Von Lukas Vogelsang - Der Titel klingt im Österreichischen noch absurder: Amtswegigkeit. Das heisst, dass ich kraft eines Amtes Handlungen vornehmen kann. Mir kommt dabei auch «Dienst nach Vorschrift» in den Sinn – was allerdings, umgekehrt angedacht, das gleiche bedeutet: Hier sind in meinem Amt die Grenzen – die schöpfe ich aus (oder gehe eben nur bis dahin). Ich lenke den Blick jetzt aber nicht auf die öffentlichen Ämter, sondern auf die Kulturbetriebe.
Ich stelle mir schon länger die Fragen, warum Zürich in Sachen Kultur vergleichsweise wenig von sich hören macht. Mit einem gewaltigen Budget von rund 163 Millionen wird diese Stadt kulturell bespielt, aber das hört man nicht. Das Gleiche gilt für Genf (259 Millionen Franken / Zahlen Patrick Schellenbauer, Schweizer Monat 2014). Mir fehlt das Echo, welches dieses Geld hervorrufen sollte. Das liegt nicht daran, dass es falsch eingesetzt wird, aber es ist nicht sichtbar, was damit geschieht. Pro Jahr werden in der Schweiz 2.6 Milliarden Franken von der öffentlichen Hand in die Kultur investiert. Ist das Nachhaltig?
Das grosse Geld wird nicht an die KünstlerInnen ausbezahlt, sondern an grosse Institutionen, Häuser, Organisationen. Und es ist verständlich, dass zum Teil die Infrastruktur, die Gebäude, Logistik, Versicherungen, etc…, grosse Summen verschlingen. Eine Albert Anker-Sammlung ist versicherungstechnisch ein Alptraum, und die Werke lassen sich deswegen kaum ausstellen. Auch sind die Mieten nicht zu unterschätzen. Oftmals wird eine Institution mit einer grossen Summe subventioniert – doch wird das Geld gleich weiter an die oft öffentliche Liegenschaftsverwaltung ausbezahlt. Die Finanzierung des eigentlichen Programms und der MitarbeiterInnen ist dann kaum noch zu bewältigen. Diese Zahlen sagen also nichts aus. Und es ist auch nicht intelligent, unter solchen Bedingungen eine «Pro-Kopf-Ausgabe» zu berechnen. Die Frage, wie viel Personal es braucht, um ein Theater, einen Musikbetrieb, einen Kunst-Ort zu betreiben, ist ebenfalls kaum zu beantworten. Möchte man gerne, weil durch öffentliches Geld eine vermeintlich gewollte Steuerung nahe liegt, doch die gibt es auch in der Wirtschaft nicht; und wenn wir den Kulturbetrieb mit dem Gesundheitswesen vergleichen, sehen wir die selbe Endlosschlaufe.
Trotzdem bin ich immer noch der Meinung, dass wir auf dem Weg der letzten 40 Jahre der Kulturförderung ein Chaos angerichtet haben, welches uns mehr und mehr der kreativen Kultur beraubt, statt sie stark und ausstrahlend zu machen.
Das Hauptproblem sehe ich in der Vermischung der finanziellen Pflichten. Es gibt keine Richtlinien, die einheitlich über das Land eine Vergleichbarkeit oder Effizienzsteigerung ermöglichen. Durch öffentliches Geld mitfinanzierte Organisationen müssen meiner Ansicht nach zeitgemässere und professionellere Firmenstrukturen vorweisen, als sie es heute tun. Damit meine ich professionellere Personalführung, Arbeitstechniken, Betriebskonzepte, die auf marktwirtschaftlichen Überlegungen basieren. Wirkliche Innovation finden wir im Kulturbetrieb kaum. Mit marktwirtschaftlichen Überlegungen meine ich aber nicht kostendeckende Kulturbetriebe, sondern Arbeitstechniken, Organisationsformen – vor allem aber effizientere Kommunikation gegen aussen. Die Subventionen sind in den letzten 15 Jahren stetig angestiegen, kaum ein Betrieb arbeitet noch mit den gleichen Budgets, wie Anno dazumal. Durch dieses «Grundeinkommen» ist niemand mehr unter Druck und niemand mehr in der Pflicht. Die Politik hat Einrichtungen geschaffen, die wie Beamtenbetriebe funktionieren: An Feiertagen wird nicht mehr gearbeitet, und die Anstellungen sind gewerkschaftskonform. Das wäre eigentlich eine gute Entwicklung – allerdings erhalten ja eben gerade nicht die KünstlerInnen dieses Geld, sondern die Organisationen, die VerwalterInnen der Künste. Für die Kreation kann nicht mehr investiert werden – damit sie vielleicht grössere Schritte unternehmen könnte –, sondern die Kulturverwaltung wird aufgebauscht. Und eben nicht einmal von der öffentlichen Hand, sondern von der Kulturbranche selber. Das ist irgendwie grotesk.
Am 17. Februar wurde von Ringier verkündet, dass sie sie das Flaggschiff der Kunstmagazine, «Monopol», und das politische Kulturmagazin «Cicero» abstossen. Das waren einmal meine Vorbilder in der eitschriftenwelt. Zwar klingt die Pressemitteilung sehr positiv – sogar zu den angekündigten Entlassungen. Aber selbst dem Grossverlag Ringier ist es nicht gelungen, seit der Gründung von «Cicero» vor zwölf Jahren und der Übernahme von «Monopol» im Jahr 2006, diese Titel profitabel zu betreiben. Gemäss dem «Spiegel« erwirtschafteten die Zeitschriften jährlich je eine Million Defizit. Und warum? Beim «Monopol» unter anderem weil die Kulturbetriebe es nicht nötig haben, sich zu bewerben, um Publikum und Aufmerksamkeit zu buhlen. Selbst deren Fachmagazine gehen ein, da die Branche kein Geld in ihre eigene Publikumspresse investiert. Man investiert in sich selber, in die Löhne, und kauft Produktionen ein oder will selber künstlerisch tätig sein – doch das ist nicht nachhaltig und schreibt keine Geschichte. Die Besucherzahlen der VeranstalterInnen werden noch beschönigt, aber die gesellschaftliche Entfremdung der Kulturproduktion ist voll im Gang. Und die einzige Antwort aus der Kultur ist: Wir brauchen ein neues Kulturmagazin. Wir brauchen mehr Geld.
Entschieden: Nein.