Von Lukas Vogelsang — Eine Glanzleistung, was das Schweizer Eishockey-Team da vollbracht hat: Silber an der Weltmeisterschaft. Sensationell. Dies war nur möglich, weil es den Trainern gelungen ist, eine Mannschaft zu einen, den selbstbewussten Teamgeist aufzubauen, welcher unter Druck bestand hält. Man hat das gesehen.
Sport ist auch Kultur. Kulturinstitutionen funktionieren nämlich gleich: Das Publikum sieht bei einer Aufführung des Balletts keinen sterbenden Schwan, sondern eine funktionierendes Team, welche oftmals eine perfektionierte Illusion zustande bringt. Das ist nicht Kunst, was wir zu sehen kriegen, sondern das perfekte Zusammenspiel eines Teams – genau gleich wie bei der Schweizer Eishockey-Mannschaft. Ich höre schon den Aufschrei von einigen LeserInnen. Aber versuchen wir uns einmal vorzustellen, 120 Mal den sterbenden Schwan auf der Bühne zu tanzen, Abend für Abend. Die Kunst wurde dabei zerteilt, reproduzierbar gemacht, in ein Timing gesetzt, und wurde zur Funktion, die Emotionen sind geplant und berechnet – egal wie gut der oder die KünstlerIn ist. So gesehen wird jeder Abend vergleichbar mit einer Zirkusnummer. Mit gleichem Erfolg können wir Kunstwerke grosser KünstlerInnen kopieren – der Unterschied von Original und Kopie ist für die meisten nur von psychologischem Wert.
Während einer kulturellen Vorstellung überwiegt deswegen das perfekte Gefüge des Teams, des Stils, und natürlich mit dem Ort, wo etwas stattfindet. Insofern beklatschen wir den Kulturbetrieb und bedanken uns für die kulturelle Unterhaltung – das Künstlerische aber bleibt ziemlich flach, muss oftmals grosse Kompromisse für das Publikum eingehen und gefallen. Manchmal ist die Inszenierung noch Bestandteil einer künstlerischen Diskussion – allerdings ist auch diese, nach der Idee, nur noch eine Reproduktion für die Wiederholung. Die effektive Kunst hat also viel früher stattgefunden: als das Stück erdacht wurde, bei den Proben, und vielleicht vereinzelt mal während einer Vorstellung – kaum sicht- oder spürbar für das normale Publikum. Die Beweise dazu finden wir in den Programmen der grossen Theater oder dem Konzertprogramm eines Symphonieorchesters. Da ist Wohlgefallen und Wohlklang oft wichtiger als Kunst.
Ob diese Trennung oder Betrachtungsweise wichtig ist, werden Sie sich wohl fragen? Ich denke schon. Wie oft komme ich aus einem Theater und frage mich, was denn nun an diesem Abend glanzvolle Kunst gewesen sein soll? Oftmals höre ich Musik-CDs und finde die Aufnahmen wesentlich gereifter als die Vertonung live auf der Bühne. Wenn ich mich aber von der Kunstvorstellung löse, fällt die Kritik ganz anders aus. Darauf will ich hinaus: Unser Urteilsvermögen über Kunst und Kultur ist sehr ungleich, zu unterschiedlich und entsprechend nicht dialogfähig. Kultur- und Kunstvermittlung wurden deswegen in den letzten Jahren wichtig. Allerdings fördert man sehr einseitig das Kultur- und Kunstverständnis von Jugendlichen und Kindern. Bei den Institutionen bezahlt die Förderung die individuellen und grafisch fleischfressenden Programmheftchen mit den unkritischen Werbetexten. Der Begriff «Kulturmagazin» ist aber im Katalog der Kulturvermittlung noch immer nicht aufgenommen worden. Mit anderen Worten: Kulturelle Werbung wird gefördert und die breite, individuelle Meinungsbildung nicht. Das sollte uns zu denken geben.
Wo findet in unserer Gesellschaft noch eine öffentliche Kulturdiskussion statt? Woran messen wir Kultur- und Kunstentwicklungen? Wo sind die Kultur-Think-Tanks einer Stadt, welche über die Vergangenheit und die Zukunft debattieren – und zwar mal unabhängig von Polemik und Hypes? Ich vermisse die (Vor-)DenkerInnen unserer Zeit. Bei der Politik finde ich diese nicht.
Ich hatte mir als Kind immer einen rauchigen Salon vorgestellt, eine Art Klubhaus für Kultur mit dicken Sesseln. Heute reden wir zwar dauernd darüber, dass wir sowas gerne machen würden, aber die Zeit hat niemand mehr, um es umzusetzen. Die KultursekretärInnen und Kulturämter haben sich von den Kulturschaffenden entfernt, verweigern den Denkdialog und verschanzen sich hinter vermeintlichen Gesetzen. Man muss sie regelrecht an die Öffentlichkeit prügeln – und wenn sie dann was sagen, ist es meistens nicht ganz so durchdacht. Doch bei den KünstlerInnen und auf der institutionellen Ebene fehlt der Dialog-Geist ebenso. Man hat genug eigene Probleme zu lösen. So kann aber kein funktionierendes Team zustande kommen – das reicht nicht mal für einen Trostpreis.Eine Glanzleistung, was das Schweizer Eishockey-Team da vollbracht hat: Silber an der Weltmeisterschaft. Sensationell. Dies war nur möglich, weil es den Trainern gelungen ist, eine Mannschaft zu einen, den selbstbewussten Teamgeist aufzubauen, welcher unter Druck bestand hält. Man hat das gesehen.
Sport ist auch Kultur. Kulturinstitutionen funktionieren nämlich gleich: Das Publikum sieht bei einer Aufführung des Balletts keinen sterbenden Schwan, sondern eine funktionierendes Team, welche oftmals eine perfektionierte Illusion zustande bringt. Das ist nicht Kunst, was wir zu sehen kriegen, sondern das perfekte Zusammenspiel eines Teams – genau gleich wie bei der Schweizer Eishockey-Mannschaft. Ich höre schon den Aufschrei von einigen LeserInnen. Aber versuchen wir uns einmal vorzustellen, 120 Mal den sterbenden Schwan auf der Bühne zu tanzen, Abend für Abend. Die Kunst wurde dabei zerteilt, reproduzierbar gemacht, in ein Timing gesetzt, und wurde zur Funk-
tion, die Emotionen sind geplant und berechnet – egal wie gut der oder die KünstlerIn ist. So gesehen wird jeder Abend vergleichbar mit einer Zirkusnummer. Mit gleichem Erfolg können wir Kunstwerke grosser KünstlerInnen kopieren – der Unterschied von Original und Kopie ist für die meisten nur von psychologischem Wert.
Während einer kulturellen Vorstellung überwiegt deswegen das perfekte Gefüge des Teams, des Stils, und natürlich mit dem Ort, wo etwas stattfindet. Insofern beklatschen wir den Kulturbetrieb und bedanken uns für die kulturelle Unterhaltung – das Künstlerische aber bleibt ziemlich flach, muss oftmals grosse Kompromisse für das Publikum eingehen und gefallen. Manchmal ist die Inszenierung noch Bestandteil einer künstlerischen Diskussion – allerdings ist auch diese, nach der Idee, nur noch eine Reproduktion für die Wiederholung. Die effektive Kunst hat also viel früher stattgefunden: als das Stück erdacht wurde, bei den Proben, und vielleicht vereinzelt mal während einer Vorstellung – kaum sicht- oder spürbar für das normale Publikum. Die Beweise dazu finden wir in den Programmen der grossen Theater oder dem Konzertprogramm eines Symphonieorchesters. Da ist Wohlgefallen und Wohlklang oft wichtiger als Kunst.
Ob diese Trennung oder Betrachtungsweise wichtig ist, werden Sie sich wohl fragen? Ich denke schon. Wie oft komme ich aus einem Theater und frage mich, was denn nun an diesem Abend glanzvolle Kunst gewesen sein soll? Oftmals höre ich Musik-CDs und finde die Aufnahmen wesentlich gereifter als die Vertonung live auf der Bühne. Wenn ich mich aber von der Kunstvorstellung löse, fällt die Kritik ganz anders aus. Darauf will ich hinaus: Unser Urteilsvermögen über Kunst und Kultur ist sehr ungleich, zu unterschiedlich und entsprechend nicht dialogfähig. Kultur- und Kunstvermittlung wurden deswegen in den letzten Jahren wichtig. Allerdings fördert man sehr einseitig das Kultur- und Kunstverständnis von Jugendlichen und Kindern. Bei den Institutionen bezahlt die Förderung die individuellen und grafisch fleischfressenden Programmheftchen mit den unkritischen Werbetexten. Der Begriff «Kulturmagazin» ist aber im Katalog der Kulturvermittlung noch immer nicht aufgenommen worden. Mit anderen Worten: Kulturelle Werbung wird gefördert und die breite, individuelle Meinungsbildung nicht. Das sollte uns zu denken geben.
Wo findet in unserer Gesellschaft noch eine öffentliche Kulturdiskussion statt? Woran messen wir Kultur- und Kunstentwicklungen? Wo sind die Kultur-Think-Tanks einer Stadt, welche über die Vergangenheit und die Zukunft debattieren – und zwar mal unabhängig von Polemik und Hypes? Ich vermisse die (Vor-)DenkerInnen unserer Zeit. Bei der Politik finde ich diese nicht.
Ich hatte mir als Kind immer einen rauchigen Salon vorgestellt, eine Art Klubhaus für Kultur mit dicken Sesseln. Heute reden wir zwar dauernd darüber, dass wir sowas gerne machen würden, aber die Zeit hat niemand mehr, um es umzusetzen. Die KultursekretärInnen und Kulturämter haben sich von den Kulturschaffenden entfernt, verweigern den Denkdialog und verschanzen sich hinter vermeintlichen Gesetzen. Man muss sie regelrecht an die Öffentlichkeit prügeln – und wenn sie dann was sagen, ist es meistens nicht ganz so durchdacht. Doch bei den KünstlerInnen und auf der institutionellen Ebene fehlt der Dialog-Geist ebenso. Man hat genug eigene Probleme zu lösen. So kann aber kein funktionierendes Team zustande kommen – das reicht nicht mal für einen Trostpreis.
Foto: zVg.
ensuite, Juni 2013