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Ein Plädoyer für Emma

Von Lukas Vogel­sang - Mann kriegt schon nicht alle Tage eine «Emma» in die Hände. Mann muss sich darum schw­er bemühen. Anders als die Frauen­zeitschrift «Annabelle» — die kann auch Mann über­all haben. Oder umgekehrt. Aber die «Emma» hat es mir ange­tan und mich überzeugt. Was früher noch ein Kampf­blatt ein­er fem­i­nis­tis­chen Radikalbe­we­gung war, ist zu ein­er gelun­genen, sehr gut pro­duzierten, aber auch über­raschend viel­stim­mi­gen Frauen­zeitschrift gewor­den — und das meine ich über­haupt nicht abw­er­tend. «Emma» hat die Schlacht gewon­nen und dies nach­haltig prä­gend.

Überzeugt hat mich «Emma» vor allem damit, dass ihre Radikalität eine Entwick­lung mit­gemacht und jet­zt im Jahr 2007 ange­langt ist. Mit Bewusst­sein. Andere Rev­o­lu­tionärIn­nen haben diese Türe teils ver­passt. Nicht, dass ich meinen würde, dass diese Rev­o­lu­tion der Frau nicht nötig gewe­sen wäre. Im Gegen­teil, und dazu hat «Emma» einen wesentlichen Teil der fem­i­nis­tis­chen Geschichte mit­geschrieben. Die Sit­u­a­tion heute ist eine andere und es ist doch inter­es­sant, festzustellen, dass die Vision des radikalen Fem­i­nis­mus — und ich zäh­le mich über­haupt nicht zu den Ken­nern — sich spür­bar (eben auch für Män­ner wie mich) verän­dert hat. Die emanzip­ierte Frau hat ein Ziel erre­icht, ist an einem Punkt angekom­men und ste­ht hier mit bei­den Füssen auf dem Boden. «Emma» hat das ver­standen.

Anders ist da «Annabelle», welche noch immer den Kar­ri­ereknick der Frau mit Schlagzeilen wie «sel­ber schuld» oder lasziv­en Foto­mod­els die weib­liche Leser­schaft zu ködern ver­sucht. Sich­er, die meinen es auch gut und wollen das Selb­st­be­wusst­sein der Frau stärken, und logisch, dass die Frau ihren Teil zu ihrer gesellschaftlichen Sit­u­a­tion und Stel­lung beiträgt. Doch der Blick von «Annabelle» ist immer noch auf «sei-du-geil-Frau» und holpert in der ersten Klasse durch die Mode­bou­tiquen und die Welt der weib­lichen Illu­sio­nen. «Gefalle dem Mann», lautet die Botschaft und ist damit wirk­lich von gestern.

Denn dieses Ver­hal­ten züchtet weit­er­hin Blau-Hemd-Män­ner, mit den stil­losen Anzü­gen, Mate­ri­al­is­ten und Gad­getis­ten, welche sich über ihren Besitz mehr definieren, als über ihr Wesen und ziem­lich aus­sicht­s­los das «Ich-weiss-nicht-was-anfangen-mit-einer-Frau»-Leben zele­bri­eren. Män­ner, die wed­er erwach­sen noch kreativ in der Welt ste­hen und sich von der Horde von Lang­weil­ern führen lassen — ohne je sel­ber «sich» zu wer­den. Jene Män­ner eben, die täglich in Massen gegen eine Mauer laufen und nichts von der Emanzi­pa­tion der Frau oder der möglichen Entwick­lung der Män­ner mit­bekom­men haben. Sie ste­hen auch im Beruf an den falschen Posi­tio­nen und stützen sich gegen­seit­ig in der Unfähigkeit, die Gesellschaft zu einem lebenswerten und intel­li­gen­ten Gefüge zu meis­tern. Sie zele­bri­eren den Geschlechterkampf ziem­lich ein­seit­ig — auch wenn einige «Eva Her­rmans» ver­suchen, die männliche Gun­st für sich zu gewin­nen. Zu Zeit­en der «Emma»-Revolution spiel­ten viele heute entschei­dende Män­ner noch in den Windeln und waren zu sehr mit ihrer Selb­stil­lu­sion beschäftigt. Die Welt kön­nte tat­säch­lich bess­er wer­den — doch dazu braucht es nicht nur starke Frauen, son­dern auch entsprechende Män­ner.

Rein mark­t­tech­nisch gese­hen (welch unsen­si­bler, männlich­er Aus­druck) macht also die «Annabelle» das Richtige. Der Schein der alten Macht­struk­turen verkauft sich immer noch gut, und in einem ist die «Annabelle» tat­säch­lich der Emma voraus: Es gibt eine «Annabelle» für Män­ner. Die Macherin­nen haben aber ihre Chance noch nicht ver­standen: Noch immer pauken die Redak­torin­nen, dass Män­ner klotzen und protzen sollen. Auf der Män­ner­aus­gabe strotzt Cather­ine Zeta-Jones mit viel Haut. Das Mot­to «Schön­heit, schlank und chic — erfreut des Gat­ten Blick» (Cäsar Kaiser) ist die Verkauf­sil­lu­sion. Die männlichen Inter­essen wer­den mit prunk­vollen Autos, High-Tech-Uten­silien und Uhren geködert, doch an der Geschlechtertren­nung wird weit­er­hin klis­chee­haft fest­ge­hal­ten. Das Inter­view mit Zeta­Jones ist erschreck­end (Zitat Zeta-Jones: «Ich mag meine Brüste. Sie sind so weich und zart und bequem zu kneten. Und das Toll­ste: Sie sind echt.»). «Annabelle»-Chefredaktorin, Lisa Feld­mann, fördert genau jenes Bild, welch­es die «Emma» danach wieder kor­rigieren muss. Welch banaler Unsinn — welch trau­riges Bild. Und Frau Feld­mann ist noch lange nicht die einzige Chefredak­torin dieser Kat­e­gorie.

Wann kommt also der «Emma»? Wann kommt die radikale Rev­o­lu­tion für die Män­ner, die «männliche Emanzi­pa­tion», ihre Entwick­lung sel­ber in Angriff zu nehmen? Wann ist der Mann wieder ein Mann? Es wäre längst fäl­lig.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, Okto­ber 2007