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Eine housegemachte Berner Mischung

Von Luca D‘Alessandro — Sie kom­men im Casu­al-Look daher, tra­gen einen Mehrwochen­bart und sind trotz ihres Erfol­gs beschei­den geblieben: Christoph Haller und Marc Hofwe­ber alias Round Table Knights haben geschafft, wovon viele DJs träu­men: Sie haben sich in der Elek­tron­ikszene einen Namen gemacht. Gebucht wer­den die bei­den Bern­er nicht nur in ihrem Heimatk­lub Bon­soir, son­dern weltweit, von Aus­tralien, über Shang­hai bis zu den Vere­inigten Staat­en. Soeben ist auf dem britis­chen Label Made To Play ihre Debüt-CD «Say What?!» erschienen. ensuite wollte mehr darüber wis­sen und hat die bei­den Her­ren in der Mark­thalle in Bern auf ein Inter­view getrof­fen.

Christoph Haller und Marc Hofwe­ber: Der Bon­soir Klub ist euer Zuhause. Ein glück­lich­es Zuhause, wenn man bedenkt, dass ihr da vom britis­chen Label­man­ag­er Jesse Rose für die Pro­duk­tion eures Debu­tal­bums abgeschleppt wur­det.

CH: Abgeschleppt, na ja…. Vor etwa einem Jahr hat­ten wir Jesse Rose in den Bon­soir Klub auf ein DJ-Set ein­ge­laden. Kurz bevor er an der Rei­he war, spiel­ten wir unseren Track Calyp­so. Er fuhr sofort darauf ab, wollte wis­sen, wie der Titel hiesse und von wem er sei. Als wir ihm sagten, es han­dle sich um eine Eigen­pro­duk­tion, liess er nicht mehr lock­er. Er musste den Titel ein­fach haben.

Es war also Zufall, dass er euch ent­deck­te?

CH: Sagen wir es so: Wir halfen dem Schick­sal ein wenig nach, indem wir den Track kurz vor der Über­gabe spiel­ten.

MH: Pro­fes­sionell wie wir sind hat­ten wir auch eine eigene CD in der Tasche, die wir Jesse in die Hand drück­ten.

Dieser Schick­sal­stag führte dann zur Zusam­me­nar­beit mit ihm.

CH: Das stimmt. Am Anfang bracht­en wir unsere EPs sel­ber her­aus. Wir küm­merten uns auch um den Ver­trieb. Später hat­ten wir einen Release auf einem Lon­don­er Label… Marc, wie hiess das nochmal?

MH: Dead­fish…

CH: Ja, genau. Mit diesem Schritt wur­den wir in der House-Szene erst­mals über die Lan­des­gren­zen hin­aus wahrgenom­men, was dazu führte, dass Jesse Rose über­haupt auf uns aufmerk­sam wurde.

Und nun seid ihr schon so etwas wie alte Bekan­nte.

CH: Dahin­ter ver­birgt sich eine lustige Geschichte. Nach dem Event mit Jesse im Bon­soir fuhr ich mit mein­er Fre­undin für ein paar Tage in die Berge. Ich ver­sprach ihr, das Handy auszuschal­ten und mich auss­chliesslich ihr zu wid­men. Zwei Tage später jedoch kon­nte ich nicht mehr wider­ste­hen: Ich musste meine SMS und E‑Mails check­en… Eh ja, du weisst ja nie, möglicher­weise ver­passt du die Nachricht deines Lebens… (lacht). Ich schal­tete also das Gerät heim­lich ein und stellte fest, dass Jesse über zwanzig Mal ver­sucht hat­te, mich zu erre­ichen. Ich rief ihn umge­hend zurück.

Und?

CH: Er sagte mir, er wolle eine CD mit uns machen.

Weiss deine Fre­undin inzwis­chen, dass du das Handy während der Ferien heim­lich eingeschal­tet hast? Wenn sie näm­lich das hier liest…

CH: (lacht) Kein Prob­lem, ich habe ihr alles gebe­ichtet. Darüber sind wir längst hin­weg. Übri­gens: Auch sie hat sich über die Nachricht von Jesse sehr gefreut.

Daraufhin ging es los mit der Pro­duk­tion des Albums. Ihr musstet sozusagen zehn neue Tracks aus dem Ärmel schüt­teln.

MH: Unsere erste EP Calyp­so gehörte auf jeden Fall auf die Hotlist. Schrit­tweise tasteten wir uns vor, sucht­en nach Ideen, hiel­ten sie fest, pro­duzierten, rev­i­dierten… «Cut The Top» mit dem Trash Blueser Rev­erend Beat-Man, zum Beispiel, ist uns beson­ders gut gelun­gen. Ein Stück, das übri­gens in den Klubs immer wieder gut ankommt.

CH: Wir set­zten bewusst auf Vielfalt, auf Tracks, die nicht ein­heitlich sind, son­dern unter­schiedliche Gen­res und Ein­drücke in sich vere­inen. Wir woll­ten also kein aus­tauschbares House Album pro­duzieren, son­dern eines, das klubun­ab­hängig – also auch Zuhause – gehört wer­den kann.

Wie habt ihr die Arbeit an eurem «ersten Baby» ins­ge­samt erlebt?

CH: Es war eine inten­sive Zeit: An den Woch­enen­den wech­sel­ten wir sprich­wörtlich von Bühne zu Stu­dio und umgekehrt. Zum Schlafen blieb uns wenig Zeit.

MH: Es war Nerv zehrend, das muss ich schon sagen.

Was verän­dert sich für euch mit diesem Debüt?

MH: Was unsere Per­for­mance ange­ht, wer­den wir sich­er weit­er­hin als DJs unter­wegs sein. Schliesslich haben wir uns damit auch einen Namen gemacht…

CH: …im Hin­terkopf haben wir ein paar ver­schwommene Ideen, wie wir unsere Live-Per­for­mance visuell aus­bauen kön­nten.

Die wären?

MH: Vielle­icht etwas in Rich­tung Live Band und Vocals… aber es sind wirk­lich nur Gedanken und keine konkreten Konzepte. Was wir auf keinen Fall wollen, ist das zu tun, was die meis­ten Kol­le­gen aus der Branche machen. Sie verkaufen sich als Live­act, auf der Bühne zück­en sie dann den Lap­top, schliessen ihn an und spie­len die Sam­ples von dort her ab. Im Grunde machen sie nichts anderes, als ein DJ-Set. Ich finde, das geht nicht. Falls wir uns eines Tages als Live­act anpreisen soll­ten, müsste unsere Per­for­mance auch etwas tau­gen – mit Effek­ten, Musik­ern, was auch immer… Diesen Anspruch haben wir.

Um «Say What?!» zu pro­duzieren, musstet ihr bere­its ein paar Musik­er auf­bi­eten. Mit ihnen eine Per­for­mance zu machen, gin­ge das nicht?
MH: Vielle­icht schon. Der Olt­ner Pro­duzent Ben­jamin Fay, zum Beispiel, war an der Pro­duk­tion des Albums beteiligt. Er würde sich­er auf die Bühne mitkom­men. Aber du musst wis­sen, die meis­ten Musik­er sind mit ihrer eige­nen Kar­riere beschäftigt. Da stellt sich die Frage, ob sie sich länger­fristig binden kön­nen.

CH: Ich finde, es wäre zum jet­zi­gen Zeit­punkt ein Fehlschuss, auf Live­act zu set­zen. Zunächst wollen wir das Album spie­len und nicht sofort auf Show machen.

Musik­er haben es nicht leicht. Die Gagen deck­en oft knapp die Spe­sen. Wie ist es bei euch?

CH: Seit zwei Jahren kön­nen wir von unser­er Arbeit leben.

MH: Am Anfang mussten wir uns durch­schla­gen. Aber jet­zt haben wir einen Sta­tus erre­icht, der es uns ermöglicht, auf sämtliche Neben­jobs verzicht­en zu kön­nen. Inter­es­sant ist, dass viele Leute glauben, wir wären reich.

Wie das?

MH: Wenn sie unsere Tour­dates sehen, bekom­men sie das Gefühl, wir wür­den über­all mit Gold über­häuft. Das stimmt nicht.

Hin­ter eurem Erfolg ver­birgt sich eine langjährige Auf­bauar­beit. Es gibt wenige Bern­er DJs und Musik­er, die den Schritt auf die Welt­bühne schaf­fen.

MH: Wir waren immer schon nach aussen aus­gerichtet. Viele Musik­er beschränken sich näm­lich in der Anfangsphase nur auf den Heim­markt. Wir hinge­gen ver­suchen stets, unsere Pro­duk­tio­nen auch im Aus­land abzuset­zen.

CH: Die Schweiz ist viel zu klein. Willst du Musik verkaufen, musst du hin­aus­ge­hen, näm­lich dor­thin, wo es eine Nach­frage gibt.

Wieso machen es andere Bern­er Musik­er nicht auch so?

MH: Was fragst du uns? Keine Ahnung…

Nun geht es also los mit eur­er «Say What?!» Tour. Zuerst seid ihr in der Schweiz unter­wegs.

CH: Ja, im Bon­soir Klub wer­den wir auf jeden Fall eine Release Par­ty machen. Weit­ere Gigs sind für Zürich, Basel und Genf geplant. Im April geht es dann wieder ein­mal nach Aus­tralien, wo wir in Perth, Mel­bourne, Syd­ney und Bris­bane auftreten.

Foto: zVg.
ensuite, März 2011

Artikel online veröffentlicht: 1. Januar 2019