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EDITORIAL Nr. 59 Bern

Von Lukas Vogel­sang – Pub­likum ist rar gewor­den. Viele Konz­erte und The­ater haben in den let­zten Monat­en in hal­bleeren Hallen stattge­fun­den. Die Ver­anstal­ter bekla­gen Pub­likums­man­gel. Ist es der frühe Win­tere­in­bruch oder das schlechte Wet­ter des Som­mers? Oder ist es ganz ein­fach, dass Bern viel zu viel Kul­tur auf so wenig Ein­wohn­er hat?

Ein Ver­gle­ich: Ca. 120 Kul­turbe­triebe sind in und um Bern, die für 120‘000 Ein­wohn­er her­hal­ten — also etwa eine Kul­turin­sti­tu­tion auf 1000 Per­so­n­en. Die Kern­stadt Zürich bietet eine sehr ähn­liche Anzahl Kul­turbe­triebe: ca. 150. Und diese Kul­tur­plätze teilen sich ein Pub­likum von 900‘000 Per­so­n­en — das entspricht einem Ver­hält­nis 1 : 6000. Das gibt zu denken. Eben­so ist erstaunlich, dass bish­er noch keine Stadt eine Liste mit allen Kul­turver­anstal­tern führt. Es wer­den immer nur jene anerkan­nt oder gese­hen, welche Sub­ven­tio­nen erhal­ten.

Anstatt die Pro­gramme auf High­lights zu fokussieren, haben die Bern­er Ver­anstal­terIn­nen das Gefühl, die Quan­tität erset­ze die Qual­ität. Zeit und Ort haben ihre Bedeu­tung ver­loren, ihre Begriffs­de­f­i­n­i­tion wurde durch «Masse» erset­zt. Ein biss­chen nach dem Mot­to: Wer mehr bellt, erhält den Knochen. Die Kul­tur­förderungsreg­u­la­toren dieser Stadt haben kein Instru­men­tar­i­um geschaf­fen, um die Qual­ität zu heben. In den Diskus­sio­nen hat man nur mehr Geld gefordert. Wozu? Um leere Hallen zu füt­tern? Seit Monat­en hat Bern keine kul­turellen High­lights mehr zu bieten, ich erin­nere mich noch schwach an ein Buskers-Fes­ti­val oder an all das, was ich ver­passt habe. Sind uns die Visio­nen aus­ge­gan­gen? Die einzige Insti­tu­tion, das Korn­haus, welche let­ztes Jahr das The­ma «zuviel Kul­tur?» ange­sprochen hat­te, wurde von der Abteilung Kul­turelles weggestrichen. Das ist die bern­sche Radikalant­wort.

Im gle­ichen Lied besin­gen die Kino­be­treiber das schlechte Kino­jahr, und bedenken nicht, dass die meis­ten Filme vor­bei sind, bevor die Kinobe­such­er erfahren haben, dass ein Film ange­laufen wäre… Schneller und mehr, gröss­er und wahnsin­niger wird alles. Die Medi­en schreiben schon gar keine Kri­tiken mehr. Warum auch? Das Pub­likum hat die Kri­tik gle­ich sel­ber vor­weggenom­men und bleibt der Kul­tur fern!


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 59 Bern, Novem­ber 2007

Artikel online veröffentlicht: 1. November 2007 – aktualisiert am 13. März 2024