Von Lukas Vogelsang – Von wegen «besinnliche Zeit»: Zürich scheint im Dezember, im Gegensatz zu Bern, ein wirrer Whirlpool zu sein, die Zeit bereits ausverkauft und lichterloh brennende Tannenbäume überall. Alles rennt, keine Zeit. Fragen werden nicht mehr beantwortet — das Morgen scheint nicht zu existieren. Weihnachten, welch eine Illusion. Dabei beginnt die Besinnlichkeit erst im Januar, wenn wir nach der sozialen Abrechnung unter dem Tannenbaum feststellen, dass wir im Leben nicht da gelandet sind, wo wir eigentlich hin wollten. Wir «jufeln» uns in das Weihnachtsfieber, dass vom Leben nichts übrig zu bleiben scheint. Und oben drauf verspricht der Spiegel an Silvester, dass wir nicht jünger werden deswegen landen wir im Januarloch. Dabei müssten wir gerade jetzt gestärkt und t in das neue Abenteuer ziehen können, wenn auch nur psychologisch. Doch mit dem Kopfweh von der betrunken gemachten Vergessensnacht und den dicken Ranzen noch vom Weihnachtsbraten oder Silvesterfondue ist das eh schwierig. Und ohne Veränderung wiederholt sich das Spiel jährlich, ohne dass wir uns dabei besser fühlen — höchstens dicker.
Wir haben die Möglichkeit, Veränderungen selber vorzunehmen. Da ist dieses wunderbare Glück, in der Schweiz zu leben. Hier hat’s genug Möglichkeiten und wir sind als Land klein genug, dass wir aus dem Trott ausbrechen dürfen, um mal was Neues zu probieren. Wir müssen nicht, wir dürfen — das ist ein grosser Unterschied zu anderen Ländern. Was natürlich nicht heisst, dass alles von alleine geht. Das Handwerk muss gelernt sein — genau da sind uns viele Türen offen. Doch nutzen und schätzen wir diese Situation? Haben wir noch Sinn für Raum und Zeit und dafür, was wir persönlich darin bedeuten? Das letzte Jahr war anstrengend wild und mit vielen politischen Überraschungen gespickt. In diesem Jahr wird sich wieder vieles ändern — vielleicht mal so, wie wir uns dies in unseren Kinderträumen vorgestellt haben. Warum nicht?
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 61 Zürich, Januar 2008