Von Lukas Vogelsang — Als ich noch bei Radio Rabe Betriebsleiter war, beklagten wir uns bereits über den schlechten Tagesjournalismus der Printmedien. Das Phänomen ist also nicht neu. Allerdings wurde mir da zum ersten Mal auch Bewusst, was schlechter Journalismus ist: Abschreiben. Und da wir in der Redaktion die gleichen Faxe erhielten (Mails waren da noch nicht das einzige Kommunikationsmittel) konnten wir sehen, wer diese Texte in anderen Redaktionen einfach abschrieb. Damit entstand eine unseriös-seriös gemeinte Truppe, welche den Berufstitel «Journalistin oder Journalist» in «FaxnachrichtenumschreiberIn» umwandeln wollte. Selbstverständlich war das chancenlos.
Doch so unsinnig ist das ja auch wieder nicht. Wer in den Zeitungen rumblättert fragt sich irgendwann, wozu die verschiedenen Medienhäuser überhaupt noch Zeitungen mit verschiedenen Namen führen. Viele Nachrichten sind abgeschrieben, sei es von den durch die Zeitungen selber finanzierten Depeschenagenturen oder, noch intelligenter, von den Artikeln aus anderen Zeitungen. Aber das haben wir alles in den letzten elf Jahren schon durchgemeckert – neu ist hier jetzt gar nichts.
Neu sind allerdings die PR-Offensiven einiger Firmen im Online-Bereich. Da werden Filme angeboten, welche mit einem kurzen Feature der Redaktion auf den Webplattformen platziert werden sollen. Gegen Bezahlung natürlich. Diese kleinen Filmchen sind bei besserer Betrachtung nichts als PR-Filmchen – allerdings wird nirgends der Hinweis «Publireportage» oder «Werbung» platziert. Die LeserInnen glauben also, dass diese kleinen Geschichten echt sind. Immerhin wurde das von der «Redaktion des Vertrauens» als Nachricht verkauft. Diese Filmchen sehen wir auch auf Facebook oder anderen Portalen. Es ist Werbung, liebe LeserInnen, die uns knallhart intravenös in die Hirnwindungen gedrückt wird. Und je mehr wir mit diesen «Realitäten» gefüttert werden, umso schwammiger wird unser Wille, Grenzen in der Realität zu ziehen.
Für die Verlage ist das wohl ein lukratives Geschäft in einer Zeit, wo der Werbebanner täglich an Wert verliert und die Einnahmen sich in Luft aufzulösen scheinen. Mit diesen neuen Experimenten kann man etwas Geld verdienen und eben experimentieren. Es kommt den verantwortlichen Verlegern nicht in den Sinn, dass die Glaubwürdigkeit des eigenen Medienunternehmens damit untergraben wird und die LeserInnen nur zwei Möglichkeiten haben: 1. Die total unmündig gemachten LeserInnen wollen nur noch banale Gratisnachrichten lesen (mit dem Fazit, dass der Verlag Pleite geht), oder 2. Die restlichen einigermassen intelligenten LeserInnen werden verjagt (mit dem Fazit, dass der Verlag Pleite geht). Aber bleiben wird niemand. Hoffentlich auch die JournalistInnen nicht mehr. Die heissen dann nur noch MailnachrichtenumschreiberInnen.
Foto: zVg.
ensuite, Mai 2014