Von Dr. Regula Staempfli - Wolf Haas ist bekannt für seine Brenner-Romane: Krimis für Leute, die sonst keine Krimis lesen. Der begabte, sprachgewandte, wortspielende, sehr sympathische Schriftsteller aus Österreich hat ein neues Buch geschrieben: Junger Mann. Das Buch ist in jeder Hinsicht zauberhaft: Sprache, Geschichte, Imagination, alles, wirklich alles stimmt daran. Der dicke 13jährige Junge „verliebt sich um den Verstand“. Um die „Trostschokolade“, die er als letzter von drei Brüder in jedem Fall braucht, loszuwerden, verordnet er sich eine radikale Abmagerungskur. An der Tankstelle, wo er während der Sommerferien jobbt, wird er aufgrund seiner Fülligkeit „Fräulein“ genannt. Wolf Haas erzählt so authentisch, dass man nach dem Gespräch mit der sehr klugen Rose-Maria Gropp meint zu wissen: In dem grossen, sehr schlanken, eher schüchternen Mann mit verschmitztem Lächeln namens Wolf Haas verbirgt sich der dicke „Fräulein-Bueb“.
Es ist eine Novelle, die in einem Zug durchgelesen wird, einem völlig überrascht und verändert zurücklässt, echte Literatur eben. Haas ist ein Worfinder und der „Frauenträneumfaller“, das „Badezimmer-Kamasutra“, der schnuggelige Renault 5 erinnert die mittlere Generation der Babyboomer daran, dass Welt damals noch Raum liess, Worte zu erfinden statt sie wie heute, ständig bekämpfen zu müssen.
Ich habe mich an der Buchmesse zwar nicht um den Verstand verliebt, doch Wolf Haas wirklich arg verträumt angehimmelt. Dem Zustand identisch in dem ich „Junger Mann“ gelesen habe.
Wolf Haas, Junger Mann, 240 Seiten, Hoffmann und Campe 2018.