Von Lukas Vogelsang – Nach dem Desaster in der kantonalen Verwaltung, im Amt für Kultur in Bern, folgt die erste wirklich erfreuliche Nachricht seit Jahren: Hans Ulrich Glarner, der Kulturchef von Aarau, übernimmt überraschend als Vorsteher das Amt und ersetzt Anita Bernhard, welche seit dem 1. April 2009 fast ungesehen an dieser Position gewirkt hatte und im Februar dieses Jahres wieder untertauchte. Der Scherbenhaufen, der unter dieser Führung entstanden ist, grenzt einer kulturellen Plünderung: Die gesamte Abteilung Kulturförderung wurde ausgewechselt – niemand ist jetzt länger als zwei Jahre in dieser Abteilung, das gesamte Know-how ist verloren. Es ist gar absurd, dass Mitarbeiter, welche bei Hans Ulrich Glarner gearbeitet hatten und in Bern bereits als Highlight galten, hier nur ein kurzes Gastspiel aushielten und diese Abteilung fluchtartig verliessen.
Zurückgeblieben ist jetzt ein Team aus mehrheitlich jungen VerwaltungsmitarbeiterInnen, die geschichtlich mit dem Kanton Bern und dessen kulturellen Traditionen nicht bewandert sind. Allein diese Tatsache hätte schon längst einen Schrei der Entrüstung auslösen müssen und das hätte dem verantwortlichen Regierungsrat Bernhard Pulver fast das Genick gebrochen. Zum Glück ist mit der Wahl von Glarner eine elementare Weiche gestellt, die vorerst Schlimmeres verhindert. Er ist – soweit ich das beurteilen kann – wohl der fähigste Kulturmann für diese Grossbaustelle, und damit der Glücksfall schlechthin für den Kanton Bern und für Bernhard Pulver. Allerdings wird er nicht nur angenehm sein – aber dies wenigstens mit sicheren und verständlichen Argumenten. Sein Motto, dass ein Amt «für die Kultur da sei» und nicht umgekehrt, ist bereits ein Stein des Anstosses für Bernhard Pulver, der lieber eine straffe «Linienführung in einem hierarchischen Setting» sehen würde. Eine solche Führungsdefinition basiert auf Weisungsbefugnissen und Leistungsbeziehungen. Die inhaltsbezogene und in der Kulturförderung selten anzutreffende Dialogbereitschaft von Hans Ulrich Glarner wird also verwaltungsintern erst noch Gehör finden müssen. Ich trau ihm dies jedoch zu – aber es wird nicht einfach sein.
Eine weitere positive Eigenschaft, welche diese Wahl von Glarner mitbringt, ist die neue Beziehungsdefinition zwischen Kanton und Stadt Bern: Mit Glarner liegt die fachliche Kompetenz jetzt einseitig auf Kantonsebene. Wenn sich die Stadt Bern punkto Fachwissen und kultureller Federführung in Zukunft in irgendeiner Weise behaupten will, muss sich die städtische Abteilung Kulturelles dringend «updaten» und neu positionieren. Dies ist gerade im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Kulturgesetzes vom Kanton, den institutionellen Umverteilungen und dem fehlenden Kulturkonzept der Stadt Bern elementar. Kulturell-verwaltungstechnisch gesehen hat die Stadt Bern mindestens zwei Jahre verschlafen, und sich in dieser Zeit selber zu viele Baustellen in den Weg gestellt.
Das Kulturkonzept der Stadt Bern ist denn auch das Kernstück der Bewegung, welche die Stadt Bern machen muss. Endlich werden hier auch politische Stimmen laut. Dabei müssen sich die Verantwortlichen bewusst werden, dass es in erster Linie nicht ein Kunstkonzept oder Budget braucht, sondern ein richtiges Kulturkonzept. Was damit gemeint ist, beginnen wir in einer neuen Serie in dieser Ausgabe zu beleuchten. Die Diskussion über die Bernische Stadtkultur ist übrigens ebenso wichtig für Zürich: Selten kann man einer regionalen kulturellen Entwicklung so toll über die Schulter schauen. Die bevorstehende «Tanz dich frei»-Bewegung im Mai wird auch in anderen Städten Diskussionen auslösen. Es soll niemand meinen, dass man sich im Zeitalter der sozialen Medien und der gesellschaftlichen Deklassierungen einfach über die Dinge stellen kann, oder dass Geld alleine als Argument genügt. Da grüsst jetzt selbst Herr Vasella.
Das Kulturjahr 2013 hat bereits seine Ausrichtung und Ziel angekündigt: Es geht jetzt um Inhalte. Endlich mal.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 123, März 2013