Von Lukas Vogelsang – Publikum ist rar geworden. Viele Konzerte und Theater haben in den letzten Monaten in halbleeren Hallen stattgefunden. Die Veranstalter beklagen Publikumsmangel. Ist es der frühe Wintereinbruch oder das schlechte Wetter des Sommers? Oder ist es ganz einfach, dass Bern viel zu viel Kultur auf so wenig Einwohner hat?
Ein Vergleich: Ca. 120 Kulturbetriebe sind in und um Bern, die für 120‘000 Einwohner herhalten — also etwa eine Kulturinstitution auf 1000 Personen. Die Kernstadt Zürich bietet eine sehr ähnliche Anzahl Kulturbetriebe: ca. 150. Und diese Kulturplätze teilen sich ein Publikum von 900‘000 Personen — das entspricht einem Verhältnis 1 : 6000. Das gibt zu denken. Ebenso ist erstaunlich, dass bisher noch keine Stadt eine Liste mit allen Kulturveranstaltern führt. Es werden immer nur jene anerkannt oder gesehen, welche Subventionen erhalten.
Anstatt die Programme auf Highlights zu fokussieren, haben die Berner VeranstalterInnen das Gefühl, die Quantität ersetze die Qualität. Zeit und Ort haben ihre Bedeutung verloren, ihre Begriffsdefinition wurde durch «Masse» ersetzt. Ein bisschen nach dem Motto: Wer mehr bellt, erhält den Knochen. Die Kulturförderungsregulatoren dieser Stadt haben kein Instrumentarium geschaffen, um die Qualität zu heben. In den Diskussionen hat man nur mehr Geld gefordert. Wozu? Um leere Hallen zu füttern? Seit Monaten hat Bern keine kulturellen Highlights mehr zu bieten, ich erinnere mich noch schwach an ein Buskers-Festival oder an all das, was ich verpasst habe. Sind uns die Visionen ausgegangen? Die einzige Institution, das Kornhaus, welche letztes Jahr das Thema «zuviel Kultur?» angesprochen hatte, wurde von der Abteilung Kulturelles weggestrichen. Das ist die bernsche Radikalantwort.
Im gleichen Lied besingen die Kinobetreiber das schlechte Kinojahr, und bedenken nicht, dass die meisten Filme vorbei sind, bevor die Kinobesucher erfahren haben, dass ein Film angelaufen wäre… Schneller und mehr, grösser und wahnsinniger wird alles. Die Medien schreiben schon gar keine Kritiken mehr. Warum auch? Das Publikum hat die Kritik gleich selber vorweggenommen und bleibt der Kultur fern!
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 59 Bern, November 2007