Von Lukas Vogelsang — Vor über einem Jahr fragte ich einmal hier im Editorial, was eigentlich mit Ideen geschehe, die nicht umgesetzt werden. Gehen diese einfach verloren? Albert le Vice nahm den Ball auf und hielt für ensuite ganz viele dieser Ideen in seiner Serie «Ein Leben aus Ideen» fest. Er ist damit nicht alleine – alle, die im ensuite mitarbeiten, schreiben mit der gleichen Motivation. Ich erinnere mich an die ersten Ausgaben von unserem Magazin, als mich fremde Menschen auf der Strasse anfragten, was man tun müsse, um bei ensuite mitschreiben zu können. Oder aber da sind jene LeserInnen, welche mir Artikeltexte zitierten, die wir teils fünf Jahre zuvor veröffentlicht hatten. Das ensuite ist unterdessen für viele LeserInnen zur Selbstverständlichkeit geworden.
«Kulturpolitik» macht auch vermehrt Schlagzeilen in der Medien. Ein Teil geht wohl auf meine Kappe. Es ist mein Anliegen, dass wir gemeinsam über kulturelle Konzepte nachdenken und die Begriffe neu definieren. Getarnt als Provokateur, wie ein Hofnarr lästernd, war mein Ziel, Emotionen für die Kulturpolitik zu gewinnen. In einigen Fällen hatte ich tolle Erfolge – vieles blieb irgendwo unbeachtet hängen.
Trotzdem, ensuite hat in zehn Jahren gezeigt, dass «Kultur» und «Kunst» durchaus noch «mediale Werte» sind – auch ohne «Ewigi Liebi», Robbie Williams und die Massen-Kommerz-Kultur. Ich lasse mich nicht irritieren, wenn, wie neulich, die Postfinance bekannt gibt, nur noch «Kommerzkultur» sponsern zu wollen, und sogar die eigene klassische Konzerte-Serie aufgibt. Es passt zur Zeit: «Kultur» wird in der Politik und Wirtschaft nur noch als Geldmaschine wahrgenommen – unsere Gesellschaft wird nur noch als Geldmaschine wahrgenommen. Und wer nicht über kulturellen Inhalt nachdenkt, der bleibt in der Tat bei den Zahlen hängen. Das erleben wir zur Zeit bei vielen Kultursekretariaten, Kulturförderstellen und Behörden. Für die Politik ist das super, denn über Zahlen kann man debattieren, über kulturellen Inhalt nicht: Die kulturelle Wahrnehmung ist immer eine persönliche, emotionale und stimmungsabhängige Empfindung, immer individuell. Kultur ist nicht lösungsorientiert, ist nicht ökonomisch, wissenschaftlich, und direkt wirtschaftlich gewinnbringend. Aber auch. Und Kultur hat mit «gesellschaftlicher Verantwortung» ganz viel zu tun. Doch das sind schwierige Themen, und denkbar schlechte Diskussionsgrundlagen zu einem Bier.
Erstaunlicherweise aber habe ich in den letzten Jahren festgestellt, dass kulturpolitische Veranstaltungen oftmals mehr Besucher–Innen anzogen, als Konzert‑, Theater- oder Tanzvorstellungen. Diese Zeichen sind oft ignoriert worden – auch von der öffentlichen Hand. Erst jetzt wächst das Bewusstsein, dass sich die öffentlichen Kulturverantwortlichen und VerwalterInnen nicht hinter Dossiers verstecken dürfen. «Kultur» fordert immer Dialog und dieser muss mit der Öffentlichkeit geführt werden – vor allem, solange die Definitionen von «Kultur» so weit auseinanderklaffen.
Deswegen hat ensuite — kulturmagazin zum 10jährigen Jubiläum auf ein Fest oder eine Spezialausgabe verzichtet. Dafür haben wir 490 Kulturabos an Stadt‑, Gemeinde‑, Kantons-PolitikerInnen von Bern und Zürich verschenkt. Die Kultur hat immer auf die Politik gewartet – die Politik nicht auf die Kultur. Ich glaube wir setzen mit unserer Aktion ein klares Signal.
Sie als LeserInnen können dabei mithelfen: Übernehmen Sie eine Patenschaft für ein solches «politisches Abo». Sie setzen damit selber ein Zeichen, helfen uns, diese Schnittstelle und den öffentlichen Kulturdialog auszubauen.
Infos dazu finden Sie per Anfrage oder auf unserer Webseite: www.ensuite.ch
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2013