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#FBM18 — Junger Mann

Von Dr. Reg­u­la Staempfli - Wolf Haas ist bekan­nt für seine Bren­ner-Romane: Krim­is für Leute, die son­st keine Krim­is lesen. Der begabte, sprachge­wandte, wort­spie­lende, sehr sym­pa­this­che Schrift­steller aus Öster­re­ich hat ein neues Buch geschrieben: Junger Mann. Das Buch ist in jed­er Hin­sicht zauber­haft: Sprache, Geschichte, Imag­i­na­tion, alles, wirk­lich alles stimmt daran. Der dicke 13jährige Junge „ver­liebt sich um den Ver­stand“. Um die „Trostschoko­lade“, die er als let­zter von drei Brüder in jedem Fall braucht, loszuw­er­den, verord­net er sich eine radikale Abmagerungskur. An der Tankstelle, wo er während der Som­mer­fe­rien jobbt, wird er auf­grund sein­er Fül­ligkeit „Fräulein“ genan­nt. Wolf Haas erzählt so authen­tisch, dass man nach dem Gespräch mit der sehr klu­gen Rose-Maria Gropp meint zu wis­sen: In dem grossen, sehr schlanken, eher schüchter­nen Mann mit ver­schmitztem Lächeln namens Wolf Haas ver­birgt sich der dicke „Fräulein-Bueb“.

Es ist eine Nov­el­le, die in einem Zug durchge­le­sen wird, einem völ­lig über­rascht und verän­dert zurück­lässt, echte Lit­er­atur eben. Haas ist ein Worfind­er und der „Frauen­träneum­fall­er“, das „Badez­im­mer-Kama­su­tra“, der schnuggelige Renault 5 erin­nert die mit­tlere Gen­er­a­tion der Baby­boomer daran, dass Welt damals noch Raum liess, Worte zu erfind­en statt sie wie heute, ständig bekämpfen zu müssen.

Ich habe mich an der Buchmesse zwar nicht um den Ver­stand ver­liebt, doch Wolf Haas wirk­lich arg verträumt ange­him­melt. Dem Zus­tand iden­tisch in dem ich „Junger Mann“ gele­sen habe.

 

Wolf Haas, Junger Mann, 240 Seit­en, Hoff­mann und Campe 2018.

Artikel online veröffentlicht: 15. Oktober 2018