Von Heike Gerling — Das Erscheinen der aktuellen Ausgabe von ensuite wird wieder einmal von Feuerwerk begleitet: Dank unseres Nationalfeiertages, der nicht nur ein Tag der repräsentativen politischen Ansprachen, der rot-weissen Flaggen und grillierten Cervelats, sondern auch ein nationaler Tag der Feuerwerke ist. Wir haben das Privileg, die Explosionen und Detonationen sorgfältig ausgetüftelter Sprengsätze und pyrotechnischer Raffinessen zu erleben, die zu unserem Glück nicht kriegerischen, sondern ästhetischen Zwecken dienen: einer farbigen, ephemeren Malerei am abendlichen Sommerhimmel.
Während die aktuelle Ausgabe von ensuite gedruckt wird, wäre bereits ein Feuerwerk anderer Art zu geniessen – und zwar ein besonders bemerkenswertes: Vom 23. – 28. Juli findet in Nyon zum 38. Mal das Paléo-Festival statt; eines der grössten Schweizer Openair-Festivals, berühmt für die hohe Qualität des dort gebotenen Programms. Wie in den Jahren zuvor war das Festival auch dieses Mal wenige Minuten nach Beginn des Vorverkaufs bereits ausverkauft; allerdings gab es über eine vom Paléo geschickt lancierte Ticketbörse später die Möglichkeit, jenseits des Schwarzmarkts noch Tagestickets zu normalen Preisen zu ergattern.
Feuerwerke – «Feux d’Artifice» – werden am Paléo in Nyon vor allem mit musikalischen Mitteln gezündet – bis am Schluss des Festivals auch hier die Pyrotechnik zum friedlichen Einsatz kommt.
Auf fünf Konzertbühnen wird ein weites Spektrum musikalischer Möglichkeiten zu hören gewesen sein. Auf dem Programm stehen Musiker aus vielen verschiedenen Ländern Europas, und insbesondere aus Frankreich; einige kommen aus der Schweiz, es sind aber auch musikalische Gäste aus Kanada, den USA, Australien und Mali eingeladen. Man wird deutlich mehr Frankophones hören, als das an Festivals in der Deutschschweiz der Fall ist. Die vielen Facetten der westlichen Musik-Kultur, die durch Genre-Begriffe wie Rock, Reggae, Soul, Electro oder Hip Hop nur schematisch erfassbar sind, werden in Nyon aus einem für den deutschsprachigen Raum bemerkenswert anderen Blickwinkel genussvoll ausgelotet. Musikalische Legenden, aufsteigende Sterne und spannende Neuentdeckungen funkeln am Abendhimmel von Nyon miteinander um die Wette; Unerhörtes kann sich an Erhörtem messen, und scheinbar Bekanntes kann in einem neuen, mit viel Sinn für spannende Kontraste gestalteten Kontext neu gehört werden.
Das gilt auch für das Programm des «Village du Monde», das zum elften Mal Teil des Paléo-Festivals ist. Der Themenschwerpunkt seines Programms liegt in diesem Jahr bei den musikalischen Welten rund um den indischen Ozean. Vier Kontinente grenzen an diese riesige Wasserfläche, in der unzählige Inseln und Archipele liegen: Afrika, Asien, Ozeanien und die Antarktis. Der kulturelle Austausch, der in dieser Weltgegend über Jahrhunderte stattgefunden hat, ist die Grundlage eines ausser-ordentlich reichen und vielfältigen musikalischen Erbes, mit dem die dortigen Musiker heute auf sehr unterschiedliche Art umgehen: Während einige ihre Musiktradition bewahren und pflegen, setzen andere sich kreativ mit eigenen und westlichen Einflüssen auseinander oder entwickeln eigenständige, urbane Klangwelten, in denen ihr kultureller Hintergrund nur stark verfremdet nachhallt.
Die musikalische Vielfalt, von der im «Village du Monde» Kostproben zu erleben sein werden, ist entsprechend gross.
Wie steht es eigentlich mit dem kulturellen Austausch in der Schweiz? Das Zuschauerprofil des Paléo von 2010 setzte sich jedenfalls wie folgt zusammen:
87% der Festival-BesucherInnen kamen aus der Welschschweiz, 10% aus Frankreich, 2% aus der Deutschschweiz und dem Tessin, und 1% aus anderen Gegenden.
ensuite wird über den Röstigraben hinweg eine Korrespondentin in die ferne Welsch-schweiz aussenden, die im September einen Augen- und Ohrenzeugenbericht des Festivals geben wird.
Infos: www.paleo.ch
Foto: zVg.
ensuite, August 2013