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EDITORIAL Nr. 53

Von Lukas Vogel­sang – Ich darf zur Bern­er Kul­turszene nichts mehr sagen. Schliesslich erzählen böse Zun­gen herum, dass ich die Kul­tur «nicht liebe» und gegen die Ver­anstal­terIn­nen — oder eben «nicht auf ihrer Seite» bin. Über­haupt «has­se» ich die Kul­tur. Als ob ich mich fünf Jahre erfol­gre­ich mit ensuite — kul­tur­magazin abmühe, sozusagen aus Langeweile. Was für ein Blödsinn.

Kul­tur ist immer Poli­tik, hat immer mit Macht zu tun, weil wir aus unser­er kul­turellen Ansicht und Exis­tenz her­aus Entschei­de fällen. Kul­tur find­et dort statt, wo Men­schen ihre Exis­tenz definieren und Kul­tur ver­liert genau da ihren Wirkungskreis, wo die Käu­flichkeit ein­set­zt, also wo durch Geld­ver­sprechen eine Gemein­schaft eingekauft wird. Kul­tur MUSS und KANN nur sozial­isierend und men­schen­vere­inend sein — wenn dies nicht mehr zutrifft, gibt es an diesem Ort keine gesunde Gesellschaftsstruk­tur mehr. Ob diese Gemein­schaften durch klas­sis­che Musik, die Fas­nacht oder Par­ties erre­icht wer­den, ist soweit unwesentlich. Logisch, dass jed­er Ein­griff der öffentlichen Hand — auch durch die spon­sor­fi­nanzs­tarken Wirtschaftsmächte heute dieses Leben mit­definieren. Vor zehn Jahren war «kün­st­lerische Frei­heit» noch ein Begriff, heute ist das kaum noch ver­ständlich. Heute wollen Kul­turschaf­fende Lohn und die Ver­anstal­ter ein volles Haus. Die Tagesme­di­en druck­en polar­isierende Poli­tik­er, welche über Song­texte und Karika­turen bes­tim­men, oder sie druck­en «Z», ein Lifestylemagazin der «NZZ», welch­es uns sug­geriert, dass Kul­tur nur noch lux­u­riös­er Style ist. Kom­merzkul­tur und Spasskul­tur, Geld über alles, statt Kul­tur. Oder ist dies wirk­lich der Spiegel der Gesellschaft? Die Kul­turszene hält schweigend die hohle Hand hin. Die Zeit wird wieder kom­men, in welch­er wir «Frei­heit» in die Strassen rufen und die Men­schen ohn­mächtig umfall­en. Die Zeit wird kom­men, wo wir ver­suchen wer­den, unseren Kindern zu erk­lären, wer und was wir sind.

Meine Emo­tion­al­ität bezüglich Kul­tur zeigt, dass ich mich per­sön­lich betrof­fen füh­le und darin eben lebendig bin. Es lässt mich nicht kalt. Mein Unmut über gewisse Verän­derun­gen braucht Bewe­gungs­frei­heit und Diskus­sion. Die Gesellschaft ist mir nicht egal und das hat nichts mit Ide­al­isierung zu tun, wir mir oft vorge­wor­fen wird. Das ist meine Kul­tur.


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 53, Mai 2007

Artikel online veröffentlicht: 1. Mai 2007 – aktualisiert am 13. März 2024