Von Lukas Vogelsang – Am 10 Dezember titelte «Der Bund»: «Tschäppät will bei der Kultur ‚das Niveau halten‘» und man berichtete über die finanzielle Zukunft der Berner Kultur für die Jahre 2012 bis 2015. Das ist natürlich so falsch gesagt: Tschäppät will bei der Kultur ‚das finanzielle Niveau halten‘ – ein kleiner Unterschied. Mit kulturellem Inhalt hat ein Budgetplan nicht viel zu tun – ok, vielleicht stösst das Schweizer Kulturverständnis tatsächlich mit einem Budget bereits an seine Grenzen.
Auch ist es falsch von «Kultur» zu sprechen, wenn die Stadt vor allem versucht, die Veranstaltungsinstitutionen aufrecht zu erhalten. Diese bilden in dieser «Kultur» nur einen Teil – die wahre Verliererin ist aber die «freie Szene»: Alle Mehrkosten und neu beanspruchten Gelder werden zu Lasten der MusikerInnen, TänzerInnen, SchauspielerInnen, AutorInnen, und so weiter fallen. Wollte man nicht eben erst noch für diese Berufsgruppen bessere Lohnverhältnisse schaffen? Was ist mit der aktiven Nachwuchsförderung? Müssen wir in Zukunft alle BühnenkünstlerInnen importieren, damit unsere Institutionen noch fähig sind, ein interessantes Programm bieten zu können? Fakt ist, dass unsere «freie Szene» bereits jetzt schon sehr schwach organisiert ist. Während die VerantstalterInnen von Bern sich mit dem Verein «bekult» zusammengeschlossen haben, um politisch zu lobbieren, fehlt der «freien Szene» diese Kraft gänzlich.
Das Berner Stimmvolk wird im Mai 2011 über die fünf grossen Verträge der Kulturhäuser Historisches Museum, Zentrum Paul Klee, Kunstmuseum Bern, neu: Konzert Theater Bern (Stadttheater und BSO) und ebenfalls neu: die Dampfzentrale Bern abstimmen. Dabei geht es aber um viel mehr, als nur um Budgets: Ein JA zur Fusion Konzert Theater Bern hat unweigerlich auch eine Auswirkung auf die Sanierung des Stadttheaters, die notabene über 50 Millionen Franken kosten soll (ist nicht Bestandteil der Abstimmung). Man kann nicht JA zu dieser neuen Gesellschaft stimmen, und zu der Gebäudesanierung, welche später zu einer Abstimmung kommt, NEIN sagen.
Das Kunstmuseum und das Zentrum Paul Klee haben ein ähnliches, sich anbahnendes Problem. Momentan geht es beiden verhältnismässig gut. Noch sind sie nicht vereint, doch das Zentrum Paul Klee hat, nach dem Abgang von Direktor Juri Steiner, diesen schon gar nicht erst ersetzt – ein Zeichen, dass sich die Zusammenlegung anbahnt (oder aufgegleist ist). Das Kunstmuseum Bern will ebenfalls anbauen – eine neue Gesellschaft der beiden Museen würde dann so gesehen mehr kosten, als was man bisher zu zahlen hatte.
Die Dampfzentrale Bern wiederum wird, weil neu der Mietzins endlich im Subventionsvertrag mit einbezogen wurde, mit über 1.9 Millionen pro Jahr subventioniert. Vor das Stimmvolk muss dieser Vertrag, weil diese Subventionsverträge für vier Jahre gelten und damit die 7‑Millionengrenze überschritten wird – ab da muss das Volk entscheiden. Auch wenn die Miete schon vorher von der Stadt bezahlt wurde, sind die Finanzen erst jetzt klar ersichtlich, und es wird diesbezüglich sicher noch einige Diskussionen geben.
Nur das Historische Museum scheint zur Zeit einigermassen ruhig und der neue Vertrag scheint auf sicher zu sein – zu Recht. Da bei diesen grossen Verträgen auch die RKB Gemeinden (Regionalkonferenz Bern-Mittelland) beteiligt sind, wird es kompliziert. Ein NEIN hätte zur Folge, dass über die gesamten RKB-Verträge neu verhandelt werden müsste. Ein unerträglicher und sehr zweifelhafter Zustand.
Die Abstimmung im Mai ist gefährlich, weil Bern damit über eine kulturelle Zukunft abstimmt – ohne dabei wirklich ein Konzept vorweisen zu können. Die Abstimmung kommt vor einem neuen Kulturkonzept, welches die Makulatur vom Kultursekretärvorgänger Christoph Reichenau ersetzt. Dieses hätte ja gerade jetzt einen wertvollen Dienst erweisen sollen. Da es aber kein Konzept, sondern nur ein Budget ist, taugt es gar nichts. Und Veronica Schaller, die neue Berner Kultursekretärin, gibt immer wieder deutlich zu verstehen, dass sie eine Verwalterin und nicht für Visionen zuständig sei. Das kann – je nach Betrachtung – auch ganz korrekt sein. Sicher ist aber, dass damit keinem grösseren Plan, schon gar nicht einem demokratischen, gefolgt wird und wir also völlig frei sind, bei der Abstimmung auch NEIN zu stimmen. Bern muss unbedingt aus dieser Irrfahrt herausfinden. Aktion, Mut und Visionen sind jetzt gefragt, und dies wiederum verlangt ganz viel Hoffnung.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 97, Januar 2011