in diesem Jahr der peinliche Auftritt von Bänz Friedli, der mit seinem «sauglatten» Input zum «Berner Selbstverständnis» (fast alles vom Blatt abgelesen) versuchte, das Bern-Zürich-Bashing zu toppen. Warum an einem zeitlich so kurz angelegten Kulturveranstaltertreffen noch eine «kulturelle Darbietung» stattfinden muss, bleibt mir ein Rätsel. Im Anschluss verbreitete Pius Knüsel, der abtretende Direktor der Pro Helvetia, mit seinem Buch «Der Kulturinfarkt» im versuchten Gespräch mit Heinrich Gartentor, dem Zentralpräsident des Berufsverbands Visuelle Kunst Visarte, allgemeine Missstimmung. Das ging so weit, dass Leute aus dem Publikum dem Gartentor Unwissen vorwarfen und der Knüsel mit dem Mikrophon laut zu sprechen begann, damit er kritische Einwürfe übertönen konnte.
Nach dem Anlass herrscht ein einvernehmlich schlechter Geschmack im Mund und Sinnlosigkeit macht sich breit. Dabei ist der Tatbestand ganz einfach: Ohne eine gemeinsame Sprache können wir nicht über Kultur diskutieren. Am Anfang einer jeglichen Gemeinschaft steht die gemeinsame Verständigung. Solange also ClubbetreiberInnen, KonzertveranstalterInnen, Theater, Opernhäuser, Kinos und all die weiteren VeranstalterInnen nicht eine gemeinsame Sprache für ihre Anliegen kreieren, steht nur ein weiterer «Turmbau zu Babel» an. Lösungen wird es keine geben, nur den Zusammenbruch. «Kultur» verstehen alle TeilnehmerInnen verschieden, die Forderungen sind verschieden, deren Funktion im Kulturmarkt ebenso.
Interessanterweise leidet das Buch «Der Kulturinfarkt», oder dessen Autor, unter dem gleichen «Kultur»-Pauschalisierungs-Syndrom, und bringt deswegen auch keine Lösungen für die Kulturförderung zustande. Kultur ist a priori nie pauschal, sondern immer nur ein Ergebnis einer lebendigen Gemeinschaft. Kultur ist ein Resultat, eine Summe. Kultur kann man deswegen nicht erzwingen, oder gar erschaffen (im Gegensatz zur Kunst…).
Insofern war dieses Treffen auf dem Gurten eine weitere verspielte Chance. Trotzdem: Immerhin existiert in Bern ein solches Treffen – im Vergleich zu Zürich. Da ist die Kultur zum reinen Standortmarketing verkommen, und man diskutiert nicht, man bezahlt.
Ich hoffe, dass wenigstens ensuite mit dieser Ausgabe ein paar interessante und kulturell relevante Impulse für diesen Sommer setzen kann, oder wenigstens zum Denken anregt.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 116, August 2012