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«Ensuite» akzeptiert Bitcoins: «Viel gesünder als politisches Geld»

kleinreport.ch, Son­ntag 13. Mai 2018: «Es geht auch um neue Wert­de­f­i­n­i­tio­nen.»

Das Kul­tur­magazin «ensuite» ist eines der ersten Hefte, das Kryp­towährun­gen als Zahlungsmit­tel akzep­tiert. Doch es geht um mehr: Für Ver­leger Lukas Vogel­sang hat die Blockchain-Tech­nolo­gie das Zeug, neue Geschäftsmod­elle für die schlit­ternde Medi­en­branche auf den Weg zu brin­gen.

Im Gespräch mit dem Klein Report erk­lärt Vogel­sang, welche Chan­cen er in Bit­coins und Co. sieht.

Wer mit Kryp­towährun­gen arbeit­et, braucht ein Quäntchen tech­nis­chen Sachver­stand – nicht unbe­d­ingt die Kernkom­pe­tenz, die man dem Chefredak­tor eines Kul­tur­magazins zuschreiben würde. Seit wann beschäfti­gen Sie sich mit Infor­matik?
Lukas Vogel­sang
: «Mit elf Jahren habe ich ange­fan­gen, mich für Com­put­er zu inter­essieren. Mit 17 Jahren pro­gram­mierte ich einen ´guten‘ Virus, der auf dem Com­modore C64 auf der Flop­py selb­ständig nach ASCII-Zeichen­fol­gen suchte. Spielzeuge, aber damals sehr zeit­gemäss. Und das war vor 35 Jahren.»

Wie kam es, dass sich aus­gerech­net die Kul­turzeitschrift «ensuite» den Bit­coins als Zahlungsmit­tel öffnete?
Vogel­sang
: «Die Inter­w­erk GmbH, als Ver­lag von ´ensuite‘, ist ja im Kern eine Medi­en­pro­duk­tions­fir­ma und Kul­tur­con­sult­ing. Wir haben ein Labor für Entwick­lun­gen und exper­i­men­tieren mit allen möglichen neuen Ideen. Unter Medi­en­pro­duk­tio­nen läuft auch alles, was mit dem Inter­net zu tun hat: Web­seit­en, Shops, IoT-Lösun­gen und eben auch die Inte­gra­tion von Kryp­towährun­gen in die beste­hen­den Abläufe.»

Und seit wann ver­fol­gen Sie per­sön­lich die Kryp­toszene?
Vogel­sang: «Ver­tieft inter­essiere ich mich erst seit einem Jahr dafür. Zuvor dachte ich, wie so viele, das sei zu poli­tisch, und sah den Sinn dahin­ter nicht. Ein Fehler, finde ich heute. Mir gefällt diese Freak­stim­mung. Die Kryp­towährun­gen, eigentlich viel mehr die Blockchain-Tech­nolo­gie, wer­den einige Struk­turen verän­dern. Ich würde meinen zum Pos­i­tiv­en, sofern wir es erre­ichen, dass mächtige Reg­u­la­toren und Staat­en nicht falsch ein­greifen.»

Inwiefern ist «Kryp­to» oder «Blockchain» für «ensuite» als Kul­turzeitschrift inhaltlich-redak­tionell inter­es­sant?
Vogel­sang
: «Kul­tur und Kun­st wird immer in eine separi­erte Ecke gestellt. Doch ist Kul­tur weit mehr als nur kün­st­lerisches Schaf­fen. Es geht um das ´Miteinan­der‘ und das ´Wie-wir-miteinan­der‘. Das sind philosophis­che The­men. Kryp­towährun­gen bewe­gen sich irgend­wo zwis­chen Crowd­fund­ing, Spon­sor­ing und Unternehmens­fi­nanzierungsmod­ellen, allerd­ings eben auf ein­er ganz neuen Ebene, die den Besitzanspruch neu definiert. Das ist eben das Span­nende an dem The­ma: Es geht auch um neue Wert­ede­f­i­n­i­tio­nen.»

Bieten Kryp­towährun­gen also Alter­na­tiv­en angesichts des Abflusses der Wer­begelder, der den klas­sis­chen Medi­en zurzeit zu Schaf­fen macht?
Vogel­sang
: «Die Kryp­towährun­gen haben mich dazu motiviert, über die Zukun­ft und die Finanzierung von Medi­en nachzu­denken. Unter­dessen erar­beit­en wir bei der Inter­w­erk GmbH ein ´White Paper‘ für eine Pressewährung, welche einen Weg für eine freie Presse­fi­nanzierung aufzeigt. Das ist viel gesün­der, als poli­tis­ches Geld in die Medi­en zu investieren — so wie beispiel­sweise die Sub­ven­tio­nen für die SDA. Das alles ist jet­zt noch kaum umset­zbar, da die Blockchain-Tech­nolo­gie noch zu langsam ist. Es gibt bere­its ähn­liche Ansätze, doch mein Anspruch ist, dass wir glob­al bleiben und nicht region­al denken dabei.»

Der Bit­coin-Boom war eine Zeit lang dominieren­des The­ma in den Medi­en: Wie haben Sie den Hype erlebt?
Vogel­sang
: «Es war fürchter­lich, irri­tierend und gle­ichzeit­ig extrem lehrre­ich. Sehr schön waren die Kurs­ma­n­ip­u­la­tio­nen zu spüren, wie die Medi­en alle den Hype anführen woll­ten. Die Nachricht­en waren kreuz und quer daneben, über­stürzten sich und mit ihnen die Kurse. Doch die Hek­tik war vor allem bei den Speku­lanten und den Gold­gräbern anzutr­e­f­fen. Die tech­nis­che Seite war wesentlich ruhiger und auf ganz andere Dinge fokussiert. Es war ein regel­rechter Infor­ma­tion­skrieg: Die Reg­u­la­toren woll­ten die Kryp­towährun­gen schlechtre­den und ver­bi­eten – die Gegen­seite machte mit gewalti­gen Kurs­gewin­nen und Erfol­gsmeldun­gen Ram­bazam­ba. Blockchains brin­gen das tra­di­tionelle Finanzsys­tem durcheinan­der. Wer sich dage­gen stellt, wird fast sich­er zu den Ver­lier­ern gehören. Das ist, wie wenn man ein Drehscheiben­tele­fon behal­ten will – die Leitun­gen wur­den dig­i­tal­isiert und es wird jet­zt fast unmöglich, noch so ein altes Tele­fon zu betreiben.»

Aus welchen Grün­den haben Sie sich dazu entsch­ieden, bei «ensuite» die Kryp­tos als Zahlungsmit­tel zu akzep­tieren?
Vogel­sang
: «Nun, man ver­liert nichts, wenn man mit­macht, im Gegen­teil. Ich habe sehr rasch bemerkt, dass es kaum Tools gibt, die geprüft und ver­trauenswürdig angewen­det wer­den kön­nen. Also begin­nt man mit den Tests und prüft und lernt dabei eine Unmenge. Man muss sich das ja so vorstellen: Ich bin meine Post­fi­nance oder die Bank, mache also alles sel­ber, was vorher diese Insti­tu­tio­nen für mich gemacht haben. Meines Wis­sens ist ´ensuite‘ eine der ersten Zeitschriften über­haupt in der Schweiz, die Kryp­towährun­gen akzep­tieren. Es gab schon Ver­suche, aber die sind irgend­wie wieder ver­schwun­den.»

Ken­nen Sie auch Erfol­gs­geschicht­en?
Vogel­sang
: «Es gibt ein paar Glück­liche, die ganz von Anfang an mit den Kryp­towährun­gen dabei waren und jet­zt ein Ver­mö­gen beieinan­der haben. Wer für 20 Rap­pen mal Bit­coins gekauft hat, kann mit einem Bit­coin bei uns heute fast zwei Inser­ate­seit­en kaufen. Im Jan­u­ar waren es sog­ar fast vier. Das klingt absurd, ist aber eine neue Weltanord­nung, an die wir uns gewöh­nen kön­nen: Werte sind von einem ver­meintlich sta­tis­chen Zus­tand in einen flex­i­blen und dynamis­chen gewan­delt wor­den, noch viel mehr, als das eigentlich schon immer war.»

Wie sieht die Kryp­to-Infra­struk­tur von «ensuite» konkret aus?
Vogel­sang: «Die Lösung, die wir jet­zt bei ´ensuite‘ im Ein­satz haben, ist ein Pro­vi­so­ri­um. Ich wollte aber sofort starten und möglichst viele Währun­gen unter­schiedlich­er Herkun­ft ein­binden. Die rund 2000 gehan­del­ten Kryp­towährun­gen sind region­al ganz unter­schiedlich beliebt, darauf muss man einge­hen kön­nen.»

Kön­nen Sie ein Beispiel nen­nen, wo die Kryp­towährun­gen für «ensuite» einen konkreten Vorteil bieten?
Vogel­sang
: «Seit August 2017 sind wir mit ´ensuite‘ in Deutsch­land und Öster­re­ich aktiv. Wir mussten dafür die Euro-Abrech­nun­gen ermöglichen. Aber glück­lich bin ich über die beste­hen­den Lösun­gen nicht wirk­lich: Die Trans­fer­ge­bühren der Banken und Post sind eine Frech­heit und reine Abzocke. Und es ist auch idi­o­tisch, im EU-Raum ein Kon­to zu eröff­nen, nur damit die Kundin­nen und Kun­den beim Bezahlen nicht enorme Gebühren mit­bezahlen müssen.»

Sehen Sie auch Risiken in den Kryp­tos?
Vogel­sang
: «Par­al­lel­währun­gen sind eigentlich immer eine gute Sache und gesund für die Märk­te. Wir ken­nen ja diese Sys­teme wie ´Wir‘ oder die ´Reka-Schecks‘. Das sind im Grunde ganz ähn­liche Ideen, von den Währun­gen her betra­chtet. Ein Risiko sehe ich zurzeit nicht. Blockchain-Ver­fahren sind um einiges sicher­er, als einen Tankstel­len­shop zu betreiben oder ein­er Bank zu ver­trauen. Es gibt ein paar ein­fach Regeln und man ist in der Tat sel­ber für die Sicher­heit ver­ant­wortlich.»

Artikel online veröffentlicht: 13. Mai 2018