Von Lukas Vogelsang – Massenbesäufnisse erregen die Gemüter, dabei ist jedes Fest, von der Fasnacht übers Gurten- bis zum Buskers-Festival, im Ansatz ein Massenbesäufnis. Viele Kulturbetriebe von heute müssen sich auch mit diesem Vorwurf auseinandersetzen — da ist ein organisiertes Besäufnis wenigstens ehrlich, verkauft sich nicht unter dem Deckmantel Kultur und stellt diesbezüglich keinen Anspruch. Doch viele Kulturanlässe können sich nur mit einem Barbetrieb mitfinanzieren — dass da nicht nur Wasser über die Theke geht, ist klar und bedenklich zugleich.
Ich bin überhaupt kein Fest-Typ und darf als Party-Langweiler abgestempelt werden. Für mich gibt das alles einfach keinen Sinn: Zum einen kann ich mit Alkohol nicht viel anfangen, zum anderen finde ich es unheimlich langweilig, wenn jede Unterhaltung in Schreien endet oder im übersetzen, was die lallende Zunge des Gegenübers mir so lustig erklären will. Dass ich danach noch tagelang stinke wie eine schlechte Räucherwurst, das ist noch das kleinste Übel. Fressen und Saufen, vergessend lustig sein auf Kommando — für mich ein Gräuel. Ich versuche nach vielen Jahren noch immer herauszufinden, was Kultur und kultureller Tiefgang in unserer Gesellschaft von heute bedeuten könnte. Das Fest ist da keine Antwort.
Aber an ebenso einem Fest (mein Beruf bringt die Qual zwangsläufig mit sich) hat mir ein alter Bekannter in einer Diskussion über Massensauferei einen wunderbaren Satz gesteckt: «Die Menschen haben aufgehört zu suchen.» Eine einfaches und schönes Statement für das Zeitgeschehen und den gesellschaftlichen Zustand nicht neu, aber auf den Punkt gebracht. Jetzt im September beginnt die Kultursaison auf ein Neues und die Programme werden vorgestellt. Ob sie uns zu neuen Fragen führen werden? Werden wir in den nächsten zehn Monaten gesellschaftlich weiterkommen — oder endet alles nur mit einem Blick auf ein leeres Glas in unserer Hand?
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 69 Bern, September 2008