Von Lukas Vogelsang — Er hat seinen Artikel in der letzten ensuite-Ausgabe nicht mehr lesen können. Im Juli 2021 kam Urs Huber Uri zu uns in die Redaktion und wollte eine Anzeige schalten. Es wäre an der Zeit, dass man ihn finde — ihn und seine Geschichten. Es folgte ein kurzer, aber intensiver Austausch, er suchte uns zweimal im Büro auf — Lukas Vogelsang besuchte Urs am 9. September 2021 am Burenweg 42 in Zürich und schrieb anschliessend einen Artikel für die Oktoberausgabe. Am 6. Oktober hörten wir durch Zufall, dass Urs am 28. September überraschend gestorben sei. Immerhin: Wir haben Urs und seine Geschichten noch gefunden, aber noch viel zu wenig verstanden. Er ist jetzt weitergereist. Ob ihn ein Ufo mitgenommen hat? Es wäre spannend zu wissen, was er jetzt weiss. Hier also eine Art Nachruf — der eigentlich keiner ist …
Zugegeben, wenn jemand von UFOs zu erzählen beginnt, lächle ich innerlich, finde die Idee abstrus, aber harmlos. Ich erinnere mich dann an meine Kindheit, als wir am Boden immer UFO-Spuren fanden – in unserer Quartierstrasse gab es fünf solche Abdrücke und die Ausserirdischen hatten sich in den Gärten dieser Häuser versteckt. Heute ist das eine lustige Vorstellung. Gleichzeitig ist mein Interesse immer wach, denn: Könnte ja wirklich mal sein, dass irgendwas … Sind wir allein im Universum? Und wie erklären wir all diese Phänomene, die uns bei den Mayas in Mexiko, Guatemala oder in Ägypten rätseln lassen? Aber vor allem interessiert mich jeweils, wie man auf solche Ideen kommt.
Und dann stand er einfach so da. Sein E‑Mail sendete er um drei Uhr in der Nacht, er komme am Morgen um 9 Uhr bei mir im Büro vorbei. Als ich das E‑Mail las, trank ich, noch etwas angeschlagen vom Vorabendprogramm, zu Hause meinen Frühstückkaffee. In aller Eile pilgerte ich also zu meinem noch unbekannten Gast ins Büro. Was für eine Begegnung. Urs Huber Uri, wie er sich nennt, ist nicht irgendein verwirrter Spinner, sondern ein Vollblutkünstler, wie man ihn nur noch sehr selten antrifft. Dahinter steckt allerdings mehr: Er studierte 27 Jahre lang die Sprache der Hopi-Indianer, lebte zum Teil mit und unter ihnen und schrieb ein Kunstwerk von einem Buch über seine Erkenntnisse von sagenhaften 925 Seiten – jede Seite bunt und individuell im Layout. Das Universum von Urs Huber Uri ist gewaltig, und egal, welche Theorien einem daraus gefallen und welche nicht: Es führt ein roter Faden durch alles hindurch, bringt uns einem grösseren Ganzen näher und stellt die Fragen so, dass wir ins Stottern geraten. Sein immerwährender Untertitel zu seinen Arbeiten heisst entsprechend auch schlicht: Urs Huber Uri erklärt fantastische Realitäten. Und wie fantastisch diese Welt ist!
Urs Huber Uri ist für mich vor allem eines: ein Künstler. Jede Begegnung, jedes Gespräch wird zu einem wunderlich farbigen Dialog über Dinge, die wir zuvor nicht annähernd wahrgenommen oder einfach vergessen haben. Er ist ein Mensch, der durch sein Wesen all die vielen verwunderlichen Dinge sichtbar macht, an denen wir täglich blind vorbeigehen. Da ist zum Beispiel schon nur der kleine Umstand, dass Urs Huber seinen rechten Arm in seiner Jugendzeit verloren hat – und seither alle seine Werke, seine Arbeiten mit einer Hand ausführt.
Geboren ist Urs Leo Eduard Huber am 11. August 1946 in Altdorf in Uri. Sein Grossvater, der Urner Arzt und Schriftsteller Eduard Renner, führte den kleinen Urs in die Geheimnisse der Bergler ein, in die Sagenwelten und in die Welt der guten und bösen Geister und der Kobolde. Eduard Renner hat das Buch «Goldener Ring über Uri» geschrieben, ein Werk über Mythen und Legenden im alpinen Raum. Nach seinen Ausbildungsjahren arbeitete Urs Huber Uri an verschiedenen Projekten wie Feriensiedlungen, Schulhäuser, Kindergärten, Sportanlagen und Altersheimen als bauleitender Architekt bis Ende 1976. 1977 gestaltete er mehrere Ruinen im Dorf Avengo (Tessin) um, worauf dieses im Jahr 1982 den Wakker-Preis erhielt. Anschliessend arbeitete Urs Huber Uri als freischaffender Künstler. Neben Bildern entstanden auch Skulpturen aus Eisen, Beton, Bronze und Aluminium. Als er 1983 auf dem Hauptbahnhofareal Zürich ein Haus renovieren konnte, vollendete er diese Arbeit mit einem farbigen Dach, welches die Bahnfahrenden ab da begrüsste. Bei diesem Projekt involvierte Urs Huber Uri einige Künstlerfreunde und daraus entstand 1984 die Gesellschaft «Pro werkende Künstler» in Zürich. Seine fantastischen Realitäten waren ab 1986 in verschiedenen Ecken von Amerika in Ausstellungen zu sehen, und im Jahr 1987 zeigte sie Urs Huber Uri anlässlich einer Ausstellung in Zürich zusammen mit Chagall, Dalí, Feininger, Klee, Hundertwasser, Picasso und Miró. 1988 präsentierte die Nationalgalerie Grand Palais in Paris in «Machines des Temps» eines seiner mobilen Wandbilder. 2009 erschien im Synergia-Verlag das über 4 Kilo schwere, oben genannte Buch «Im Namen der Hopi» an der Frankfurter Buchmesse.
«Es ist ein ungeheures Panoptikum an Wissen und Bildern mit genialen, gewagten und heiklen Betrachtungen, Reflexionen, Berechnungen und Theorien aus dem Universum und aus der Geschichte aus Tausenden von Jahren. ‘Im Namen der Hopi’ ist eine Art Überlieferungslexikon zur Seelen-Geschichte der Menschheit.» (Jean-Marc Seiler)
Man muss nicht den Anspruch haben, einen Künstler oder eine Künstlerin auf Anhieb zu verstehen. Die Bilder von Urs Huber Uri sind in seiner Sprache Symbolbriefe. Er sagt: «Kunst besteht in der Erinnerung an die Götter.» Für Aussenstehende braucht es Zeit, sich in dieses Universum einzuarbeiten. So sind seine Bilder mehr zum Lesen und nicht nur zum Betrachten gedacht – wobei mir persönlich das Betrachten wesentlich einfacher fällt. Aber ich habe auch keine Ahnung, wie die Hopi-Sprache aussieht, klingt, erinnere mich aber an die Maya-Symbole, mit denen ich genauso wenig anfangen kann. Faszinierend ist es aber allemal, und ich stelle mir die einfache Frage: Wie wichtig sind Theorien oder Wissen, wenn mich das Bild bewegt?
Urs Huber Uris Bilder sind bunt-fröhliche Bildinstallationen. Seine Kunst ist in der Tat nicht weit von Klee und Tinguely entfernt. Nach meinem Empfinden ist der Wissenshintergrund aber wesentlich tiefer, die Systematik in den Bildern eben eine Sprache und das Bild eigentlich ein Text. Diese Codes zu entziffern, scheint mir allerdings ein weiteres Kunstwerk zu sein – oder andersrum: So involviert Urs Huber Uri die BetrachterInnen automatisch in eine aktive Teilhabe einer Erzählung.
Die Sprache der Hopi, so wie Urs Huber Uri das in seinem 4‑kg-Werk beschriebt, ist älter als unser Sonnensystem. Wer sich das vorstellen kann, merkt, wie komplex diese Theorie ist. Wir kommen auf dem Weg zu Lichtenergie, Photonenmaterie und können durch diese Substanzen durch die Zeit hindurchsehen. Urs Huber Uri meint, dass es jetzt unbedingt an der Zeit sei, die Menschen wachzurütteln. Und damit hat er ja nicht unrecht, denn die momentane Überforderung des Menschseins zeigt sich an alle Ecken und Enden. Wer mit seiner Hopi-Theorie Mühe hat, kann sich gut mal vorstellen, wie das damals bei den Mayas oder den alten Völkern wohl geklungen haben mag. War das alles nur falsch? Damals lebten einige Völker länger als wir. Sind also unsere neuen Götter heute besser als die damaligen? Oder gar die gleichen?
Und Urs Huber Uri ist nicht allein mit dem Studium der alten Hopi-Sprache. Aber viele sind es nicht, die sich professionell mit diesen Schriftzeichen auseinandersetzen. Schlimm seien eigentlich nur jene, die meinten, Esoterik sei Mist, meint Urs. Esoterik sei die nach innen gerichtete Lehre – das könne so nicht wirklich falsch sein. Aber Urs Huber Uri ist egal, ob die Menschen seine Theorien glauben oder nicht. Auch ob seine Bilder verstanden werden, ist so weit egal. Er bietet seine Werke, sein Wissen an für jene, die es verstehen.
Wer Lust hat, in das Universum von Urs Huber Uri einzutreten, kann mal die Filmchen auf YouTube ansehen, die frei zugänglich sind. Oder aber man tritt in Kontakt mit Urs Huber Uri – ein Spaziergang am Abend zum Skulpturengarten könnte zu einer netten Überraschung werden.
Urs Huber Uri
Künstler und Architekt
www.urshuberuri.ch
YouTube: «Im Namen der Hopi»
Buch: Im Namen der Hopi
ISBN: 978–3‑939272–38‑0
www.synergia-auslieferung.de
Fotos: © Lukas Vogelsang am 9. September 2021 in Zürich.