Von Lukas Vogelsang — Der Druck auf die Kulturförderungsstellen wächst. Seit Jahren verlangen Kritiker, Institutionen, Verbände, KünstlerInnen und schlussendlich auch die Politik, dass transparente Kultur- und Förderungskonzepte vorliegen. Unter «transparent» wären Papiere gemeint, die nicht auf über 140 Seiten versuchen «Kultur» zu erklären. Ein Konzept ist wesentlich griffiger, kompakter und kürzer formuliert.
Die Anforderungen sind in den letzten Jahren gewachsen, aber die Amtsstellen hinken den Anforderungen hinten nach. Es ist unverständlich, dass die betroffenen Förderstellen nicht von selbst offensiv handeln. Es muss Druck ausgeübt werden, damit etwas geschieht. Und es ist auffallend: Die Kultursekretariate von Bern und Zürich waren noch nie so schweigsam wie im letzten Jahr. Auf Nachfrage ist immer alles in bester Ordnung: Unfehlbare machen keine Fehler. Die Kulturämter haben sich damit selber ins Kreuzfeuer der Kritik gestellt und werden von Monat zu Monat unglaubwürdiger. Allem Anschein nach mögen sie das.
Selbstverständlich steht über jeder Abteilung ein Chef, zum Beispiel ein Regierungsrat, ein Gemeinderat oder eine Stadtpräsidentin oder ein Stadtpräsident. In einem falsch verstandenen Führungs- und Machtkonzept wirken Autoritäten nur von oben nach unten – und es wird nicht gehört, was von unten nach oben kommt. Nicht alle Führungskräfte verstehen diese Zusammenhänge. Und so folgen Schlagzeilen, Stellenausschreibungen und viele knorrige Erklärungen. Auch das scheinen diese AmtsinhaberInnen zu mögen.
Natürlich wurden diese Chef-Positionen durch Wahlen erkoren. In der Kausalitätenkette hat die Gesellschaft also diese Konzeptlosigkeit und Unfähigkeit selbst verschuldet. Das ist zwar eine banale und blöde Antwort, aber zumindest theoretisch ist sie korrekt. Es widerspiegelt ziemlich deutlich ein Stück unserer Schweizer Kultur.
Andersrum steht es uns eben gerade deswegen zu, Forderungen zu stellen. Wir dürfen fordern, weil wir dieses System selber gebaut haben. All diese Angestellten im öffentlichen Dienst sind genau genommen unsere Angestellten, die für die Gesellschaft Funktionen innehaben und Arbeiten erledigen. Und damit wendet sich die Wahrnehmung der politisch undurchdringbaren Wand, löst sich unsere gefühlte Machtlosigkeit auf: Wir dürfen an unsere Gesellschaft Forderungen stellen. Wir dürfen an uns selber Forderungen stellen. Und gemeinsam können wir versuchen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Das heisst: nicht abwimmeln, sondern annehmen, lernen, weiterkommen.
Das klingt alles so schrecklich banal. Wenn wir jedoch die Realität beobachten, staunen wir. Im Jahr 2013 sind wir noch lange nicht in einer Normalität angelangt. In Bern ist das Chaos so gross wie noch nie: Die Abteilung Kulturelles verliert nach den Berner Tanztagen jetzt auch noch das Literaturfestival, und die grösste Tanzkompagnie ÖFF ÖFF steht vor dem aus. Hauptsächlich dreht sich alles um Pannen in der Kulturförderung. Dafür hat eine einzelne Tänzerin durch politische Wirren in drei Jahren über 930‘000 Franken Subvention erhalten. Beim Kanton ist die Abteilung Kultur in nur vier Jahren im Know-how ausgehöhlt worden und jetzt gar führungslos. Die Stadt Zürich ist nicht viel besser dran. Dort versuchte die Abteilung Kultur offiziell im Budget 2013 ein Projekt zu verstecken, welches eigentlich ein Jahr zuvor bereits vom Gemeinderat abgeblasen worden war. Einfach mal probieren, dass jemand aus der Politik Fragen stellt ist eh kaum anzunehmen.
Forderungen sind also berechtigt – die Transparenz in der Kultur ist alles andere als gut, und es ist auch nichts in bester Ordnung. Wir haben jetzt ein neues Jahr und können vieles besser machen. Der erste Schritt des Erkennens steht jetzt an.
ensuite, Februar 2013