Von Luca D‘Alessandro — Jeder kann mitmachen – nach diesem Prinzip gestaltet sich das traditionelle Afro-Pfingsten Festival, das nicht nur Musik aus Afrika zu bieten hat, sondern auch Künstler aus der breiten Weltmusikszene berücksichtigt. Dieses Jahr geht es in die 23. Runde mit einem Programm, das fast jedem Geschmack entgegenkommt, sei es Reggae, Latin oder rhythmenreiche Folklore. Und das schöne dabei ist: An den Workshops dürfen die Besucher gleich selbst Hand anlegen.
Für die einen ist das Pfingstwochenende biblisch heilig, für die anderen ein Symbol dafür, endlich den Sommer einläuten zu dürfen, zum Campieren zu fahren oder an einem Seeufer zu flanieren. Wo aber kein spektakuläres Naherholungsgebiet oder Gewässer in unmittelbarer Nähe liegt, sind Alternativen gefragt. Seit 1990 bietet die Stadt Winterthur eine valable Antwort auf dieses Bedürfnis, auch dieses Jahr: Am 23. Afro-Pfingsten Festival vom 23. bis 28. Mai wollen die Könige der Weltmusikszene ihre Shows abliefern. Die Besucher erwartet ein Mix aus traditioneller und moderner afrikanischer Musik, die von Reggae bis Latin reicht, um schliesslich in die Rhythmen Afrikas zu münden. Angesprochen ist, in den Worten von Präsident Daniel Bühler, «der Student und der Arbeiter, die Ärztin und der Verkäufer, Eltern und Kinder. Bei uns finden sich alle, die Interesse an Kulturen, Weltmusik und Reisen haben.»
Stichwort Reggae Reggae hat am Afro-Pfingsten eine grosse Bedeutung. Das zeigt das Line Up vom 25. Mai, welches als Headliner Jimmy Cliff vorsieht. Klammer auf: Cliff ist der Mann, der mit Songs wie «Reggae-Night» und «I Can See Clearly Now» riesige Erfolge feierte und jetzt, 2012, mit seiner neuen CD «Re Birth» aufwartet. Klammer zu. Weitere Acts aus der Sparte Reggae werden von Stephen Marley, Tiken Jah Fakoly, Rootz Underground und den Schweizern Phenomden and The Scrucialists geboten.
Für Latin Lover Wer mit Reggae nicht viel am Hut hat, kommt vielleicht mit Latin auf seine Kosten. Diesem Bedürfnis wird am 26. Mai Rechnung getragen. Verwiesen sei hier auf das kubanisch-malische Gemeinschaftsprojekt Afrocubism, welches die Vorgaben für einen der wohl berühmtesten Klubs der Welt lieferte, den Buena Vista Social Club. Tatsächlich wird man beim Hören dieses Sounds in die Zeiten von Ibrahim Ferrer, Omara Portuondo, Ruben Gonzales und Compay Segundo zurückversetzt. Eine spannende Show ist auch von der dreizehnköpfigen Gruppe Picason zu erwarten, die für einen modernen und anspruchsvollen kubanischen Stil einsteht. Für die abschliessende Portion Latin Machismo sorgt Fuego, ein Mann aus Venezuela, der den Reggaeton-Hype der letzten Jahre rechtzeitig erkannte und sich einen Platz in der Hall Of Fame der Reggaetonatiker sicherte.
Und schliesslich nach Afrika … Afrikanische Traditionen stehen am letzten Festivaltag im Mittelpunkt: Mit Cheikh Lô, zum Beispiel, dem Matador des kongolesischen Rumba, wie er von Papa Wemba her bekannt ist. Oder dem begnadeten Gitarristen und Sänger Daby Touré, der für seine Verschmelzung von afrikanischer und westlicher Musik bekannt ist. Grosses Highlight ist jedoch für die meisten Besucher die Sängerin Angélique Kidjo, die als Nachfolgerin von Miriam Makeba gesehen wird. Sie wird am Festivalabend abgelöst von einem anderen, sehr zentralen Exponenten der afrikanischen Musikkultur, von Mory Kante.
Workshops soweit das Auge reicht «Reggae meets Latin, Latin meets Africa» – unter diesem Motto könnte also Afro-Pfingsten stehen. Ein Stilmix, der zeigt, dass die Veranstalter in den letzten 23 Jahren den Schwerpunkt zwar nicht versetzt aber stark verbreitert haben. Daniel Bühler dazu: «Angefangen haben wir beim ersten Afro-Pfingsten Festival mit Workshops und einem kleinen Konzert, und ab der dritten Ausgabe kamen die Märkte dazu. Heute bietet das Festival auch Ausstellungen, Filmfest, Fairtrade-Stände, Brunch und eine Pfingstfeier.» Dabei steht das aktive Mitgestalten im Zentrum: Das Festival bietet den Besuchern die Möglichkeit, an Workshops zu den Themen Tanz, Perkussion, Gesang, Kochen und Schneidern teilzunehmen. Das Angebot ist dermassen ausgedehnt, dass im Vergleich dazu die Liste der Konzerte fast ein bisschen mägerlich daherkommt. In das Workshop-Angebot mischen sich denn auch moderne Tendenzen: Neben Salsa Basiskursen können auch Veranstaltungen zum neuen Trainingstanz Zumba besucht werden. Diese bieten einen markanten Kontrapunkt zu den traditionellen afrikanischen Tänzen, die es schon seit Beginn des Festivals gibt und welche erfahrungsgemäss auch dieses Jahr den grössten Publikumsmagneten darstellen werden.
Ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit Ein Ziel von Afro-Pfingsten und in besonderem Masse jenes der Workshops ist die Begegnung mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit. Dazu Daniel Bühler: «Ich denke, dass Fremdenfeindlichkeit immer auch mit Angst zu tun hat und eben nicht mit Verständnis, denn wäre Verständnis da, hätte man auch Respekt, denn man würde die Hintergründe kennen und akzeptieren. Insofern ist es uns auch wichtig, dass wir mit einem informierenden Schultag und mit Workshops für Kinder dieses Verständnis schon bei den jungen Menschen fördern.» Bühler will also mit seinem Event neben der musikalischen Unterhaltung Platz bieten für den Austausch zwischen den Kulturen. Und dass der Event, den es inzwischen seit 23 Jahren gibt, Jahr für Jahr immer mehr Anklang findet, hat mitunter damit zu tun, dass ein Austausch dieser Art nach wie vor sehr gefragt ist – und sicher auch notwendig.
Afro-Pfingsten Festival:
23. – 28. Mai, Winterthur
Info: www.afro-pfingsten.ch
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2012