Von Lukas Vogelsang – Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Kulturförderungs-EntscheiderInnen keine Ahnung von Kulturellem und Kunst haben. Sicher, Kulturförderung ist eine Verwaltungstätigkeit – die Verantwortlichen haben oftmals einen BeraterInnenstab und sind selber selten an Veranstaltungen anzutreffen. Doch irgendwelche Fachkenntnisse sind trotzdem nötig. Konkrete Ausbildungen im Kulturbereich sind aber rar – mal abgesehen von den tausenden von umgeschulten Kulturschaffenden, die jetzt den Berufstitel «KulturmanagerIn» tragen. Buchhaltung, Marketing, Kulturgeschichte oder ganz einfach ein «vertieftes Interesse an der Sache» kann man nicht in einem Kurs lernen. Wer in einem Kulturbetrieb arbeitet, hat aber nicht unbedingt eine Kaufmännische Ausbildung absolviert. Kulturmarketing oder Büroorganisation werden oft sehr spät und ohne vorangehende Erfahrung angelernt. Das Geld für professionelles Administrationspersonal ist in einem Kulturbetrieb selten. «Learning by doing» ist an der Tagesordnung. Entsprechend kommt es immer wieder vor, dass die öffentlichen Kulturförderer über Konzepte entscheiden müssen, die über ihre fachlichen Kompetenzen gehen, und schlussendlich einen reinen Bauch- oder Willensentscheid darstellen. Also ohne politischer oder sonst messbarer Logik gelten müssen.
Dies wiederum führt zu obskuren Zahlenschlachten. An einem Ort werden Millionen in die Kulturförderung investiert, mit dem Resultat, dass so geförderte Institutionen viele MitarbeiterInnen mit hohen Löhnen anstellen, aber künstlerisch kaum von sich reden machen. Man redet dann von «Arbeitsplatzbeschaffung» und «Wirtschaftsförderung». Andersrum: Künstler-Innen, die keine öffentliche Unterstützung erfahren, weil sie derer «nicht würdig sind», lösen sehr viel Echo in der ganzen Welt aus. Solche Vergleiche kann man endlos aneinanderreihen. Die Kunst zu messen ist ebenso unmöglich, wie die MitarbeiterInnen-Qualifikation in diesem Metier.
So werden leider auch Verwaltungsratsarbeiten ohne fachliche Grundlagen verteilt und angenommen – was entsprechend dubios wirkt, wenn dann Direktoren für eine Kulturinstitution von genau diesen eigentlich inkompetenten Gremien ausgewählt werden. Das Kulturwesen findet aber mehrheitlich in Vereinen statt. Die Schweiz ist ja selber eine Art Verein. Doch genau diese Vereinsarbeit wird nebenamtlich geführt, entsprechend sind die Kompetenzen vielerorts noch weniger vorhanden, und es mangelt an einem betriebswirtschaftlichen Konzept. Da nützt auch der nachträgliche «Kulturmanager»-Titel nichts. Für die Vereinsmitglieder und Vorstände ist diese Arbeit eine Art «Sozialdienst an der Gemeinschaft».
Eine gute Vereins- oder Verwaltungstätigkeit ist der Kultur dienlich, und unabdingbar, ich möchte das nicht minderwertig darstellen. Im Gegenteil, der positiven Beispiele sind sehr viele da – meistens allerdings die unbezahlten. Die Kulturförderung müsste diesem Umstand Rechnung tragen, nicht nur der Repräsentation einer Sache. Gleichzeitig wäre dieses Thema für die Wirtschaftsförderung wichtig – doch genau die winkt ab, wenn es um Kultur geht.
Wenn fachliche Unkenntnis vertuscht wird, entstehen oftmals nur grössere Bürokratie und hohe Kosten – für wenig Erfolg. Nun, was ist Erfolg in der Kulturförderung? Macht Kulturförderung glücklich? Ist geglückte Kulturförderung, wenn die Bevölkerung glücklich ist? Und worüber soll sie glücklich sein? Kann der Erfolg im Kulturbetrieb nur an der Quantität der Produktionen und an den Besucherzahlen gemessen werden? Wäre nicht auch wesentlich, ob die kulturelle Umtriebigkeit einer Stadt auch anderswo wahrgenommen wird? Und: Wie soll das geschehen? Wer ist für ein solch städtisches «Kulturmarketing» verantwortlich? Und ist nicht gerade die Umtriebigkeit einer Kulturförderstelle der Tod jeglicher kulturellen Lebendigkeit? So viele Fragen.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 94, Oktober 2010