Von François Lilienfeld — Aufführungen von Schultheatertruppen und Schulchören sind allseits beliebt, vor allem, wenn es gegen das Schuljahresende zugeht. Dabei wird meist mit Enthusiasmus gearbeitet, und das Publikum, vornehmlich die Familien, sind entzückt. Die Leistungen zeugen von gutem Willen, oft wird auch eine beachtenswerte Qualität gezeigt. In seltenen Fällen jedoch erreichen solche Anlässe hohes, nahezu professionelles Niveau. So geschehen in La Chaux-de-Fonds im Juni 2013.
In beiden Fällen lag das Hauptverdienst bei Christophe Haug, einem gebürtigen Berner, der seit zehn Jahren in der Uhrenmetropole wohnt und als Musiklehrer und Theaterleiter (Sekundarstufe), sowie als Philosoph tätig ist; dabei kommen ihm seine menschlichen und künstlerischen Qualitäten sehr zugute.
Zunächst präsentierte er am 7. und 8. Juni im Rahmen eines Schultheaterkurses das Stück «La Forêt». Die Produktion hat mit der gleichnamigen Komödie von Ostrowskij nichts gemeinsam; der Text ist von Haug verfasst, er führte, zusammen mit Patricia Ceresa, auch Regie.
Die Entstehung des Stückes ist allerdings besonders originell: Der Verfasser schrieb den Text als Antwort auf Anregungen der Schüler(innen), die sich jeweils eine Person ausgedacht hatten, welche sie verkörpern wollten. Das Spektrum der Rollen ist sehr breit: Wir treffen einen Umweltschützer, einen Drogensüchtigen, einen Briefträger, einen Marxisten, einen Homosexuellen, eine Journalistin, eine Lehrerin, eine Tänzerin … und viele Andere. Da wir im Wald sind, dürfen natürlich auch Hänsel und Gretel sowie Rotkäppchen nicht fehlen. Diese Personen stellen sich vor, unterhalten sich oder streiten. Auch Tanz und Pantomime kommen zu ihrem Recht.
Die Fülle an Talenten, von der Spielleitung entdeckt und gefördert, ist umwerfend. Und der Rahmen – das wunderschöne «Théâtre Italien» –tat das Übrige, das zahlreiche Publikum zu verzaubern.
Keine zwei Wochen später, am 20. Juni, stand Christoph Haug in der «Salle de musique» als Dirigent vor seinem Schulchor (Collége Numa-Droz), der über hundert (!) Sängerinnen und Sänger zwischen 12 und 15 Jahren umfasst. Ein ganzes Jahr Arbeit steckte hinter diesem Programm. Dabei darf man nicht vergessen, dass jeder Herbst für solche Chöre einen Neuanfang bedeutet, weil die Erfahrendsten nach vier Jahren die Schule wechseln. Wieviel zusätzliche Anstrengung dies bedeutet, weiß jeder, der sich mit Schulmusik befasst.
Vom ersten Lied an war man von der absoluten Reinheit der Intonation und vom wunderschönen, aus sehr verschiedenen Stimmtypen zusammengewachsenen Timbre hingerissen. Auch die drei Jünglinge mit bereits gebrochenen Stimmen wurden integriert; einer sang sogar ein neapolitanisches Tenorsolo!
Es wurde in zehn Sprachen gesungen. Saint Saëns und Schumann standen ebenso auf dem Programm wie Leonard Bernstein und Bob Dylan. Auch das französische Chanson und das Volkslied waren vertreten.
Großen Anklang fanden zwei Kompositionen des Pianisten Stanislas Romanowski, der mit seinem vielseitigen Spiel den Chor vorzüglich unterstützte. Insbesondere gefiel seine Vertonung der Menschenrechtserklärung in einem Gemisch aus Französisch und einer von ihm erfundenen Sprache.
Einen Höhepunkt bot die Interpretation des Songs «Somewhere over the Rainbow». Dieses Lied, das so oft verkitscht wird, hörte man hier mit schlichter Emotionalität, und mit einem Trio dreier Solistinnen von berückender Stimmschönheit und imponierender musikalischer Intelligenz.
Das Konzert endete sehr emotionell: Die sich nach vier Jahren verabschiedenden Sängerinnen – plus ein Sänger – wurden mit Rosen bedankt. Die ausgiebig fließenden Tränen hinderten den Chor jedoch nicht, ein letztes Lied zum Besten zu geben!
Ein unvergesslicher Abend, der auch zu einer Begegnung zwischen den Kulturen geführt hat, die hoffentlich den Lebenslauf und die Ideale der Jugendlichen für immer prägen wird!
Foto: zVg.
ensuite, September 2013