Von Lukas Vogelsang – Noch ist erst der Prozess gestartet und ein Anfang gemacht – viel Arbeit wird folgen. Man kann jetzt aber schon sagen, dass die 1. Berner Kulturkonferenz ein voller Erfolg war. Die überraschend vielen TeilnehmerInnen und die vielen Fachgruppenanmeldungen geben guten Grund zur Annahme, dass wir eine Gemeinschaft zusammentrommeln, die nicht nur über Kultur reden will, sondern auch aktiv mitzugestalten gedenkt. Sehr überraschend ist das Interesse vom Rest der Schweiz. So hat die Kulturkonferenz weit mehr «TeilnehmerInnen», als wir uns je erdacht haben.
Was unterscheidet die Berner Kulturkonferenz von den bisherigen Kultur-Diskussionen? Der Vorwurf, dass die vielen Gespräche und Roundtables wenig bewegt haben stimmt: Viele Anläufe verlaufen im Sand. Dies vor allem, weil ein Plan nie weiter als bis zu den Gesprächen gedacht wurde. Die Umsetzung und das Ziel waren selten das Konzept. Durch einfache Einsicht bewegt sich die Welt aber kaum. Es braucht Handlungen.
Einige kritische Stimmen meinen, dass die Kulturschaffenden nicht «Realpolitik» betreiben sollen: das Kulturkonzept sei Aufgabe von den PolitikerInnen. Diese KritikerInnen gehen davon aus, dass PolitikerInnen selber Konzepte schreiben. Doch die bestimmen nur, ob ein solches geschrieben wird. Die Politik entscheidet, sie kreiert selten etwas. Einen solchen kreativen Auftrag vergibt sie den zuständigen Abteilungen oder Ämtern, und diese wiederum erschaffen nach eigenen Interpretationen und Willen ein Papier, welches, wieder zurück in den politischen Gremien, bewilligt werden muss. Und genau das ist die Ohnmacht in der sonst erfreulichen Mitsprache-Demokratie: Vom Bedürfnis zur Entscheidung bis zur Umsetzung vergehen Jahre, und viele Köche mischen in der politischen Küche mit – noch ganz anderen Bedürfnissen folgend, die mit der Sache oft gar nichts zu tun haben.
Was ich damit sagen will: Auch wenn eine Kulturabteilung ein Konzept erstellt, so muss dieses erst politisch «bewilligt» und abgesegnet werden. Ein geschriebenes Konzept ist also noch nicht fixiert. In einem Stadtparlament sind die kulturellen Interessen in den Prioritätsstufen nicht an oberster Stelle. Das heisst, ein «Ja» oder «Nein» hat hier viel mit parteilichen Gegendeals zu tun: Ich stimme der Kulturvorlage zu, wenn du deine Stimme für das Verkehrskonzept gibst, usw … Richtig spannend wird es also, wenn zwei Vorlagen vorhanden sind. Jetzt wird es politisch schwierig, denn jetzt muss die Stimme zum Inhalt verteilt werden – sonst könnte es parteilich gesehen dumme Folgen haben. Nur: Welches mit dem Konzeptauftrag beorderte Amt erstellt von sich aus zwei Vorlagen? Und wer will die Kosten auf sich nehmen, freiwillig ein zweites Konzept zu erschaffen?
In einer Demokratie finde ich es makaber, dass ausgerechnet Kulturschaffende fordern, dass man sie diktiert, also entmündigt, und ihnen Raum und Funktion in der Gesellschaft vorschreibt. In Bern, aber auch in Zürich, lassen sich viele einspannen. Die Forderungen der Kulturschaffenden an die öffentliche Hand sind nämlich fast ausschliesslich finanzieller Natur – eben nicht inhaltlicher. Doch die Politik ist keine Institution für die Lösung unserer Probleme. Wo sind denn die GesellschaftsdenkerInnen? Wir wären doch alle politisch aktiv: In einer Demokratie denkt und schlägt die Bevölkerung die Themen vor und wählt die VertreterInnen, welche unsere Anliegen mit den anderen MeinungsvertreterInnen diskutieren und als gemeingültige Regeln absegnen. Sicher: Mit den Händen in den parteilosen Hosentaschen, mit kurzsichtigem Stammtischgegröle ist nicht allzuviel anzurichten. Zumindest nicht glaubhaft, und schon gar nicht mit dem Backstein.
Das klingt hier alles ziemlich banal. Aber ich versichere Ihnen, liebe LeserInnen: Die Diskussionen, welche die Berner Kulturkonferenz ausgelöst hat, sind noch entfernt von einer Politik. Wir sind momentan bei den Forderungen nach Geld und der absurden Meinung, dass Geld für einen Kunstschaffenden das absolute Respektzeugnis darstellt. Und wenn wir über wirkliche Inhalte reden wollen, rennen die Leute weg, weil es zu politisch wird. Wirklicher Inhalt wäre, wenn wir «Kultur» im Zusammenhang zur Gesellschaft und weg von den Einzelinteressen und Institutionen gemeinsam für die nächsten 5 Jahre definieren könnten.
Nun, es besteht noch Hoffnung. Die Fachgruppengespräche der Berner Kulturkonferenz werden nicht einfach Forderungskataloge erschaffen. Unser geplantes Grobkonzept ist eine Wegbeschreibung von A nach B, mit einem Umsetzungskatalog. Wir beginnen also hier und orten erst unseren Standort, definieren von dieser Ausgangslage aus das Ziel (mit Blick auf das Jahr 2020) und suchen gemeinsam Lösungen, um dieses Ziel zu erreichen. Wir erstellen kein Budget – denn das ist die Arbeit von BuchhalterInnen. Aber wir können die Daten liefern, damit ein solches Budget bis 2019 (Dauer der nächsten Vertragsperiode) auch geplant und das öffentliche Geld sinnvoll eingesetzt werden kann.
Wir alle stehen da mitten drin. Einige sind an der Front aktiver als andere – aber es geht schlussendlich in unserer Gesellschaft immer um die gleichen Menschen: Uns alle. Und deswegen liebe ich die Demokratie.
Zum Foto von David Hamilton auf der Titelseite: Ich möchte dem Fotografen Remo Neuhaus ganz herzlich danken für die sehr spontane und freundliche Zusammenarbeit. Remo stellt seine Bilder zusammen mit David Hamilton in der Galerie Rigassi, Bern, (bis zum 24. April) aus.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 136, April 2014