Von Barbara Neugel — Kultur- und Informationsanlass zu Frauen- Mädchenbeschneidung: Beschneidung ist eine rituelle Operation, die zu Initiationsriten gehört und meist an Knaben im Alter der beginnenden Reife vorgenommen wird. Bei einigen Naturvölkern werden auch Mädchen beschnitten, in Afrika, Vorderasien, Indonesien, Australien, Ozeanien und vereinzelt in Amerika. Die Ursprünge sind nicht eindeutig feststellbar, vermutlich liegen sie aber mehrere tausend Jahre zurück. Im Laufe der Geschichte wurden die Beschneidungspraktiken bei Mädchen mit der Verehrung von Jungfräulichkeit und Keuschheit in Verbindung gebracht, die bis heute beispielsweise in afrikanischen und arabischen Kulturen vorherrscht. Jährlich werden zwei Millionen Fälle von weiblichen Genitalverstümmelungen – man nennt sie Female Genitale Mutiliation FGM – registriert. Da heute weltweit mehr kommuniziert und immer wieder auf Missstände aufmerksam gemacht wird, werden immer mehr Frauen mit dieser Tatsache konfrontiert. Das wiederum hat zur Folge, dass sich immer mehr Stimmen gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen und jungen Frauen erheben. Immer mehr Menschen wird bewusst, dass die weibliche Genitalbeschneidung die Betroffenen in ihrer Integrität verletzt. Sie verletzt das Recht der betroffenen Frauen auf Gesundheit, denn diese steht oftmals auf dem Spiel, wenn die Operationen unsachgemäss und unsauber durchgeführt werden. Sie verletzt das Recht der jungen Frauen auf körperliche und seelische Unversehrtheit und das Recht auf Selbstbestimmung. Die weibliche Genitalbeschneidung ist eine massive Verletzung der Menschenrechte.
Und diese Verletzung der Menschenrechte von jungen Frauen und Mädchen geschieht durch vermehrte Migration auch in Europa, auch in der Schweiz – vor der eigenen Haustür. In der Schweiz sind, gemäss den Angaben der Veranstalterinnen von walal und nach Schätzungen von UNICEF Schweiz, 6 000 bis 7 000 Mädchen und Frauen betroffen oder bedroht. Begründet wird die weibliche Genitalbeschneidung damit, dass es sich um eine Tradition handle. Diese Tradition ist im 21. Jahrhundert, im Zeitalter von hoch entwickelter Technik, hoch entwickelter Kommunikation und im Zeitalter der Menschenrechte nicht mehr nachvollziehbar.
Unter dem Titel «walal Schwester» findet in der Reitschule Bern vom 27. bis 29. November ein Kultur- und Informationsanlass zu Frauen- und Mädchenbeschneidung statt, der informieren und aufrütteln und eine Plattform bieten will für Begegnung und Dialog. Das Programm ist vielfältig und umfasst Eröffnungsapéro mit Musik, Kino, ein Konzert (siehe unten), die Ausstellung «Terre des Femmes» und eine Podiumsdiskussion zum Thema «Prävention von Mädchenbeschneidung und die Situation in der Schweiz», ein «Big Mama’s African Dinner», Palaver mit afrikanischen Frauen, eine Performance und einen Büchertisch.
Die Sängerin Sister Fa, die am Konzert zusammen mit Rapper Greis auftritt, stammt aus dem Senegal, wo bis vor zehn Jahren die weibliche Genitalverstümmelung erlaubt war. Sie selber ist Opfer. Sister Fa ist überzeugt davon, dass sie mit ihrer Musik, dem Rap im afrikanischen Hip-Hop-Stil, die Menschen auf das Thema aufmerksam machen kann. Musik ist ein Mittel, um viele Menschen mit einer Botschaft zu erreichen. «Doch in erster Linie ist der Rap da, um Ungerechtigkeiten zu enthüllen. Als Musikerin sehe ich mich als Botschafterin. Meine Aufgabe ist es, mit meinen Botschaften Menschen zu erreichen und sie zu verteidigen», sagt Sister Fa, und: «Eine wichtige Botschaft ist beispielsweise die Beschneidung der weiblichen Genitalien, die sogenannte Genitalverstümmelung. Ich bin selbst Opfer.» Bereits als Teenager hat Sister Fa vor acht Jahren ihre ersten selbst produzierten Demo-Tapes in den Strassen von Dakar in Umlauf gebracht. Heute ist sie die erste weibliche Rapperin aus Senegal, die international bekannt ist. Sie hatte einige Widerstände zu überwinden, bevor sie sich in der männlich dominierten Rapperszene einen festen Platz erobern konnte. Kommt dazu, dass es ein Tabubruch war, als erste Frau in Senegal zu diesem Thema die Stimme zu erheben, der viel Aufruhr ausgelöst hat. Ein solcher Tabubruch kann dazu führen, aus der eigenen Gemeinschaft beziehungsweise Familie ausgeschlossen und geächtet zu werden. Sister Fa geht dieses Risiko ein, um der Herabwürdigung der Frau in Senegal ein Ende zu setzen. Sister Fa lebt seit zwei Jahren in Berlin.
«Walal Schwester» unter anderem mit Sister Fa, findet in der Reitschule Bern vom 27.–29.11. statt.
Info: www.reitschule.ch, www.sisterfa.com
Bild: Sister Fa / Foto: zVg.
ensuite, November 2009