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EDITORIAL Nr. 134: «Demokratisierung der Kultur»

Von Lukas Vogel­sang – In den let­zten Wochen ging es in Bern über­raschend nervös zu und her. Sie erin­nern sich an die Ankündi­gung der öffentlichen Bern­er Kul­turkon­ferenz und das interne Kul­tur­hear­ing der Stadt Bern? Bei­de Events arbeit­en in die Rich­tung eines neuen Kul­turkonzeptes für die Stadt. Die Annahme aber, dass dies nur ein städtepoli­tis­ches The­ma sei, ist falsch. Ger­ade in Bezug auf die neuen Konzepte und deren Umset­zung von Kan­ton und Stadt Bern, dem neuen Geflecht und der Abhängigkeit­en der Regio­nen, erhal­ten diese Ver­anstal­tun­gen und Gespräche neue Dimen­sio­nen.

Kul­tur geht uns alle an – wir sind alle einge­bun­den, ob wir wollen oder nicht. Kul­tur ist unser All­t­ag, unser gemein­sames Zusam­men­leben und was wir zusam­men daraus erschaf­fen. Wir haben natür­lich immer die Wahl: Mit­gestal­ten oder gestal­tet wer­den. Es ist ver­ständlich, dass wir nicht immer gle­ich viel Kraft in die Mit­gestal­tung leg­en kön­nen oder aber, dass unsere Leben in unter­schiedlichen Abschnit­ten andere Bedürfnisse bein­hal­ten. Aber die Kul­tur bleibt – und damit auch wir als Teil davon. Man kann ein­steigen und umsteigen – aussteigen geht nicht.

Auf der Strasse wurde ich ange­fragt, wo man heute Kün­st­lerIn­nen und generell Kul­turschaf­fende find­en könne. Wo sind die Szenen, wo die Tre­ff­punk­te. Wo find­en die öffentlichen Dialoge und Auseinan­der­set­zun­gen statt? An Ver­anstal­tun­gen ist oft keine Zeit für diese Gespräche, sehr sel­ten ist auch, dass die Organ­isatoren oder Kün­st­lerIn­nen sich im Anschluss noch unter das Pub­likum mis­chen. An Vernissagen in Gale­rien und Museen oder Pre­mieren­vorstel­lun­gen noch am ehesten – doch da sind tief­gründi­ge Gespräche oft­mals kaum möglich.

Wie kön­nen wir als vielle­icht nicht expliz­it Kul­turschaf­fende trotz­dem an der Kul­tur mit­gestal­ten? Wie, wo und mit wem kön­nen wir unsere Ideen, Erken­nt­nisse aus­tauschen? Wo kön­nen wir unser­er Unzufrieden­heit Aus­druck ver­lei­hen, wo unsere Zufrieden­heit kund­tun?

Die Def­i­n­i­tion «Demokratisierung der Kul­tur» hat für mich eine inter­es­sante Bedeu­tung erhal­ten. Selb­st als Ver­leger und Chefredak­teur dieses Kul­tur­magazins spüre ich, wie wichtig es wird, nicht expliz­it für die «Kul­turszenen» zu arbeit­en, son­dern für all die anderen. Kul­tur ist immer im Wan­del mit der Zeit, und eben­so verän­dern sich die Szenen. Wer nur auf eine Szene fokussiert, und nehmen wir doch die Kul­turszene als solche, wird früher oder später, ana­log den rück­läu­fi­gen Besucherzahlen, der Leere gegenüber­ste­hen. Der Aus­tausch, die Auseinan­der­set­zung muss immer und täglich neu aus­gelotet wer­den. Es reicht nicht, ein «polemis­ches The­ma» in die Runde zu wer­fen – so wie viele Medi­en momen­tan ihre Zeitun­gen führen –, und auf diesen «Peaks» zu sur­fen. Wir müssen viel weit­er zurück und die Men­schen abholen, welche bere­its das Ver­trauen ver­loren haben, nicht mehr oder noch nicht inte­gri­ert sind. Das ist ja auch, was an uns Schweiz­erIn­nen immer wieder kri­tisiert wird: Es ist schwierig, den Anschluss an die Gesellschaft zu find­en. Dieses Faz­it über unsere Gesellschaft sollte zu denken geben. Das ist ganz offen­sichtlich ein kul­turelles Prob­lem.
Die «Demokratisierung der Kul­tur» ist deswe­gen ein­er der wichtig­sten Punk­te auf der Agen

da der näch­sten Jahre. Wenn Kul­turin­sti­tu­tio­nen über­leben und wir nicht nur für Schaukästen pro­duzieren wollen, dann müssen wir die bish­erige Vorge­hensweise bei den Kul­turkonzepten unbe­d­ingt neu über­denken. Wo ste­hen wir in 10 Jahren? Wie wird sich die Gesellschaft bis in 10 Jahren verän­dern? Ohne nähere Auseinan­der­set­zung mit der Gesellschaft reduziert sich unsere «Kul­tur» zu einem leeren Objekt.

Kul­turschaf­fende neigen heute zur Überzeu­gung, den Wohl­stand als gegebe­nen Zus­tand zu definieren, und fordern Geld. Das Pub­likum wiederum will gratis unter­hal­ten wer­den, will hochste­hen­des in ver­ständlichen und gefäl­li­gen Häp­pchen kon­sum­ieren. Die Poli­tik will Leucht­türme zum Spottpreis, und gle­ichzeit­ig sind die Kul­tur- und Kun­st­märk­te Investi­tions- und Anlagegeschäfte, wo Ren­diten teils die BankerIn­nen ble­ich wer­den lassen. Der Touris­mus möchte auch noch irgend­was, und die Wirtschaft weiss nicht mehr, was sie will. Doch in der Kul­tur kann wed­er gefordert noch stan­dar­d­isiert wer­den. Kul­tur formt sich aus der Gesellschaft – Kul­turschaf­fende sind eigentlich nur Ver­mit­tler der Kul­tur, aber sie erfind­en sie nicht. Das heisst: Spiegel der Gesellschaft. Und dieser Spiegel scheint zu erblind­en.

Ich bin überzeugt, dass wir solche Fra­gen nicht ein­fach ste­hen lassen soll­ten. Das sind die Grund­la­gen, welche für ein Kul­turkonzept gel­ten und auf die wir auf­bauen müssen. Zusam­men, nachvol­lziehbar und in Fre­und­schaft.

Am 6. März 2014 fand die 1. Bern­er Kul­turkon­ferenz im PROGR, Bern statt
www.kulturkonferenz.ch

 


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 134, Feb­ru­ar 2014

 

Artikel online veröffentlicht: 1. Februar 2014 – aktualisiert am 26. März 2024